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Biowinzer mit Anspruch und Überzeugung wollen im Keller so wenig wie möglich in die Weinbereitung eingreifen. Deshalb arbeiten sie im Weinberg biologisch, um dort so gesunde wie reife Trauben zu produzieren. Nur aus kerngesunden Trauben kann man Most keltern, der keine Eingriffe im Keller nötig macht. Im Weinberg arbeiten diese Winzer für eine andere Physiologie ihrer Reben, die ihnen im Keller einen niedrigen pH-Wert ermöglicht. Sie schmecken ihn durch Erfahrung schon in der Traube und lesen deshalb oft früher als konventionelle Winzer oder Önologen, die nach Zuckergehalt oder Gesamtsäure ernten. Für engagierte, qualitätsorientierte Winzer, ob Bio oder konventionell, ist der pH-Wert wichtige Kenngröße geworden für geschmackliche Qualität, Bekömmlichkeit und mikrobiologische Stabilität ihrer Weine.

Der pH-Wert ist ein Maß für Säuren und Basen in einer wässerigen Lösung wie der Traube oder dem Wein. Seine Werte liegen zwischen 0 = stark sauer und 14 = stark alkalisch. Wasser ist neutral und hat pH 7. Im Wein gilt: Je niedriger der pH-Wert, umso stabiler und gesünder ist der Wein. Je höher der pH-Wert, also je niedriger die Säure, umso mehr muss auf Mikrobiologie, Bekömmlichkeit und Stabilität geachtet werden. Im Wein liegt der pH-Wert je nach Rebsorte, Unterlage, Anbaugebiet und Traubenreife zwischen 2,9 und 4,0.

Indikator für Maßnahmen im Keller

 

Der pH-Wert lässt sich mit Hilfe von einfachen Tests% oft anhand einer Farbskala% bestimmen.

Schon die Farbe eines Rotweines lässt Aussagen über dessen pH-Wert zu: Je höher der pH-Wert, umso mehr tendiert ein Wein zu bläulichem Farbton. Weine mit hohem pH-Wert, also niedriger Säure, müssen, wie z. B. im modernen Bordeaux, durch Zusatzstoffe in der Farbe fixiert werden, oder sie verfügen wie Australier oder Beaujolais über tiefdunkle, blau wirkende Farbpigmente, die aber nicht stabil sind. Der pH-Wert steuert den Energiestoffwechsel der Hefen während der alkoholischen Gärung und entscheidet deshalb über Stabilität und Entwicklungsfähigkeit eines Weines. Sein Wert signalisiert dem Kellermeister, ob weinbautechnische Eingriffe oder Zusatzstoffbehandlungen notwendig erscheinen.

In der Traube sind Weinsäure, Apfelsäure und Zitronensäure dominierend. In Most und Wein entstehen während der alkoholischen Gärung und des Ausbaus im Keller weitere Säuren wie Essig-, Butter-, Milch- und Bernsteinsäure. Ihr harmonisches Zusammenspiel mit Zucker und Alkoholgehalt verleiht einem guten Wein das Gefühl von Frische und Struktur im Mund. Zusammen mit Extrakt und Konzentration des Weines entsteht so ein Mundgefühl, das Weinqualität buchstäblich spürbar macht.

Es geht beim niedrigen pH-Wert nicht um “saure Weine”! Es geht um hochwertig frisches, wohltuendes Mundgefühl. Wenn Weinanalysen den Säurewert angeben, dann ist das die so genannte titrierbare Gesamtsäure. Sie wird gerne von den Winzern angegeben, weil sie etwas über den schmeckbaren Säuregehalt eines Weines aussagt. Der hat aber nichts mit dem pH-Wert zu tun, weil die im Wein dominierende Weinsäure wie auch die Zitronensäure den pH-Wert deutlich stärker senken als die aggressiv vorschmeckende Apfelsäure, die Milch- oder die Bernsteinsäure. Deshalb ist der pH-Wert als die Summe aller Säuren geschmacklich für die Beurteilung der Weinqualität viel aussagekräftiger, ermöglicht er doch über das Mundgefühl Aussagen über die sensorische Gesamtqualität eines Weines, also über seine Frische, Länge oder Struktur, die weit über “Säure” und “Geschmack” hinausgehen.

Gesundheit von Most und Wein

Der pH-Wert ist entscheidend für die biochemische und mikrobiologische Stabilität eines Weines, damit auch für dessen Bekömmlichkeit. In der Traube ist er kurz vor deren beginnender Reife am niedrigsten, mit der Reife steigt er an. Während die aggressive Apfelsäure im Laufe der Traubenreife “veratmet”, hört die Produktion von Weinsäure auf, wenn das Zellgewebe der Beere reif ist. Aus der sensorischen Einschätzung dieser Balance (Analyse der zerkauten Beeren und Kerne) bestimmt der erfahrene Winzer den Zeitpunkt seiner Lese und kann so Charakter und Stil seiner Weine entscheidend beeinflussen – wenn er es beherrscht. Je heißer ein Jahrgang, umso stärker und früher setzt die Veratmung der Apfelsäure ein, was zu müdem und schlappem Geschmackseindruck führen kann, mit entsprechend schlechtem Alterungspotenzial.

