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Die konventionelle Kellerwirtschaft nutzt zahlreiche Zusatzstoffe und physikalische Verfahren, um Wein den „Anforderungen des Marktes geschmacklich anpassen zu können“. Seit März 2012 regelt die Durchführungsverordnung EU 203/2012 Zusatzstoffe und Verfahren zur Herstellung von Biowein im Keller. Damit darf sich „Biowein“ ab 2012 so nennen.

Die Verordnung droht jedoch, das „Bio“ im Wein zur Makulatur zu machen, und fordert damit die seriösen Biowinzer und Verbände heraus. Zwar verbietet sie die physikalische Entschwefelung und den Zusatz von Sorbinsäure, einem umstrittenen Stabilisator gegen Nachgärungen durch noch vorhandene Hefen, und sie schreibt Sulfite, also Schwefeldioxid, als Konservierungsmittel in geringerer Dosierung als bei konventionellen Weinen vor. Doch aus der langen Liste chemischer Zusätze, die für die Weinbereitung zulässig sind, erlaubt sie L-Ascorbin- und Zitronensäure als Stabilisatoren, geschmacksverändernde Zusatzstoffe wie Tannine und Eichenchips, Gummi arabicum, Auf- und Entsäuerung, diverse Verarbeitungshilfen, Aktivkohle, Reinzuchthefen, Enzyme und Schönungsmittel. Mosterhitzung bis 70 Grad und Konzentration durch Umkehrosmose sind als physikalische Verfahren „zur Überprüfung“ zugelassen, und auch das umstrittene Kupfercitrat zur Böckserbeseitigung darf eingesetzt werden.

 

Das EU-Bio-Siegel darf ab 2012 auch für Wein verwendet werden. (Quelle: EU-Kommission)

Die bisher von Abfüllern unverfroren ausgenutzte Grauzone der Kellerwirtschaft im Biowein wird durch eine industriefreundliche EU-Verordnung ersetzt, die Großkellereien und Abfüllern nun legal gestattet, aus der konventionellen Weinwirtschaft stammende Verfahren und Zusatzstoffe für preiswert produzierte Bioweine einzusetzen, wie sie die Regale von Bioläden und Supermärkten füllen. Jetzt sind die seriösen Bio-Verbände richtig gefordert.

Auf die seit Jahren um sich greifende Verindustrialisierung des Bioweins gab es weltweit unabhängig voneinander eine spannende Gegenreaktion. Während sich die Pioniere der Biobewegung fleißig und von ihrem Tun beseelt mit ihren Weinbergen beschäftigten, ohne sich sensorisch weiterzuentwickeln und ihre technisch sicheren, aber wenig ambitioniert schmeckenden Weine im Keller ihrer visionären Qualitätsarbeit im Weinberg anzupassen, wuchs eine neue, hochmotivierte Generation von Biowinzern heran. Damals mussten sich viele Winzer weltweit eingestehen, dass ihre Weine durch die Orientierung an Parkers Punktekriterien an einem infantilen Geschmacksbild litten; sie waren auf höchstem technischen Niveau zu Karikaturen verkommen, ausgereizt in der Kellertechnik, aber langweilig und uniform in der Stilistik. Auf der Suche nach einem Ausweg entdeckten sie die Wurzeln ihres Tuns wieder, ihre Reben. Im Keller beherrschten sie ihr Metier, sensorisch waren sie erfahren wie wenige, nun machten sie sich daran, den Weinberg für mehr Individualität in ihren Weinen zu nutzen. Fast zwangsläufig führte das viele zum biologischen, oft auch zum biodynamischen Anbau.

Bio garantiert nicht die geschmackliche Qualität

 

Biowein ist Handarbeit. (Foto: Ecovin)

Schmeckt Biowein nun besser als konventioneller Wein? Die Frage ist in dieser Form falsch. Besser wäre zu fragen, unter welchen Bedingungen er besser schmeckt. Die ärgerlichen Billigflaschen aus dem Biomarkt, dem einschlägigen Bioweinversand oder dem Supermarkt unterscheiden sich geschmacklich und qualitativ nicht von konventionell produzierten Pendants. Ideologische Biodynamik ist keinen Deut besser. Ihr Erfolg beruht auf jener heimlichen Macht, die Bioprodukte auf den verunsicherten Verbraucher auszuüben scheinen.

