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Die professionelle Beurteilung der Qualität eines Weines durch Verkostung setzt eine Menge Erfahrung voraus und scheint dennoch hochgradig subjektiv zu sein. Trotzdem ist sie nach wie vor kaum stichhaltig durch wissenschaftliche Methoden zu ersetzen. Das zumindest ergab ein ambitioniertes Forschungsvorhaben des renommierten Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie mit der Universidad Técnica Federico Santa Maria, Valparaiso in Chile, das sich dem sogenannten „chemischen Fingerabdruck“ eines Weines, also der Analyse seiner komplexen chemischen Bestandteile, widmete. Das Institut ging der Frage nach, welche Parameter die Qualität von Wein bestimmen und ob diese dann als Biomarker für Weinattribute dienen könnten, um objektive Kriterien zur Bewertung von Wein bestimmen zu können. Man hoffte also auf Substanzen als messbare Kenngrößen für Rebsorte, Herkunft, Weinqualität und Jahrgang. Man weiß, dass jeder einzelne Schritt der Weinwerdung Spuren in Form charakteristischer Inhaltsstoffe im Wein hinterlässt. Zwar sind viele Inhaltsstoffe von Wein bekannt, doch die meisten Untersuchungen beschränkten sich bisher auf die Analyse spezieller Gruppen von Molekülen wie bzw. auf flüchtige oder phenolische Substanzen, Anthocyane usw. So gelang es einigen Autoren immerhin, einige reproduzierbare Kenngrößen z. B. für Rebsorte und Herkunft zu bestimmen.

 

Industrieweinbau von der Stange fürs Discounterregal (Foto: M. Kössler)

Besagtes Forschungsvorhaben wollte nach universellen Kenngrößen für das gesamte Spektrum der Weinqualität suchen. Dazu kamen hochkomplexe analytische, aber auch mathematische Verfahren zum Einsatz. Man entdeckte eine überraschend geringe Anzahl gemeinsamer Inhaltsstoffe in den getesteten Rotweinsorten. Nur 9 Prozent gemeinsamer Stoffe ließen sich nachweisen. Immerhin erwiesen sich rund 30 Prozent der gefundenen Inhaltsstoffe als charakteristische Biomarker für jeweils eine Weinsorte, die restlichen 60 Prozent ließen sich in mehreren, nicht aber in allen Weinsorten nachweisen. Dafür aber entdeckte man bis zu 6.400 verschiedene Inhaltsstoffe in den untersuchten sortenreinen Weinen, von denen mehr als die Hälfte bislang nicht als Inhaltsstoffe von Wein bekannt waren! Das lässt den Schluss zu, dass ein Teil der positiven Wirkungen, die dem Wein zugeschrieben werden, auf diese bislang unerforschten Inhaltsstoffe zurückgehen könnte. Mit allen zur Verfügung stehenden Analyseverfahren gelang es jedenfalls nicht, analytisch qualitative Unterschiede zwischen mittleren und hohen Weinqualitäten zu definieren. Diese Trennung war nur möglich, wenn die Weine eines Weingutes miteinander verglichen wurden. Universelle Qualitätskriterien ließen sich in der qualitativen Spitze als chemische oder physikalische Kenngrößen nicht bestimmen. Man ist in der Qualitätsbeurteilung also auch weiterhin auf die Sensorik erfahrener Verkoster angewiesen.

 

Chemie-Krieg im Weinberg% wie er immer noch üblich ist (Foto: M. Kössler)

Während der Beurteilung eines Weines greift ein guter Verkoster auf sein umfangreiches Detailwissen um die Arbeit im Weinberg und die Weinbereitung zurück. Er kennt jeden einzelnen Baustein, der zum fertigen Ganzen führt und weiß genau um dessen Einfluss auf Farbe, Geruch, Geschmack und Weinqualität – vom Rebschnitt, der für den Ertrag entscheidend ist und damit für die Konzentration und innere Dichte eines Weines, über die Bodenbearbeitung, die für den Wasserhaushalt entscheidend ist und damit für Stressfaktoren wie Bitterkeiten etc., bis zu Blattwerksteuerung und Reberziehung, die für die Phenol- und Tanninqualität entscheidend sind. Jedes Detail in Weinberg und Keller bringt er mit den entsprechenden Geschmacks- und Geruchskomponenten im zu beurteilenden Wein inVerbindung und analysiert ihn so technisch und sensorisch.

 

Klassischer Agrarchemieweinbau des Winzers um die Ecke (Foto: M. Kössler)

So kann ein sensibler und erfahrener Verkoster, ohne Weinberg und Keller eines Weines zu kennen, doch riechen und schmecken, ob er maschinell oder von Hand gelesen wurde, ob er aus Hochertrag, schlechtem Lesegut und unambitioniert technischem Ausbau im Keller stammt und deshalb vielleicht ganz „lecker“ schmeckt, aber keine Seele besitzt; er kann beurteilen, ob ein Wein von alten Reben stammt, aus gesund gelesenen, perfekt reifen Trauben gekeltert wurde, ob der Most spontan vergoren und anschließend lange auf der Hefe gelagert wurde und so einen charaktervollen Wein mit Mundgefühl und Ausstrahlung liefert.

 

Engagierter biologischer Anbau (Foto: M. Kössler)

Das wichtigste Kriterium für die Weinbeurteilung ist also der Weinberg. Hier entstehen Qualitätsmerkmale und sensorische „Kenngrößen“ im Wein, die im Keller weder zu ersetzen noch zu manipulieren sind. Dabei reicht dem Fachmann ein Blick, und er weiß, ob der Winzer so arbeitet, wie er es vorgibt zu tun. Im Weinberg erweist sich, ob der Winzer sein Handwerk im Einklang mit der Natur versteht und mit Herzblut und Kompetenz bei der Sache ist, um aus perfekt reifen Trauben Most zu keltern, an dem er im Keller nicht mehr viel machen muss, oder ob er sich an Rezepte und Spritzpläne der Agrarchemie hält, um Trauben zu produzieren, die er im Keller zu dem verarbeiten muss, was er hinterher auf Flasche haben möchte. Der Unterschied zwischen schlechtem und gutem Wein ist mehr als das geschmäcklerische Urteil. Er basiert auf harten sicht- und schmeckbaren Fakten. Der Weinberg lügt nicht... man muss ihn nur erkennen!

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