wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

Weinführer-Geburtstage – Gambero Rosso und Slow Wine

Zwei der wichtigsten Weinführer Italiens feierten im letzten Jahr Jubiläum: Der Gambero Rosso hat mittlerweile stolze 30 Jahre auf dem Buckel und der von Slow Food herausgegebene Slow Wine-Führer ging ins ‚verflixte 7. Jahr‘. Grund für einen Rückblick auf die Geschichte dieser beiden wichtigen italienischen Weinführer, die als einzige auch in deutscher Sprache erscheinen.

Gambero Rosso

Ich erinnere mich noch gut daran wie ich Ende 1987 die erste Ausgabe des ‚Gambero‘ in der Hand hielt. Das damals mit 350 Seiten und 500 vorgestellten Produzenten noch recht übersichtliche Buch war mir auf Anhieb sympathisch. Anders als in dem mir bis dato bekannten Weinführer Italiens wurden hier die Produzenten auf einer halben Seite ausführlich beschrieben und jede Beschreibung hatte denselben Umfang. Bekannten Stars der italienischen Weinszene wie Angelo Gaja aus dem Piemont oder Biondi-Santi aus Montalcino und bis dato unbekannten Erzeugern wurde derselbe Raum im Buch eingeräumt. Niemand wurde bevorzugt oder benachteiligt. Die Betriebsbeschreibungen enthielten nicht nur abstrakte Zahlen über Betriebsgröße, Anzahl der produzierten Flaschen etc. sondern auch individuelle Eindrücke. Hier waren Leute vor Ort unterwegs, die sich jeden einzelnen Betrieb ansahen, sich mit den Produzenten unterhielten und dem Leser einen lebendigen Eindruck der Weinwelt Italiens vermittelten. Die Klassifikationen der Weine waren mit einer Einteilung von null bis drei Gläsern recht einfach gefasst und gut nachvollziehbar. Das gefiel mir – und ich war nicht der einzige. Schon bald wurde der ‚Gambero‘ zum meistgelesenen und meistzitierten Weinführer in Italien - sowohl von den Konsumenten als auch von den Produzenten. Ein Eintrag im Gambero wurde von ersteren als besondere Ehre aufgefasst und die erzielten Auszeichnungen mit Stolz kommuniziert, vor allem wenn es am Ende gar die höchste Auszeichnung, die ‚3 bicchieri‘ waren. Deren Vergabe erzielte in den Folgejahren immer größere Aufmerksamkeit in der italienischen Weinwelt und sorgte bei den mit dieser Auszeichnung bedachten Produzenten für schnell geleerte Keller. Leider führte dies mit der Zeit auch dazu, dass immer mehr diese höchste Prämierung im Vordergrund stand und nicht mehr die Arbeit der ‚Squadra‘ vor Ort, die regelmäßig die einzelnen Betriebe besuchte und deren Entwicklung beschrieb. Hinzu kam im Laufe der Jahre eine Tendenz, immer mehr Weine mit internationaler Stilistik auszuzeichnen. Diese waren zugegebenermaßen (fast) alle gut gemacht, verloren aber mit zunehmender kellertechnischer Perfektion immer mehr an Eigenständigkeit und an eben jener Trinkigkeit, die so viele italienische Weine seit jeher auszeichnet. Wie in vielen angelsächsischen Führern wurden in zunehmenden Maß vor allem holzlastige önologische Blockbuster prämiert und trinkige Italien-Klassiker traten in den Hintergrund. In der Folge wurden viele Weine von den Produzenten so gemacht, dass sie den Verkostern des Gambero schmeckten. Das brachte so manchem Erzeuger anfangs auch bemerkenswerte kommerzielle Erfolge, rief mit der Zeit jedoch auch immer mehr Kritiker auf den Plan. Die Zeitschrift MERUM veröffentlichte in den 90er Jahren die Liste der ‚3 bicchieri‘-Weine unter der Überschrift: ‚Die Biber- Parade‘. Das war sicherlich übertrieben, denn schon damals befanden sich unter den top-prämierten Weinen auch traditionelle Klassiker wie die Barolo von Bartolo Mascarello, Bruno Giacosa und anderen. Aber die Kritik war mehr als berechtigt - und sie zeigte Wirkung. Die Verkoster des Gambero besannen sich wieder darauf, was das Weinland Italien ausmacht und prämierten zunehmend gebietstypische, trinkfreudige Weine mit ihren ‚3 bicchieri‘. Weine, die zudem den Vorteil haben, dass sie in aller Regel auch für Weinfreunde erschwinglich sind, deren Brieftasche nicht so prall gefüllt ist.

In seinem 30. Jahr präsentiert sich der ‚Gambero‘ als ein Weinführer, der mit 2.400 Erzeugern einen der umfangreichsten Einblicke in die italienische Weinwelt liefert und mit der im letzten Jahrzehnt erfolgten Rückbesinnung auf die Eigenständigkeit der italienischen Weine viel für den heimischen Wein getan hat. Auch der der ‚grünen Seite‘ des Weinbaus wird hier immer mehr Beachtung schenkt. Neben den ‚normalen‘ 3 Gläsern werden seit einigen Jahren die ‚3 bicchieri verdi‘, das heißt die biologisch produzierten Top-Weine besonders herausgestellt.