Wird biologischer Wein aber mit Anspruch und aus Überzeugung in Weinberg und Keller produziert, schmeckt er anders als konventionell produzierter Wein. Ob er auch besser schmeckt ist eine Frage der Wahrnehmung und der Maßstäbe, der persönlichen Weinerfahrung, der chemischen und mikrobiologischen Beschaffenheit, des persönlichen Wollens und des sensorischen Könnens.

Engagierte Biowinzer folgen einem Ethos. Sie sind aus Überzeugung Biowinzer geworden. Ihnen geht es um eine andere, ehrliche, natürliche Weinqualität. Nicht umsonst erlaubt der Verband Demeter in Nahrungsmitteln nur 14 Zusatzstoffe getreu dem Grundsatz: „Ein Zusatz- oder Hilfsstoff darf keine Irreführung der Verbraucher im Sinne der Vortäuschung einer höheren Qualität des Produktes bewirken.“

Deshalb geht ein engagierter Biowinzer anders an Weinberg und Keller heran als der konventionelle Kollege. Er kennt seine Reben und verfolgt ihre Entwicklung über das Weinjahr hindurch mit Argusaugen. Er trennt nicht zwischen Weinberg und Keller, für ihn repräsentieren die Trauben fertigen Wein: Sind sie gesund und schmackhaft, weiß er, wie der Wein schmecken wird. Der konventionelle Durchschnittswinzer hingegen ist Traubenbauer. Er kennt seine Reben nur vom Traktor aus. Er weiß nicht, wann seine Trauben geschmacklich reif sind, geschweige denn, dass er sagen könnte, wie sein Wein schmecken wird. Willfähriger Diener der Agrarindustrie.

 

Chemie im Weinberg ist im konventionellen Anbau gang und gäbe.

Bio ist keine Garantie für geschmackliche Qualität. Es ist nicht die Natur, die den Wein macht, es ist der Mensch, der Trauben in Wein verwandelt. Deshalb kann ein konventionell arbeitender Winzer, der seine Reben kennt und im Keller schonend agiert, den geschmacklich „besseren“ Wein im Keller haben im Vergleich zum braven Bioverbandswinzer. Nur der erfahrene Biowinzer, der auch im Keller kompromisslos umsetzt, was er der Natur im Weinberg abzuringen verstand, wird den spannenderen, lebendiger wirkenden und deshalb interessanter schmeckenden Wein ins Glas bringen als der Nichtbio-Kollege.

Der Unterschied? Der Biowinzer arbeitet für die natürliche Balance seiner Reben. Deshalb bearbeitet er den Boden; wenn er gesund und lebendig ist, geht es der Rebe gut. Das erkennt der erfahrene Winzer an Farbe, Dicke und dem Stand der Blätter. Er kann Struktur und Feuchtigkeitsgehalt der Krume über Mulchen und Begrünung einstellen. Wenn Eisen- oder Magnesiummangel seine Reben stressen, steuert er auf natürliche Weise gegen. Weil seine Reben und Trauben gesund sind, muss er nicht mit Pilzmitteln spritzen, die ihm im Keller die natürliche Gärung stören.

Deshalb schmecken anspruchsvoll produzierte Bioweine anders als konventionell erzeugte Weine. Sie vermeiden geschmäcklerische Klischees, machen den Jahrgang schmeckbar und bringen Lage und Herkunft zum Klingen. Sie sind nicht spektakulär laut, sondern setzen auf Frische und Finesse statt auf Wirkung. Sie wagen mutig die Imperfektion der Natur, sind unaufdringlich potent in Kraft und Extrakt und vermitteln deshalb Spiel und Trinkfreude. Man mus ihnen zuhören. Doch wenn man ihre Sprache versteht, schmecken sie nicht nur anders, sondern besser.

Alle in diesem Jahr probierten Bioweine im Weinführer

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