 

Auch im Keller ist der pH-Wert von Bedeutung% denn er ist maßgeblich für die Qualität und Stabilität des Weins.

Im Keller schließlich ist der pH-Wert entscheidend für die Gesundheit des Mostes, weil im sauren Milieu kaum Bakterien überleben können, außer den Essigsäure- und Milchsäurebakterien, denen man aber mit Schwefeldioxid zu Leibe rücken kann, wenn es nötig erscheint. Der pH-Wert ist also wichtige Kenngröße nicht nur für die geschmackliche Stilistik und die biochemische Qualität eines Weines, sondern auch für dessen Bekömmlichkeit.

Immer mehr Menschen berichten allerdings über Kopfschmerz nach Weingenuss – vor allem nach Genuss von Rotwein. Und auch nach Weißweingenuss gibt es immer mehr Menschen, vor allem Frauen, die über Kopfweh bis hin zu Migräne klagen. Die Reaktionen auf Wein sind vielfältig, von der verstopften oder rinnenden Nase über einen trockenen Mund oder Atemwegsbeschwerden bis zum Asthma bronchiale, es gibt Berichte über Herzrhythmusstörungen, die zu schlaflosen Nächten führen, über niedrigen Blutdruck mit entsprechender Müdigkeit und Erschöpfungserscheinungen, über Magen- und Darm-Beschwerden sowie über Juckreiz und gerötete Hautstellen.

Beschwerden durch biogene Amine

Schnell ist man dann beim Schwefel, denn “der Schwefel im Wein macht Kopfschmerzen”, “geschwefelter Wein kann kein guter Wein sein”, “nur schlechte Winzer schwefeln ihren Wein” – über nichts kursieren im Wein mehr Gerüchte, werden mehr abgegriffene Klischees bemüht als über Schwefel. Dabei kann schon eine schlicht zu hohe Dosis Alkohol für Kopfweh sorgen. Alkohol ist schließlich Zellgift. Doch oben beschriebene Beschwerden gehen nur selten auf den Alkohol alleine zurück, sie können auch nicht dem Schwefel im Wein angedichtet werden, denn der ist, außer in hundsmiserablen Billigweinen, die aus zigtausend Einzelpartien
zusammengepanscht werden, oder in missglückten Ausnahmetropfen im negativsten Sinne, gesundheitlich im Wein nicht relevant. Seit wenigen Jahren weiß man, woher die Beschwerden kommen, und man forscht intensiv an deren Ursprung und Wirkung: Es geht um biogene Amine. Die Internationale Organisation für Rebe und Wein (OIV) in Paris und die EU diskutieren bereits Grenzwerte für biogene Amine im Wein, weshalb man sich wundern muss, dass die Weinbranche, Winzer wie Händler, zu diesem Thema schweigt bzw. es offensichtlich noch nicht einmal wahrgenommen hat.

 

Für Kopfschmerzen am "Tag danach" sind oft biogene Amine verantwortlich.

Biogene Amine sind Eiweißabbauprodukte. Sie sind natürliche Bestandteile in vielen Nahrungsmitteln, vor allem in gereiftem Käse, Wein, Bier, dort vor allem im Weißbier, im Sauerkraut und, in hoher Dosierung, in Fischprodukten und Salami. Die häufigste Lebensmittelunverträglichkeit, die von biogenen Aminen ausgeht, bezieht sich auf das bekannte Histamin, doch es ist nicht das einzige Amin, das empfindlichen Personen zusetzt, da einige Amine synergetische Effekte auslösen. Im Wein sind biogene Amine gut dokumentiert. Sie befinden sich bereits in den Trauben, entstehen aber vor allem und nachhaltig während der Gärungen und variieren zudem stark nach der Chemie des Weines, der Art der Vergärung und der Reifung im Keller.

Histamin wird im menschlichen Körper aktiv gebildet und ist an der Steuerung verschiedener Körperfunktionen wie Magensaftsekretion, Zellwachstum und Zelldifferenzierung beteiligt. Wer auf Histamine reagiert, ist nicht allergisch, sondern man spricht dann von einer Histamin-Intoleranz. Die medizinische Statistik stellt seit Jahren eine deutliche Zunahme dieser speziellen Intoleranz fest, die neben erhöhten Histaminwerten auch eine erniedrigte Diaminoxidase (DAO) diagnostiziert. Das ist ein empfindliches körpereigenes Enzym, das von biogenen Aminen, Alkohol und dessen Abbauprodukt Acetaldehyd in seiner Wirkung gehemmt werden kann. Das Enzym, das im Körper den Abbau des Alkohols bewirkt, die sogenannte Alkoholdehydrogenase (ADH), konkurriert mit anderen Enzymen um den benötigten Sauerstoff. Bei gleichzeitiger Aufnahme von Alkohol und biogenen Aminen hat der Abbau des Alkohols Priorität und das Histamin beginnt sich im Körper anzureichern. So wird die toxische Wirkung des Alkohols durch biogene Amine, hier vor allem Histamin, verstärkt.

