Hamburg gilt als das „Tor zur Welt“. Anke Sademann entdeckte in der Stadt an der Elbe eine offene, urbane und niveauvolle Weinkultur, in der die ganze Welt zuhause ist. Wer Neuland erkunden will, ist hier richtig.
Hamburg hat eine jahrhundertealte Tradition als Freie Hansestadt. Der Hafen sowie der Handel mit Waren aus aller Welt hat sie seit Jahrhunderten immer wieder neu geprägt. Heute kommen Touristen wegen Sehenswürdigkeiten wie etwa der Elbphilharmonie, dem berühmt-berüchtigten Kiez St. Pauli und dem Fischmarkt, dem Containerhafen sowie vielem mehr in die Stadt mit fast zwei Millionen Einwohnern. Neben Kunst, Theater, Musik und Kultur pflegt Hamburg auch eine kulinarische Tradition, die zugleich traditionell sowie urban und weltoffen ist. In der von Bier und Korn geprägten Großstadt spielt Wein schon lange eine wichtige Rolle. Und so gibt es für Weinfans viel zu entdecken - Überraschungen inklusive. Denn wer würde so weit im Norden vermuten, dass Wein am Hafen wächst? Dieser ungewöhnliche Weinberg ist daher unser erster Tipp.
An der U- und S-Bahn-Station Landungsbrücken (U3, S1 und S3 ), unterhalb der Jugendherberge
Weder Besucher, Ur-Hamburger, „Quiddjes“ (Zugezogene) noch Hipster werden müde, an den Landungsbrücken zu flanieren und die norddeutsche Hafen-Skyline zu bewundern. Den wohl schönsten Blick hat der Weinfan vom frei zugänglichen Hamburger Weinberg, dem „Stintfang“, der über dem Hochbahn-Ausgang liegt (Bild oben). Basierend auf einer Kooperation mit Stuttgart hegen und pflegen fünf Exil-Schwaben, die Stintfang-Winzer, sowie weitere ehrenamtliche Unterstützer die 99 Rebstöcke. Die Regent-Rebstöcke trotzen dem trockenen Stadtboden auf dem ehemaligen Stadtwall mit Tröpfchenbewässerung. Als Bürgerprojekt werden 2025 zur ersten Ernte etwa 40 Flaschen à 0,375 Liter bei einem Festakt für soziale Zwecke versteigert. Auf Anfrage führt Winzer Ekkehart Opitz über den nördlichsten urbanen Weinberg.
Brücke 10, 20359 Hamburg
April bis Oktober: Mo-Sa 10-22 Uhr; So. 9-22 Uhr
November bis März: Mo-Sa: 10-20 Uhr; So. 9-20 Uhr
Oberdeck: Ostern bis Mitte Oktober bei gutem Wetter täglich ab 11 Uhr
Ein gutes Glas Wein mit frischem Fisch und schönstem Hafenblick gefällig? Der Bismarckhering im Brötchen zum Grauburgunder an „Brücke 10“ ist des Hanseaten liebste Adresse an der Hafenpromenade. An der dort letzten Landungsbrücke befindet sich die angesagteste Fischbrötchenbude der Stadt.
Am Kaiserkai 56, 20457 Hamburg / HafenCity
Mo, Mi-Sa 17-23 Uhr, So 13-23 Uhr
Das „Kinfelts“ liegt im futuristischen Pendant – der „HafenCity“. Das minimalistische Glaskubus-Weinrestaurant am Kaiserkai befindet sich in Sichtweite zur Elbphilharmonie. Während sich der Abendhimmel in der Fassade des kurz „Elphi“ genannten neuen Wahrzeichens spiegelt, fließen überraschende Weine in die Gläser. „Als Tor zur Welt am Hamburger Hafen spielen wir mit einer bunten Weinauswahl die komplette Klaviatur“, referiert Maximilian Wilm ebenso zügig wie pointiert. Die durch seinen Podcast „Saufgesabbel mit Kirill“ für seine Sprachgewandtheit bekannte Wein-Koryphäe ergänzt die franko-asiatische Fusionsküche von Kirill Kinfelt mit 600 Positionen. Sechs Nationalitäten sind in der Küche vertreten. Beim „Besten Sommelier Deutschlands 2019“ trifft der Räucheraal mit grünem Apfel und White Ghana-Süßkartoffel auf zarte Räuchernoten des santorinischen Vulkanweins Argyros Assyrtiko Estate. Wilms Team besteht aus vier Sommeliers. 50 offene Weine – vom Fünf-Euro-Tischwein bis zum 169-Euro-Raritätenglas – gibt’s offen im Ausschank. Zum Vanille-Rhabarber-Parfait gibt’s Deutschlands einzige Gewürztraminer-Auslese aus Pergola-Erziehung. Spätestens jetzt outet sich Wilm auch als Fan aufgespriteter Weine -- und holt eine 18-Liter-Flasche Vintage Madeira des Jahrgangs 1991 aufs Parkett.
