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Der Berater Jörg Philipp lebt seit 2011 einen Teil des Jahres in China. Er berät Weingüter mit seiner Firma Degustar beim Export und organisiert Reisen nach und Events in China. Philipp erklärt, wie Weingüter dort Erfolg haben können.

wein.plus Herr Philipp, wie mache ich Wein in China erfolgreich?

Jörg Philipp: Zunächst sollte man sich zwei Dinge bewusst machen: China braucht keinen Wein aus Europa. Die Eigenproduktion ist enorm. Es liegt noch viel chinesischer Wein in den Stahltanks und Fässern, der im Land verkauft werden will. Eine globale Aussage, welche Weine aus Europa sich in China verkaufen lassen, gibt es nicht. Ebenso, wie es kein „China“ gibt. Der bewohnte Teil des Landes erstreckt sich über eine Fläche, die von Malaga in Spanien bis weit hinter Moskau reichen würde - mit der gleichen kulturellen Vielfalt. Weine, die hervorragend nach Südchina passen, sind unter Umständen für Nordostchina ungeeignet. Als Beispiel zum Verständnis: Südchina ist eher für leichte Weine geeignet. Gleichzeitig wird Säure dort als unangenehm empfunden. Das bedeutet: Riesling ist schwierig. Der würde nach Nordchina passen, die Menschen haben dort eine gewisse Toleranz für Säure. Allerdings lieben Chinesen im Norden eher Rotwein mit kräftigem Alkohol. Und mit kräftig meine ich durchaus 14 bis 16 Prozent, weil in diesen Regionen chinesischer Reiswein mit 53 Prozent bevorzugt wird. Deshalb ist ein Blick in die einzelnen, regionalen Märkte sehr hilfreich. Allein in der Region Guangdong leben in einem Gürtel rund 120 Millionen Einwohner. Damit ist sie ein Markt für sich allein!

wein.plus Ich brauche also einen Partner vor Ort, der mir den Markteintritt möglich macht. Wie finde ich den? Es gibt genügend Geschäftsleute, die das Geld dahinter wittern, aber von Wein nicht die geringste Ahnung haben.

Jörg Philipp: Die meisten Chinesen haben mit Wein nichts zu tun, eine Weinkultur ist nicht etabliert. Sie sehen aber, dass sich damit Geld verdienen lässt. Man muss daher schauen: Wer ist schon länger im Geschäft, wer fokussiert sich auf Wein? Das erkenne ich aber nicht auf Anhieb, denn die meisten Geschäftspartner verdienen ihr Geld mit anderen Dingen. Es gibt aber durchaus spezialisierte Importeure, die Geschäfte mit dem Westen machen. Meistens haben sie länger im Ausland gelebt und wollten dieses Lebensgefühl nach Hause mitnehmen. Relativ viele von ihnen sind im Fasswein-Geschäft tätig. Aber um die richtigen Partner zu finden, braucht man zuverlässiges Wissen um die Verhältnisse.

wein.plus Wo wird denn Wein normalerweise getrunken?

Jörg Philipp: Nie alleine, sondern immer in Gesellschaft und gemeinsam mit Essen. Dann allerdings gerne und viel. Es gibt um Wein keinen Kult und auch keine Kultur, wie zum Beispiel um Tee. Daher muss man sich bewusst sein, dass im Falle wirtschaftlicher Unsicherheit der Wein als eines der ersten Konsumgüter eingespart wird, weil er nicht verankert ist. Anders als bei uns.

wein.plus Wie kann ich verhindern, dass meine Weine im Regal verstauben?

Jörg Philipp: Viel Wein wird in China traditionell, also über den persönlichen Kontakt verkauft - nur eben nicht in Weinhandlungen oder über die üblichen, uns bekannten Kanäle. Junge Menschen, die teilweise diesen alten Strukturen nicht mehr folgen und deren Kaufverhalten komplett aufs Handy gewechselt ist, kaufen online. Da gibt es sogar die bessere Beratung und Information zu den Weinen. Weinshops kann man daher nur als Auslagen der Importeure betrachten. Das kann zu kuriosen Situationen führen: Ein Weingut war mit den Verkäufen in China sehr zufrieden. Allerdings waren die Weine nirgends im Handel oder in Restaurants zu finden. Der Importeur hatte seinen eigenen Kundenkreis und tat nichts für die Markenbildung. Häufig bleibt dies Aufgabe der Weingüter.

wein.plus Wie ist der bürokratische Aufwand beim Export einzuschätzen?

Jörg Philipp: Überschaubar. Wer nach Japan exportiert, wird mit China locker zurechtkommen. Die Dokumente sind klar vorgegeben und mit dem richtigen Transporteur sowie einer erfahrenen Servicefirma sind Weine einfach einzuführen. Das gilt aber nur, solange keine Vorkommnisse wie etwa der Handelskrieg mit den USA oder Streitereien wie mit Australien auftreten.

Jörg Philipp mit chinesischen Geschäftspartnerinnen und -partnern bei einer Präsentationsveranstaltung. (c) Jörg Philipp

wein.plus Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Papierkram und die Anforderungen in Japan extrem hoch sind. Da werden Fragebögen ausgegeben mit Details, die ins Kellerbuch gehören.

Jörg Philipp: Wenn ich diese minutiöse Arbeit gewöhnt bin wie für Japan, dann kann ich auch nach China exportieren, denn so viele Details werden nicht gefordert. Man braucht die Analysen, die Exportbescheinigungen und ein paar Zertifikate. Das ist nicht aufwändiger als für andere Märkte. Es wird aber schon viel und gerne nachgefragt. Es ist dort üblich, auch mitten in der Nacht anzurufen und Fragen zum Produkt zu stellen. Für kleine Familienbetriebe kann das eine große Herausforderung sein. Wenn man keine gute Büroorganisation oder keinen Partner hat, was beides Geld kostet, dann rate ich vom China-Geschäft ab. Für Kleinstmengen zahlt sich es nicht aus, denn die Herkunftszertifikate kosten ja auch Beträge. Wenn der Importeur sich plötzlich vom Weinmarkt zurückzieht, kann man schnell alleine da stehen. Denn Ersatz ist kaum zu finden. Alles schon passiert! Also sollte man sich keinesfalls zu abhängig von diesem einen Markt machen.

wein.plus Immer wieder hört man vom Problem der vielen Weinfälschungen.

Jörg Philipp: Es gibt Aspekte, die zuvor unbedingt abgedeckt werden müssen, etwa die Sicherung der Namensrechte. China hat ein eigenes Verfahren dafür. Die weltweite Sicherung einer Marke schließt China nämlich nicht ein. Fälschungen kommen vor und nehmen derzeit durch schärfere Kontrollen sukzessive ab. Kulturell sieht dies so aus: Wenn ein Produkt kopiert wird, ist das ein Zeichen der Wertschätzung und zeigt, dass man es am Markt geschafft hat. Während für die betroffene Firma sicher ein materieller Schaden entsteht, sollte man auch die Anerkennung hinter der Kopie einbeziehen. Sobald es aber den Ruf schädigt oder gegebenenfalls gesundheitsschädlich ist, ergibt sich die gleiche Situation wie in anderen Ländern. Aber: Mittlerweile wird Produktpiraterie viel strenger kontrolliert und bestraft. Weil in China immer mehr Produkte erzeugt werden, die schützenswert sind. Daher begreifen sie nun den Wert des geistigen Eigentums mehr in unserem Sinne und kümmern sich darum.

wein.plus Ist es wichtig, selbst vor Ort zu sein und die Weine zu präsentieren?

Jörg Philipp: Ja. Chinesen glauben Dinge nur, wenn sie sie selbst sehen. Was immer ich ihnen erzähle, ich muss es unter Beweis stellen. In China wird man zudem vom Importeur als Gastgeber abgeholt, ins Hotel gebracht, geht gemeinsam essen, wird rund um die Uhr betreut. Ebenso wird dieser Full-Service erwartet, wenn sie Europa besuchen. Ich erlebe es immer wieder auf Messen: Das Sammeln von Visitenkarten und höflichen Kommentaren bedeutet gar nichts. Niemand würde offen sagen, dass der Wein nicht zum Kunden passt. Das würde für den Erzeuger ja einen Gesichtsverlust bedeuten. Es wird in China auch auf ganz anderen Plattformen kommuniziert. E-Mail kann man beispielsweise völlig vergessen. Eine Mail nach China ist verlorene Mühe! Man muss sich schon mit der Kultur und den Umständen auseinandersetzen. Was man nie unterschätzen darf, ist die Größe und Vielfalt des Landes. Es gibt 56 Minderheiten und riesige Regionen, die andere Geschmacksprofile, Geschäftsgebaren und kulturelle Herangehensweisen ausgeprägt haben. Die Sprache ist zwar die gleiche, aber die Kultur ist extrem unterschiedlich. Mit den richtigen Voraussetzungen aber ist China ein spannender und zukunftsträchtiger Markt. Wer schon Export-Erfahrung hat, sollte sich dort zurecht finden.

 
Interview: Alexander Lupersböck

Weinakademiker Alexander Lupersböck ist stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter Wein beim österreichischen Kulinarik-Magazin GENUSS. Dazu arbeitet er als Autor, etwa für das Standardwerk "Wein in Österreich" (Hrsg. Willi Klinger). 

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