Hoher pH-Wert begünstigt Amin-Bildung

Obwohl Wein im Vergleich zu Käse, Rohwurst und Fisch (für Fisch gibt es in der EU bereits einen Histamin-Grenzwert) normalerweise geringe Mengen Histamin enthält, wird er am häufigsten als Auslöser der oben genannten Beschwerden genannt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Erstens erfolgt die Aufnahme des Histamins aus Flüssigkeiten viel rascher und konzentrierter als aus fester Nahrung, zweitens erhöht der Alkohol die Durchlässigkeit der Darmwand, so dass das Histamin aus dem Wein mit dem Histamin der gleichzeitig aufgenommenen Nahrung unmetabolisiert in den Blutkreislauf gelangt. Der gleichzeitige Genuss von Alkohol und histaminreichen Nahrungsmitteln wie z. B. Käse und Salami zu Rotwein kann deshalb bei disponierten Menschen schnell zu besagten Beschwerden führen. Auch Krustentiere und bestimmte Weißweine, z. B. Chardonnay aus dem Barrique, gelten als Garanten für Beschwerden, weil Krustentiere wie z. B. auch Erdbeeren oder Zitrusfrüchte Histamin spontan im Körper freisetzen können.

Der Klimawandel hat zu früherer Reife mit besser ausgereiften Trauben geführt. Dies führt zu schnellerem Abbau der Apfelsäure in der Traube und damit zu höheren pH-Werten. Zeitgleich mit dem Klimawandel haben sich die Geschmacksgewohnheiten, unter anderem auch durch Robert Parkers Einfluss, in Richtung eines Geschmackbildes mit milder, weicher Säure, sattem, fast süßem Körper und möglichst schwarzer Farbe verändert. Erzielt wird das durch extrem späte Lese mit sehr hohen pH-Werten, die später im Keller durch Aufsäuerung kompensiert werden müssen, mit verlängerter Maischestandzeit, die ihrerseits zu Entsäuerung durch Weinsteinausfall führt, sowie durch biologischen Säureabbau, der für Rotwein Standard ist, für milde Säure zunehmend aber auch in Weißweinen praktiziert wird. Die für das modische Geschmacksbild typischen hohen pH-Werte fördern die Vermehrung von Bakterien, weil die mikrobielle Wirkung des Schwefeldioxids exponentiell abnimmt. Früher wurde die Schwelle von pH 3,4, ab der die Vermehrung der Schadbakterien einsetzt, kaum erreicht, heute gibt es kaum noch Rotweine mit niedrigeren pH-Werten, und auch viele Weißweine liegen darüber. Die Schadbakterien sind die Hauptproduzenten der biogenen Amine. In den warmen Klimazonen der EU und allen außereuropäischen Weinländern dürfen zu hohe pH-Werte durch systematische Aufsäuerung “korrigiert” und so künstlich auf sicheren Schutz gegen Schadbakterien eingestellt werden. In Nordeuropa ist das den Winzern nur mit ausdrücklicher Genehmigung erlaubt.

 

Der Gehalt an Histamin im Wein kann im Labor ermittelt werden.

Die zahlreichen Untersuchungen zu biogenen Aminen im Wein ergaben, dass nicht nur Art und Dauer der Weinbereitung, sondern auch Klima und Nährstoffversorgung, ja sogar die Rebsorte Einfluss auf die Konzentration an Polyaminen haben. Histamin, das gesundheitlich bedenklichste Amin, kommt dabei im Ausgangsmost nur in geringer Konzentration vor. Seine Bildung erfolgt während der Hauptgärung, mehr noch aber während des biologischen Säureabbaus, sowie während der Reifephase im Keller. Durch Bakterien auf den Trauben und durch falsche Mikroflora im Weinkeller kann es zu Kontaminationen mit schädlichen Milchsäurebakterien kommen, aber auch bestimmte wilde Hefen, die sich in der frühen Phase der alkoholischen Gärung vermehren, können Histamin produzieren, weshalb für spontanvergärende Betriebe die Kenntnis der richtigen Hefestämme so wichtig ist wie “gesunde” pH-Werte in Most und Wein.

Garantiert histaminfreie Weine wären eine Rosskur für den Wein, die niemand will: starke Mostvorklärung, Impfung mit Reinzuchthefe, kalte schnelle Vergärung und anschließend starke Schönung mit speziellen Bentoniten. Solche Weine wären garantiert bekömmlich – aber ihre geschmackliche Qualität dürfte fraglich sein.

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