Karl-Theodor-Straße 4, 22765 Hamburg-Ottensen
Do 18-23 Uhr, Fr, Sa 17-00 Uhr, So 12-23 Uhr
Theres Neuhaus und Kris Haas sind seit Langem ein eingespieltes Food & Wine-Duo und haben mehrseitige Lebensläufe mit gemeinsamen Stationen in der (sehr) gehobenen Gastronomie vorzuweisen. Jetzt machen sie mit einem Bouquet an Erfahrung ihr eigenes Ding: Als neue Betreiber von Hamburgs ältester Weinstube „Zur Traube“ in Ottensen bringen die Chemnitzerin und der Frankfurter frischen Wind, frankophile Fine Dining-Küche und eine exquisite Weinkarte in das 100-jährige, museal-ästhetische Etablissement. Zart grüngelb und nachts leuchtend, hängen die mundgeblasenen Glas-Trauben imposant über dem Eingang zu dieser Parallelwelt des Weins. Das Gastgeber-Paar will seine Gäste in Eigenregie ohne Kompromisse verwöhnen. Die Qualitätsprodukte und raren Weine finden durch ein über Jahre gewachsenes Zulieferer-Netzwerk ihren Weg auf den Teller und ins Glas. Theres kocht in französischer Perfektion gerne auch Innereien. Dabei schmeckt man den Saucen das liebevolle und selten gewordene Einkochen an. Kris kredenzt unbeirrt aller trendigen Zeitströme die großen Klassiker, liebt Bordeaux und referiert über jeden Tropfen eloquent, aber nicht abgehoben.
Weidenallee 20, 20357 Hamburg-Eimsbüttel
Di-Sa ab 18 Uhr, Küche bis 22.30 Uhr; So ab 17 Uhr, Küche bis 21.30 Uhr
Weinverkauf: Di-So ab 17 Uhr
Wo in den 1920er-Jahren in den Räumen des „Witwenball“ noch zum Tanz gebeten wurde, laden heute Julia und Axel Bode ein zum Weinglas-Schwenken. In ihrem vinophilen Wohnzimmer, mitten im heimeligen Stadtteil Eimsbüttel, trinkt und isst man mit viel Nachbarschaftskolorit. Dass der ehemalige Fotograf und die frühere Werbefachfrau neben der Ästhetik der Inneneinrichtung auch den guten Wein zelebrieren, liest man auf der 250 Positionen starken Weinkarte, 30 davon sind offen. Der aus Bremen stammende Gastronom hat ein Händchen für außergewöhnliche, meist biodynamische Weine von unbekannten Produzenten aus Deutschland, Frankreich und Österreich. Zur feinen, deutsch-französischen Küche gibt’s hier Spätburgunder und Riesling im jeweils vollen Spektrum. Da Axel Bodes Ehefrau Julia nur Schaumwein trinkt, ist auch die Auswahl an Bio-Winzerchampagnern exquisit – und mit prickelnd fairem Preis-Leistungs-Verhältnis zu genießen.