Slow Wine

'Slow Wine', der Weinführer von Slow Food Italien ist aus dem ‚Gambero‘ hervorgegangen. Im März 2007 erfolgte die offizielle Trennung. Die Gründe lagen vor allem in der erwähnten Entwicklung des ‚Gambero‘ in den 90er und den frühen 2000er Jahren als immer mehr ‚Il Grande Vino‘ in den Vordergrund rückte, während der echte ‚Vino Italiano‘ immer weniger Beachtung fand. Zudem störte die Slow Food-Weinverantwortlichen die fast ausschließliche Fixierung auf die Bewertung der Weine und die damit verbundene Vernachlässigung der Beschreibung der Arbeit der Produzenten. Man wollte - so die kühne Ankündigung vor dem ersten Erscheinen von ‚Slow Wine‘ - „einen Weinführer ohne Bewertung“. Wichtig war die Darstellung der Produzenten – wie diese arbeiten, welche Weinphilosophie sie vertreten, um welche Persönlichkeiten es sich handelt. Dazu wurden wie in den Anfangsjahren des ‚Gambero‘ alle Produzenten besucht. (Slow Food Italien mit seinen vielen weinverrückten Unterstützern hat dazu die besten Voraussetzungen). So ganz konnte man das Versprechen der Nicht-Bewertung dann doch nicht einlösen - und wollte es wahrscheinlich aus gutem Grund auch nicht. Denn ein Weinführer soll ja eine Orientierung bieten und dafür sind gewisse Symbole, die letztlich auch wieder eine Wertung darstellen, unerlässlich. Allerdings gehorcht die Klassifizierung bei Slow Wine anderen, differenzierteren Kriterien. Neben der Auszeichnung Top-Wein (‚Grande Vino ‘) und der Klassifikation ‚Top-Produzent‘ (‚la bottiglia‘), bei denen die Weinqualität unabhängig von der Art der Herstellung prämiert wird, gibt es bei ‚Slow Wine‘ den ‚Vino Slow‘ als Auszeichnung für Weine, die denen Slow Food-Kriterien von Nachhaltigkeit und Herkunftstypizität besonders gut gerecht werden. Bei den Betriebsbewertungen wird solcherart produzierenden Erzeugern zudem das Slow Food-Emblem, die Schnecke (‚la chiocciola‘), verliehen. Daneben gibt es noch die Münze (‘la moneta‘) für Produzenten mit vielen qualitativ guten preisgünstigen Weinen im Angebot und das € - Symbol für Weine mit besonders gutem Preis/Qualitäts-Verhältnis. Die wichtigste Auszeichnung bei ‚Slow Wine‘ ist sicherlich die Schnecke bzw. die Weinprämierung ‚Vino Slow‘. Ab der 2017er Ausgabe werden diese beiden Bewertungen nur noch an Weingüter vergeben, die ohne Herbizide arbeiten. Angesichts der Bedeutung, welche diese Auszeichnungen mittlerweile in Italien besitzen, eine sehr gute Entscheidung, die sicherlich dafür sorgt, dass noch mehr Produzenten den ‚grünen Weg‘ in der Weinproduktion einschlagen werden. Konsequent wird beim Slow Wine bis jetzt die Praxis gehandhabt, alle Produzenten jährlich zu besuchen, wofür dieser Führer gerade von kleinen, handwerklich arbeitenden Erzeugern sehr geschätzt wird. Ab 2016 hat sich der Kreis dieser Produzenten über Italien hinaus vergrößert. In einer Zeit, in der leider zunehmend engstirnig national gedacht wird, geht ‚Slow Wine‘ den umgekehrten Weg und bringt durch einst willkürlich gezogene Grenzen getrenntes wieder zusammen, indem man die slowenischen Teile der italienischen Weinbaugebiete Collio und Carso im Friaul in den 2017er Weinführer mit aufgenommen hat.

Zusammenfassend ist für mich festzustellen, dass beide Führer mit ihrer zunehmend ökologischen Ausrichtung und in ihrer (Rück)-Besinnung auf klassische italienische Weine eine erfreuliche Entwicklung genommen haben und jedes Jahr aufs Neue eine Bereicherung der italienischen Weinkultur darstellen. Dass mal in einem, mal im anderen (manchmal auch in beiden) vor allem bei den kleineren Produzenten einige wichtige Betriebe fehlen, finde ich bedauerlich. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. Manche Erzeuger besitzen ein Elefantengedächtnis bezüglich Bewertungen, die ihnen in der Vergangenheit nicht gefallen haben und senden keine Weine mehr ein, auch wenn sich – vor allem beim Gambero – in der Zwischenzeit viel geändert hat. Viele der kleineren Erzeuger übersehen in der immer aufwändiger werdenden täglichen Arbeit oft die Abgabetermine. Ein weiterer – sicherlich nicht zu unterschätzender – Grund ist die Vielzahl der Weinführer in Italien. An alle wichtigen italienischen plus eventuell noch drei bis vier internationale Führer Weine einzusenden, kann – je nach Sortimentsumfang – schon mal bis zu einer halben Palette an Musterflaschen kosten, die dann auch noch aufwändig einzeln verschickt werden müssen. Da kann schon mal einer oder beide der sicherlich wichtigsten italienischen Weinführer leer ausgehen.

Da sowohl der Gambero Rosso als auch Slow Wine in einer deutschen Ausgabe erhältlich sind, werden sie in Deutschland im Rahmen von zwei Veranstaltungen präsentiert. Den Anfang macht der ‚Gambero‘ am 30. Januar in München mit der Präsentation ausgewählter Weingüter, die im 2017er Führer die ‚3 bicchieri‘ erhalten haben. Am 20. Februar folgt ebenfalls in München ‚Slow Wine‘ mit 50 ausgewählten Winzern, die ihre aktuellen Jahrgänge präsentieren.

Ausführliche Informationen finden Sie bei diesen Links:

Gambero Rosso: „Tre bicchieri 2017“ Montag, 30. Januar 2017 in München
Slow Wine: „Slow Wine 2017“ Montag, 20. Februar 2017 in München

Mehr verwandte Stories

Alle anzeigen
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER