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Verdutzt stellt „Weinnase“, der erst kürzlich der Gemeinschaft von „facebook“ beigetreten ist, die Frage: „Warum habe ich nur so viele Freunde? So viel Stühle hab' ich doch nicht! Woll'n die 'ne Party bei der WEINNASE machen?“. Nein, liebe Weinnase, eine Party wollen deine neuen Freunde bei dir nicht machen, aber werben möchten sie, werben, werben - sei es für eine Idee, einen Anlass, ein Produkt, eine Gesinnung oder bloss für die eigenen Eitelkeiten. Tatsächlich, spätestens seit es „facebook“ gibt, wird der Begriff „Freund/Freundin“ geradezu inflationär verwendet.

Begegnungen: Kameradschaft% Freundschaft% Interessengemeinschaft oder sogar Liebe?

„Freundschaft“ ist schon bei Aristoteles eine Beziehung der Menschen untereinander, die mit einem hohen Maß an Ethik verbunden ist, Sie ist durch die Anonymität moderner Kommunikationstechnik zum trendigen Mobilisierungs- und Werbeinstrument verkommen. Auch ich spreche oft und gern von „meinen Weinfreunden“. Sind dies wirklich alles meine Freunde oder teilen sie mit mir nur die Freundschaft zum und mit dem Wein? Hat dieses Freundschaftsgesäusel etwa mit mir gar nichts zu tun? Mir ist es wie meinem echten Freund, der schon fast legendären „Weinnase*, ergangen. Plötzlich stehe ich da mit mehr als 100 Freunden und Freundinnen. Und es werden jeden Tag mehr. Was für ein Schneeballsystem habe ich da losgetreten?

Schematische Darstellung des Schneeballsystems (Pyramidenform)

Inzwischen ist eine neue Kategorie dazu gekommen: der „Fan“ oder, emanzipatorisch korrekt, die „Fanin“. Während mich einst die Eltern vor „falschen Freunden“ gewarnt hatten, habe ich jetzt gelernt, die Freunde/Freundinnen zu kategorisieren: Weinfreunde, Karl-May-Freunde, Santons-Freunde, Foto-Freunde, Reise-Freunde, echte Freunde… Die Kategorie „falsche Freunde“ gibt es (noch) nicht.

Inzwischen bin ich sogar recht zickig geworden. Ich lehne immer mehr „Freundschaftsanträge“ einfach ab, auch wenn mir das System meldet: „23“ oder gar „56 gemeinsame Freunde“. Ja, ich habe sogar begonnen, Freunde aus der Freundesliste zu streichen. Ich gebe zu, noch zu jener Generation zu gehören, der es weh tut, Freunde zu verlieren, Freundschaften aufzugeben. Ich bin noch mit Winnetou aufgewachsen und seinem Blutsbruder Old Shatterhand, dem Urbild einer Freundschaft bis in den Tod und darüber hinaus. Ich habe geweint, als Winnetou in Band 3 Santers mörderischer Kugel zum Opfer gefallen ist. Wer würde heute noch weinen, wenn Harry Potter in Band 7 beim Quidditch-Spiel vom Besen stürzen und sich das Genick brechen würde?

Winnetous Tod (im Film)

Irgendwann bin ich auch – im klassischen Bildungsgut – der Ballade „Die Bürgschaft* von Friedrich Schiller begegnet: "…zurück! du rettest den Freund nicht mehr, So rette das eigene Leben!“. Dies hat mich genau so bewegt, wie vorher Winnetous edler Geist, zumal Dionys, der Tyrann, sich überzeugt: „…und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn. So nehmet auch mich zum Genossen an. Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte“. Davon ist nichts mehr übrig geblieben. Twitter, Facebook, all die Foren und Blogs haben „Freundschaft“ neu definiert, Dessen bin ich mir erst jetzt so richtig bewusst geworden.

Ich beginne auch den Begriff „Weinfreunde“ zu überdenken, neu zu definieren. Aus der frühen Forumszeit von wein-plus sind ein paar „Freunde“ wirklich Freunde geblieben, über zehn Jahre und mehr. Andere haben sich verabschiedet, sind einfach weggegangen, meist ohne „Adieu“ zu sagen, verschwunden. Als kürzlich ein zum wilden Blogger mutierter *Weinfreund“ über das antiquierte und träge Wein-plus-Forum tüchtig gelästert hat, habe ich ihn auf den Begriff „Nachhaltigkeit“. oder – etwas pathetischer ausgedrückt – Vertrauen und Treue aufmerksam gemacht. Seine Reaktion: „das hab ich mir halt noch nie überlegt“ – und er twittert, facebookt, bloggt munter weiter. Über einen Elch-Weintest zu blödeln, das Abendmahl zu karikieren, die dritte Show des Tages zu lancieren, das ist halt super-geil!

Ich stelle mir halt Freundschaften – auch Weinfreundschaften – anders vor. Auch da darf einmal gewitzelt, geblödelt werden, auch da gibt es ernstere und heitere Zeiten. Die Grundlage einer jeden Freundschaft sind eben Werte, die aus der virtuellen Freundschaftswelt explizit ausgeschlossen werden, als da sind: Wertschätzung, Vertrauen, Zuverlässigkeit, positive Erfahrungen. Kurzum das, was heute als „Nachhaltigkeit“ bezeichnet wird, auch dann, wenn es „nur“ um geschäftliche Beziehungen geht.

Wein ist zwar auch ein Geschäft, die Webseiten, Foren, Blogs sind es auch. Zumindest müssen sie finanziert werden. Aus dem Hobby-Garten Internet ist längst ein knallhartes Business geworden- Es überlebt nur, wer die nötigen „Einschaltquoten“ – Reichweite oder Marktanteile genannt – nachweisen kann. So geht eben auch die Wein- und Internetbranche auf Kundenfang. Nur wird dies heute nicht mehr als Werbung bezeichnet. Sponsoring tönt schon viel besser, noch besser aber das Versprechen: „facebook hilft dir, Freunde zu finden“ oder kurz und bündig; „werde ein Fan“.

Was den Sportanhängern vorbehalten war% ist nun in alle Lebensbereiche eingedrungen - der Fanclub

So bin ich – ohne mir der Konsequenzen bewusst zu sein – Fan von so manchem Weinhändler, Berufskommunikator und Weingut geworden, zum Beispiel von der Domaine de la Romanée Conti, zusammen mit 2‘108 andern Fans. .Ich gestehe, das ich noch nie eine Flasche konsumiert habe, wie wohl die Mehrheit der meisten 2‘000 andern „Fans“. Ich gebe zu, dass ich schon vor dem imposanten Schmiedeisengitter gestanden bin, um wenigstens einen Blick von der berühmten Domaine zu erhaschen. Von Freundschaft mit dem Weingut keine Spur, bestenfalls von neidischer Ehrfurcht. Im Stillen nehme ich mir vor, aus diversen Fangemeinschaften auszutreten, die Freundschaft zu künden, keine neuen Freundschaftsanträge mehr anzunehmen, denn diese treffen nicht mehr nur täglich, bald einmal stündlich ein. Das System ist mittlerweile so ausgeklügelt, dass es selbständig Freundschaften generieren kann. Kürzlich musste ich die Facebook-Gemeinschaft um Hilfe bitten, weil ich ihr sich selbst generierendes Spiel nicht mehr los wurde und damit meine „echten Freunde“ ungewollt zu terrorisieren begann.

Treffen mit meinen Freunden. 100 sind geladen und gekommen. Real% nicht virtuell!

Heute habe ich von einem Nachbar auf fast traditionellem Weg ein eMail erhalten: „Lieber Peter, liebe Heide, die Zeit verrinnt wie im Fluge – gerne erinnere ich mich an die wunderschöne Party im roten Pfeil zurück – da ich nun von der Zahl 5 auf sechs in Jahrgangs-Front wechsle, habe ich mich spontan entschlossen, dies mit ein paar Freunden zu tun – ich möchte Euch gerne am …. ins Restaurant …. einladen und würde mich sehr freuen, euch dabei zu haben. Herzliche Grüße Rolf“. Natürlich werden wir dabei sein. Natürlich werden wir unsere Freundschaft feiern und mit einer guten Flasche und einem guten Essen bekräftigen. Und die Flasche(n), die wir wohl mitbringen, werden nicht virtuell sein, und die Freundschaft wird nicht mit dem Stempel „Fan“ beglaubigt. Es wird ein echtes Freundestreffen werden. Was kümmert mich da, dass HK und ML jetzt Fans von ProWein, JW und weitere 7 Freunde Fans von Gliss Caffee und MS soeben einen reifen Côte-Rôtie – nach einem letzten Check in der Klinik – getestet hat (Bild vorhanden), der mit 35 Euro noch bezahlbar ist, eine Feststellung, die GS – wie sie meldet – sogar gefällt.

Am verschlossenen Eingangstor zum Weingut Romanée Conti. Sehnsüchtige Blicke% Erinnerungsbilder.

Nein, ich wende mich nicht ab von Foren und Blogs, von Twitter und Facebook. Ich nutze einfach meine ohnehin viel zu knappe Zeit vermehrt um Freunden wirklich zu begegnen, gute Weine wirklich zu trinken und gute Essen wirklich zu genießen. Aus meinen weit über hundert Weinfreunden wird ein kleines Grüppchen von vielleicht zehn. Dazu kommen all die, welche nicht Facebookfreunde sind, weil sie von virtueller Freundschaft nichts halten und all die, welchen ich im Leben neu begegne. Zusammen machen wir uns dann auf zu Reisen und Begegnungen, im vollen .Bewusstsein, auch als Weinfreund nicht „Everybody’s Darling“ sein zu können oder gar sein zu müssen.

Herzlich

Ihr/Euer

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