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Der menschliche Geruchssinn bestimmt unser Leben viel mehr als es uns bewusst ist. Wohlbefinden, Symphatie, Stimmung und viele andere Empfindungen werden wesentlich von den aufgenommenen Gerüchen bestimmt. Auch beim Genuss eines Weines spielt die "Nase" bekanntlich eine erhebliche Rolle. Das Aroma des Weines hat entscheidenden Einfluss darauf, ob wir den Wein mögen. Die Nase lässt auch, viel mehr als Aussehen und Geschmack, Rückschlüsse auf Rebsorten, Herkunft und Ausbau zu.
 

Wie kommt aber nun der Geruch in den Wein? Dazu muss erst einmal die Frage beantwortet werden, was denn Geruch überhaupt ist. Wenn wir an etwas riechen, dann nimmt unsere Nase die flüchtigen Inhaltsstoffe der Substanz wahr, an der wir riechen. Diese flüchtigen Inhaltsstoffe sind es, die im Zusammenspiel zwischen Nase und Gehirn identifiziert und bewusst oder unbewusst eingeordnet werden. Jeder Weinliebhaber weiß, wie schwierig die sprachliche Einordnung dessen ist, was wir wahrgenommen haben. Wir orientieren uns dabei an bekannten Leitaromen, wie wir diese von Früchten, Blumen und anderen bekannten Dingen kennen. Manchmal ist es dann auch so, dass dem wahrgenommenen Aroma im Wein und dem zugeordneten Leitaroma auch tatsächlich der gleiche chemische Stoff zu Grunde liegt. Wenn wir z.B Vanille in barriqueausgebauten Weinen riechen, dann liegt das in beiden Fällen am wahrgenommenen flüchtigen Vanillin. Sowohl in grünem Paprika als auch in dem entsprechenden Aroma einiger Cabernets findet man den gleichen Stoff (IBMP = 2-Isoburtyl-3-methoxypyrazin).

Auf das Zusammenspiel und die Konzentration kommt es an

So einfach wie bei den oben beschriebenen Beispielen ist es aber nur selten. Meistens wird der konkrete Geruchseindruck von einer großen Menge an chemischen Substanzen erzeugt, die alle in unterschiedlichsten Konzentrationen und unterschiedlichsten Geruchsschwellen den Gesamteindruck bestimmen. Die Geruchsschwelle ist dabei die Konzentration, ab der eine Substanz von den meisten Menschen überhaupt erst wahrgenommen wird. Dabei gibt es ein kaum durchschaubares Wechselspiel zwischen Konzentration und Geruchsschwelle verschiedener Substanzen. Bekanntes Beispiel dafür ist das berüchtigte TCA, das für den Korkschmecker verantwortlich ist. Die Geruchsschwelle von TCA hängt nicht nur von der individuell höchst unterschiedlich ausgeprägten Sensibilität des Betroffenen, sondern auch von seinem Zusammenspiel mit anderen Aromen ab. So erkennen wir den "Kork" in neutralen Weißweinen viel eher als in Rotweinen oder z.B in einem bukettbetonten Muskateller.

Noch verrückter wird es, wenn wir z.B. einige Mercaptane betrachten. So berichtet Dr. Rainer Amann z.B in "Der Badische Winzer 10/2002" von Mercaptanen, die in hoher Konzentration äußerst unangenehm riechen, sich aber bei schwächerer Konzentration als angenehme Aromen wie Cassis, Maracuja, Grapefruit oder auch Röstkaffee bemerkbar machen.

Wo kommen die Aromen her?

In der Weinliteratur liest man immer wieder von primären, sekundären oder tertiären Aromen. Genau diese Unterscheidung ist auch der Schlüssel zur Herkunft der Aromen, also der Substanzen, die in gelöster Form den Geruchseindruck ausmachen.
 

Assoziationen mit Früchten sind in der Regel den Primäraromen zuzuordnen


Bei den primären Aromen ist die Substanz bereits in der Traube enthalten. Ein Beispiel ist z.B. das für die Scheurebe typische Aroma nach Schwarzer Johannisbeere. Hier handelt es sich eindeutig um ein Primäraroma. Dennoch riecht eine unvergorene Scheurebe-Traube nicht nach Schwarzer Johannisbeere. Die hierfür verantwortliche Substanz (MMP = 4-Mercapto-4-methyl-2-pentanon) ist zwar in der Traube enthalten, aber nicht in freier, also wahrnehmbarer Form. Erst durch den Gärprozess wird MNP freigesetzt, also sensorisch wahrnehmbar.

Unter den sekundären Aromen versteht man aromabestimmende Substanzen, die erst durch den Verarbeitungsprozess (Traubenverarbeitung, Gärung, Ausbau) entstehen. Dazu gehören erwünschte Aromatisierungen z.B durch Vanille- oder Röstaromen, die von den Barriques in den Wein übergehen. Hier sind aber auch viele unerwünschte Aromen (=Weinfehler) einzuordnen, wie z.B. Ethylmercaptan, das bei der Gärung entsteht und für den Böckser verantwortlich gemacht wird. Bei der gegen Böckser eingesetzten Kupferschönung wird Ethylmercaptan geruchlich neutralisiert.

Die tertiären Aromen entstehen erst während der Lagerung des Weines. So z.B. der für gereifte Rieslinge typische und für viele Weinliebhaber sehr polarisierende Petrolton. Für manche ist er einfach störend, andere empfinden ihn als Hochgenuss. Die chemische Substanz dahinter ist TDN (1,1,6-Trimethyl-1,2-dihidronaphtalin).
Auch den Lageraromen zuzuordnen ist der häufigste und bekannteste Fehler: Der Korkschmecker. Dieser entsteht durch eine Verunreinigung des Weines mit TCA (2,4,6-Trichloranisol), das unter nach wie vor ungeklärten Umständen im Naturkorken entsteht und jeden 10. bis 20. Wein qualitativ beeinträchtigt. Das Beispiel TCA belegt eindrucksvoll, wie gering die Konzentration von Substanzen sein kann, um einen Wein eindeutig als fehlerhaft in der Nase erscheinen zu lassen: Laut Dr. Ulrich Fischer (SLFA Neustadt) wird schon eine Konzentration von 5 bis 10 Anteilen TCA auf eine Milliarde! Anteile Wein von den meisten Menschen deutlich als Korkschmecker erkannt.

Die Einordnung der Aromen ist in der Literatur übrigens nicht einheitlich. Wenn von Sekundäraromen gesprochen oder geschrieben wird, sollte man immer die vom jeweiligen Autor verwendete Definition beachten.

Noch vieles ist ungeklärt

Auch wenn in vielen Fällen bereits ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der sensorischen Geruchswahrnehmung in Weinen und den verursachenden chemischen Verbindungen geschaffen werden kann, bleiben die meisten diesbezüglichen Fragen noch offen. Noch sind wir nicht in der Lage, aus einem Liter Wasser unter Zusetzung der geeigneten Substanzen einen wohlriechenden Riesling zu konstruieren. Zum Glück.

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