wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

Nicht einfach, bei einem kleinen Ursprungsgebiet wie Franciacorta, Montefalco Sagrantino, Taurasi, Gattinara oder Ghemme den Ursprung zu kontrollieren und zu garantieren. Bei grösseren DOCG-Gebieten wie Barolo, Montalcino oder Chianti Classico ist eine effiziente Kontrolle noch schwieriger zu bewerkstelligen und die famose «Garantie» des Ursprungs schon fast eine Übertreibung.

Ein Ding der schieren Unmöglichkeit ist die Kontrolle des Ursprungs unter den heutigen Umständen bei sehr grossen Anbauzonen wie zum Beispiel dem Chianti-Gebiet. Zu behaupten gar, dass der Ursprung des Chianti «garantiert» sei - so wie dies mit dem DOCG-Prädikat getan wird -, grenzt geradezu an Etikettenschwindel.

Bereits die Einführung der DOCG war für Nichtitaliener ein unverständlicher Akt. Gemäss italienischem Gesetz gibt es seit 1980 garantierte und «ungarantierte» kontrollierte Ursprungsbezeichnungen. Den logischen Unterschied zwischen «kontrolliert» und «kontrolliert & garantiert» erklären zu wollen, führte aber tief in die Widersprüche der italienischen Verwaltungsdialektik und sollte von den Liebhabern dieses schönen Landes besser vermieden werden.
Fragt man einen Funktionär nach dem Unterschied zwischen der DOC und der DOCG, also nach einem Ursprung mit «G» und einem ohne «G», wird das Gesetz zitiert. Man erklärt, dass für die DOC diese und jene Kontrollen, für die DOCG diese, jene und zusätzliche Kontrollen vorgeschrieben seien.

Wer arglos genug ist, wird sich mit dieser Antwort zufrieden geben und die Nachhakfrage: «Werden die vom Gesetz vorgesehenen Kontrollen tatsächlich auch durchgeführt?» unterlassen. Er wird deshalb auch folgende Antworten nicht mitkriegen: «Leider nur zum Teil, die notwendigen Ausführungsdekrete wurden noch nicht erlassen… die vom Gesetz vorgesehenen Verkostungskommissionen an den Handelskammern gibt es nur zum Teil… wir haben zu wenig Mittel und Leute für systematische Kontrollen… das Gesetz erlaubt uns nicht, Nichtmitglieder zu kontrollieren…, etc.»
Bei grossen DOCG-Gebieten kann heute von einer Garantie des Ursprungs nicht die Rede sein. Würde eine Konsumentenorganisation die Chianti-Erzeuger wegen Etikettenschwindels anzeigen - die Angabe «origine garantita» auf ihren Weinetiketten ist nachweisbar eine unwahre Behauptung -, könnte sie damit das DOC-System wohl arg ins Wanken bringen.

Wer wie Merum an die fundamentale Wichtigkeit der Ursprungsbezeichnungen glaubt, für den muss der Chianti DOCG ein Dorn im Auge sein. Den Chianti seinerzeit mit der DOCG beehrt zu haben, erweist sich heute als eine der grössten Fehlleistungen im Bestreben zu mehr Ursprungsgarantie und Glaubwürdigkeit für den italienischen Qualitätswein.

Während die Kontrollorgane zur Aufdeckung von Weinfälschungen und der Festnahme der Panscher einen wertvollen Beitrag leisten, wird zur Verhütung von Betrügereien zu wenig unternommen. Kontrollen erfolgen lediglich stichprobenweise oder auf Grund konkreter Verdachtsmomente, der Vorbeugung wird nicht in genügender Weise Beachtung geschenkt.

In Italien sind eine ganze Reihe von Behörden und Institutionen mit Aufgaben zur Weinkontrolle betraut. Es sind da die Repressione Frodi (Büro zur Betrugsverhütung des Landwirtschaftsministeriums), Nucleo Antisofisticazione (Sondereinheit der Carbinieri könnte zur Verhütung von Fälschungen), Guardia di Finanza (Finanzpolizei), USL (Gesundheitsbehörde), Schutzkonsortien und - wo vorhanden - regionale Kontrollämter. Diese Stellen arbeiten aber unabhängig - und in der Regel unkoordiniert - voneinander.