Im Hotel Baseler Hof, Fehlandtstraße 26, 20354 Hamburg
Mi-So 17-23 Uhr
In der Neustadt, Hamburgs feinem Bezirk zwischen Binnen- und Außenalster nahe der Flaniermeile Jungfernstieg und den Colonnaden, trifft man Hamburgs dienstältesten Sommelier zur Mittagszeit. Der gebürtige Hanseat Peter Pickern (im Bild) feierte kürzlich 45 Betriebsjahre – davon 25 Jahre als Weinverantwortlicher. Die Wein-Eminenz hat dem gemütlichen Refugium im Souterrain des über hundert Jahre alten Hotels Baseler Hof seine Handschrift verpasst. Im „Kleinhuis“ gibt’s bis heute Klassiker und ungewöhnliche Weine aus ganz Europa. Deutschland ist mit Burgunder-Grenzweinen vom Kaiserstuhl, aber auch durch Ruhr und Mosel vertreten. Die mit Peter Pickern bekannten Winzer kommen immer noch persönlich zu legendären Tastings. Neu: Bei schönem Wetter und über einer Temperatur von 18 Grad zieht die Weinbar aufs Dach in den achten Stock. Hier gibt’s deutlich mehr Italien im Glas, etwa Pinot Grigio und Franciacorta. Initiiert vom italienischen F&B-Manager Fabrizio Viano, serviert seine Ehefrau Caroline dort Antipasti. Die italophile Terrasse ist der charmante Kontrast zum gediegenen Hanseatenhotel. Der Blick über Hamburgs Stadtsilhouette ist traumhaft und gilt als Geheimtipp, den selbst die Hamburger erst noch entdecken müssen.
Susannenstraße 29. 20357 Hamburg
Mo-Sa ab 18 Uhr
Die lauschige Weinbar „Südhang“ befindet sich im Schanzenviertel über dem „Scarpovino“, einem Laden, in dem es Schuhe und erschwingliche Qualitätsweine zu kaufen gibt. 15 offene und 30 Flaschenweine plus vier monatlich wechselnde Themenweine stehen à la carte mit Snacks und drei-Gang-Menü im ersten Stock zur Auswahl.
Osterstraße 92, 20259 Hamburg
Weinbar: Mon- Sa 17-23 Uhr
Weinhandel: Mo 10.30-19 Uhr, Di-Sa 10.30-23 Uhr
Dieser Hybrid aus Weinladen, Großhandel, Bar und Bistro mit Sommergarten und Kaminfeuer-Chalet-Ambiente mitten in einer Lagerhalle ist besonders apart. An langen, rustikalen Holztischen und Holzscheiten an der Wand genießt man regional-mediterrane Bistroküche und Flaschenweine zum Lagerpreis – plus Korkgeld für den Sommelier-Service der jungen, geförderten Weintalente.
Paul-Roosen-Straße 29 22767 Hamburg
Mo-Fr 14-22 Uhr, Sa 12-22 Uhr
Hamburgs hippe Weinszene trifft sich natürlich „im Kiez“. Gastgeberin und Sommelière Stephanie Döring ist die Seele der Hamburger Institution. Den Wein trinkt man zur Brotzeit oder kauft ihn im Vorbeigehen. Nicht zu verpassen: die Winzer- und Themenabende.
Colonnaden 54, 20354 Hamburg
Mo-Sa 13-19 Uhr, Sonn- und Feiertage 15-19 Uhr
Das „Urgestein der Hamburger Weinszene“ ist unter den historischen Arkaden der Colonnaden situiert. Es gilt als „Missionsstation für Frankenweine“, die meist von ökologisch arbeitenden Spitzenweingütern stammen. Alle Weine werden nach fränkischer Tradition auch schoppenweise ausgeschenkt.
Dorotheenstraße 180, 22299 Hamburg
Mo-Sa ab 18.00 Uhr
Die sehr gut sortierte Weinbar bringt die große Weinwelt im beschaulichen Winterhude an der Außenalster ins Glas. Manche Charakterweine kleiner Erzeuger sind in Deutschland nur in dieser kleinen Bar mit W erhältlich.
Elbchaussee 404, 22609 Hamburg
Mo-Sa 12-23 Uhr, So 12-21.30 Uhr
Das über 200 Jahre alte 5-Sterne-Hotel Louis C. Jacob an der Elbchaussee gehört zu den besten Häusern Hamburgs. Umso nahbarer ist seine alpenländisch-österreichische und sehr gemütliche Anrainer-Weinwirtschaft. Von Jause bis Kaiserschmarrn fühlt man sich wie in einem hanseatisch geprägten Heurigen. Die Weinkarte ist rot-weiß-rot mit Spitzenweinen aus allen guten Regionen der Alpenrepublik, vieles davon im offenen Ausschank.