Die Handelskammern wachen im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums über die DOC/DOCG-Weine, sie führen die betreffenden Register, sind für die amtliche Qualitätskontrolle (Analysen und Verkostung) der DOC/DOCG-Weine zuständig und Empfänger der Erntedeklarationen der Produzenten. Sie sind zudem verpflichtet, beim Fehlen eines Schutzkonsortiums für eine bestimmte Appellation eine interprofessionale Kommission auf die Beine zu stellen. Aber viel mehr als bürokratische und statistische Leistungen tragen die Handelskammern zur Kontrolle nicht bei.
Unbefriedigend ist der Beitrag der Handelskammern zur Weinkontrolle bei einem Wein in der Situation des Chianti. Nicht eine, sondern gleich sechs Handelskammern haben die Aufgabe, auf Grund der Erntedeklarationen oder von Lieferscheinen und Rechnungen an die Produzenten und Handelshäuser die DOCG-Kontrollstreifen abzugeben. In sechs Provinzen der Toskana wird Chianti erzeugt - Florenz, Siena, Arezzo, Prato, Pistoia und Pisa -, von sechs verschiedenen Handelskammern muss die Produktion erfasst werden, sechs Stellen sind somit für die Abgabe der Kontrollsiegel gleichzeitig zuständig. Und den jüngsten Vorkommnissen gemäss zu schliessen, scheint es keinerlei koordinierte Kontrolle über die Gesamtzahl der vergebenen Streifen zu geben.

Niemand besitzt in Italien den Auftrag und die Zuständigkeit, ein ganzes DOC/DOCG-Territorium, die Vinifikation und die Kommerzialisierung des entsprechenden DOC/DOCG-Weins zu überwachen. Keine Behörde hat die Möglichkeit, Fälschungen systematisch zu verhindern.

Ein anderes ungelöstes Problem sind die fehlenden Abfüllerregister der Appellationen. Auch für den Chianti existiert keinerlei offizielles Verzeichnis der vermarktenden Kellereien. In den sechs Chianti erzeugenden Provinzen der Toskana sind rund 5000 Abfüller erfasst, beim Konsortium schätzt man, dass etwa 2000 davon Chianti DOCG abfüllen. Hinzu kommen noch die Chianti-Abfüller ausserhalb der Toskana.

Es ist vollkommen unverständlich, dass von den Ausführungsverordnungen, die für die Funktionstüchtigkeit des genau zehn Jahre alten Weingesetzes unerlässlich sind, noch längst nicht alle verabschiedet wurden. Unter anderem gibt es - obschon vom Gesetz gefordert - noch immer keine offiziellen Register für die Abfüller der einzelnen DOC/DOCG.

Das jetzige System der italienischen Weinkontrolle scheint ein grosses Puzzle zu sein, bei dem die wenigsten Teilchen ineinander passen, die meisten sich gegenseitig überlappen und viele fehlen.
Im Gegensatz zur herrschenden Meinung sind auch die Schutzkonsortien gesetzlich nicht zu mehr befugt als jeder andere Privatclub auch: Clubmitglieder können gefilzt werden, Nichtmitglieder dürfen machen und lassen, was sie wollen. Kellerbesuche und Inspektionen im Weinberg durch die Kontrolleure des Konsortiums sind nur bei Mitgliedern erlaubt…

Kontrolle und Garantie des Ursprungs und damit Verhütung von Fälschungen beginnen aber im Weinberg. Wer den Ursprung des Chianti garantieren soll, müsste wissen, wieviel Wein jeder einzelne Weinberg zu erzeugen in der Lage ist. Er müsste das wirkliche Potential aller Chianti-Weinberge kennen und dieses Potential in einer Datenbank erfassen können. Er müsste die einzelnen Produktionsdeklarationen der Winzer mit dieser Datenbank abgleichen und darüber hinaus dafür besorgt sein, dass jede verkaufte Partie Chianti DOCG über Ursprungszertifikate bis in den Keller der Kelterung zurückverfolgt werden kann. Erst wenn gewährleistet ist, dass die DOCG-Siegel ausschliesslich gegen solche Ursprungszertifikate abgegeben werden, könnte von einer Garantie des Ursprungs die Rede sein.

Lichtblick am Horizont
Einen Hoffnungsschimmer für die Glaubwürdigkeit der italienischen Weinkontrolle bringt ein Dekret des Landwirtschaftsministers der letzten Regierung. Es will die Konsortien in die Lage versetzen, die ganze DOC-Produktion systematisch und vollumfänglich zu überwachen, und zwar vom Weinberg bis ins Regal, vom grössten Abfüller bis zum kleinsten Winzer, egal, ob Mitglieder des Konsortiums oder nicht.
Einem Konsortium kann dann die öffentliche Kontrollfunktion übertragen werden, wenn seine Mitglieder mehr als zwei Drittel der Produktion repräsentieren.

Noch ist es aber nicht so weit. Die inneren Widerstände in der italienischen Weinwirtschaft sind gross: Nicht jedermann, der etwas zu sagen hat, ist von der Stärkung der Rolle der Konsortien und von effizienteren Kontrollen entzückt. Noch keinem einzigen Konsortium wurde bisher die Gesamtaufsicht über seine Appellation übertragen. Aber wie man in Italien so schön sagt: «La speranza è l’ultima a morire», «die Hoffnung stirbt als Letztes».

Der vorstehende Artikel wurde uns freundlicherweise von der Merum-Redaktion zur Verfügung gestellt. Vielen Dank hierfür.

Mehr verwandte Stories

Alle anzeigen
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER