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Noch nie habe ich – in den sieben Jahren meiner Kolumne – über den Korken und seine Probleme geschrieben. Nicht, weil ich das leidige Problem nicht kenne, es verschweigen oder gar negieren möchte. Doch der verbissene, ja, leidenschaftliche Kampf, der emotionale Feldzug gegen den Naturkorken hat mich über Jahre genervt. Da wollte ich etwas über einen Wein wissen und musste mir zuerst lange Tiraden anhören, wie schädlich der Korken für einen Wein sein kann. Ich las in Weinforen bald mehr über den Bösewicht Kork als über die Güte des Weins. Als dann eine von mir geschätzte Weinzeitschrift bei einer Bordeaux-Verkostung „Zehn Jahre danach“ unendlich viel über die Korken und nur ganz wenig über den Wein schrieb, da bin ich in die „innere Emigration“ gegangen. Ich habe mich zwar geärgert, wenn bei mir ein Korkschmecker auftauchte und ich einen Wein dem Ausguss überlassen musste. Doch ich habe es – vor allem bei alten Weinen – unter „pp = persönliches Pech“ (so die Bezeichnung in einem Forum) abgebucht.

Korken einer Bordeaux-Probe (Foto: P. Züllig)

Zum ersten Mal wage ich nun darüber zu schreiben, angeregt durch einen Artikel auf der Seite „Eating & Drinking“ im amerikanischen „Wall Street Journal“. Sachlich und unaufgeregt, ohne Verschwörungstheorie und ohne Heilsbotschaften für möglichen Ersatz wird die Frage gestellt: „Ist Ihr Wein lausig, oder hat er einfach einen schlechten Tag?“ Die Karikatur dazu: leicht hingetupft, eigentlich entspannt, mehr fragend als verärgert, auch wenn der dargestellte Weintrinker ins Schwitzen gerät. Der Artikel beginnt mit einer sachlichen Erklärung: „Nach dem Gesetz der großen Zahlen (Gesetz der Häufigkeit), wird jeder, der regelmäßig Wein trinkt, schließlich auf eine Flasche stoßen, die mangelhaft ist.“ Es folgt kein Zetermordio (wie sonst üblich), sondern die lapidare Feststellung: „Zu erkennen, dass mit der ‚guten Flasche‘ etwas nicht stimmt, ist die eine Sache, das Problem aber zu identifizieren, ist weit schwieriger.“ Wenn ein Wein nur leicht korkig ist, werden die meisten Menschen das nicht bemerken, sagen die namhaften Fachleute, dieim Artikel zitiert werden. „Für den Kunden, erklärt Joe Salamone, Einkäufer bei Crus Wine & Spirits in New York, ist das Wort Kork zu einem Allzweck-Ausdruck, zu einem vagen Sammelbegriff für einen fehlerhaften Wein geworden. Die Palette der Weinfehler ist in der Tat breit und selbst für den Weintrinker oft kaum erkennbar.“ Soweit der Artikel, der mich zu dieser Kolumne inspiriert hat. Ist es Oxidation, Brettanomyces (kurz Brett genannt), TCA (Trichloranisol), Diacetyl (Butter) oder irgend ein anderer Fehlton? Meine eigene Erfahrung (und das ist der Grund, warum ich so ungern über Kork spreche): Sehr wenige Weintrinker sind tatsächlich in der Lage, überhaupt zu erkennen, wann ein Wein fehlerhaft ist. Sobald es nicht klare eindeutige Fehltöne wie Oxidation, Brett oder TCA sind, wird gern und häufig „von schleichendem Kork“ gesprochen. Das aber hat mit Kork nur wenig zu tun, vielmehr mit  Vinifikation, Sauberkeit, der Verwendung von Hefen, ungenügender oder übertriebener Schwefelung und, und, und... natürlich auch mit undichten Verschlüssen.

Seite über Essen und Trinken im „Wall Street Journal“ (Foto: P. Züllig)

Im zitierten Artikel wird ein Ausdruck für subtile Weinfehler verwendet, der mich überzeugt hat. Ein Wein ist „scalp“ (skalpiert), was etwa bedeutet, in den Aromen und in der Frucht reduziert. Diese Art von Weinfehlern – es sind die häufigsten – sind aber nur zu erkennen, wenn man einen Wein (auch den entsprechenden Jahrgang) genau kennt und über ein überdurchschnittliches sensorisches Gedächtnis verfügt. Ich gebe gerne zu, dass mich schon mein ganz „gewöhnliches“ Gedächtnis oft im Stich lässt, geschweige denn die sensorische Erinnerung, die – trotz langjähriger Übung – weit weniger geschult ist. Ich habe zwar oft geübt: behelfsmäßig mit dem Aromenkoffer (Le Nez du Vin) und das mit Lust und Freude, aber den kleinen „Bruder-Koffer“ mit zwölf Weinfehlern nur ganz selten geöffnet. Wer mag sich schon freiwillig faulige, schimmlige, brackige, beißende, stinkende Gerüche unter die Nase reiben? Wer ist bereit für konzentriertes Lernen, um später – wenn es ernst gilt – Blumenkohl, überreife Äpfel, Zwiebeln, Pflanzen etc. in denkbar kleinsten Spuren mit Sicherheit zu erkennen? Spätestens da hört mein sonst ausgeprägter Lernwille auf, auch wenn es um Wein geht. Es ist viel einfacher zu behaupten: „Dieser Wein korkt.“ So bleibt man auf der „besseren“, das heißt akzeptierteren Seite.

Aromenkoffer für Weinfehler (Foto: P. Züllig)

Damit möchte ich den alten guten Korken nicht reinwaschen von all seinen üblen Taten, ihm nicht einfach alles verzeihen und ihn nicht als wichtige Stütze des „einzig richtigen Weinrituals“ weiterhin preisen. Da gibt es längst Alternativen: Drehverschluss, Kunststoff, Glas, Kronkorken, Diam, und einiges wird in der nächsten Zeit noch dazu „erfunden“ und erprobt. Zum Beispiel, dass die Flaschen direkt verschmolzen werden – analog zu Ampullen mit Sollbruchstelle. Die Diskussion um den „richtigen“ Weinflaschen-Verschluss wird also kaum abbrechen, umso mehr als festgestellt wurde, „dass es nur ein Gerücht ist, in Flaschen ohne Korkzapfen gäbe es keine Korkschmecker mehr.“ Vielleicht müssen wir Weintrinker doch lernen, auch beim Wein mit Fehlern (Fehltönen) zu leben und dass die absolut perfekte Flasche doch eher ein Wunschbild als Realität ist.

Bleiben wir doch noch kurz beim vielzitierten „Brett“ (Brettanomyces). Es gibt Weine, die „Brett“ haben, ja, haben müssen, um authentisch zu sein. Die erdigen Noten, Bohnenkraut oder Pferdestall, wie immer man es bezeichnen mag, gehören zu Weinen von einigen berühmten Weingütern (vor allem in Bordeaux und Châteauneuf-du-Pape), weil sie ihnen Authentizität, Komplexität und Attraktivität geben. Vieles ist eben auch eine Frage des Geschmacks.

Der Glasverschluss% eine der Alternativen zum Korken (Foto: P. Züllig)

„Du kannst den verkorkten Wein ja noch zum Kochen brauchen!“ Wie oft habe ich diesen Satz schon von Freunden gehört, wenn ich – zwar zähneknirschend, aber überzeugt – eine gute Flasche dem Spülbecken überlassen musste. Noch so ein verbreiteter Irrtum! Man weiß es seit langem, ein Korkschmecker (TCA) kann nicht aus dem Wein gekocht werden. Ein labormäßiger Versuch – kürzlich im „Zürcher Tagesanzeiger“ beschrieben – mit drei Kalbsbäckchen, drei unterschiedlichen Weinen und drei Stunden Zeit hat folgende Ergebnisse gebracht. „Beim Kalbsbäckchen mit dem Zapfenwein (Korker) hat sich der erdig-muffige Geruch überhaupt nicht verzogen. Die Sauce schmeckt nach wie vor deutlich bitter und auch das Fleisch selber hat das typisch unangenehme Aroma eines Küchenlappens angenommen.“ Der kostengünstige Wein (nicht verkorkt) bescherte hingegen eine „eher rötliche“ Sauce, „mit wenig Tiefe“, geschmacklich „eher eine säuerliche Tunke“. Der edle Tropfen (nicht verkorkt, Preis um 60 CHF) hingegen führte zu „einer aromatisch-komplexen Sauce“, die man „eigentlich noch einkochen und eventuell mit Maizena binden müsste“. Doch eine Überraschung möchte ich nicht vorenthalten: „Beim Biss ins ‚Bäggli‘ sieht die Sache ein wenig anders aus. Die Säure des günstigen Weins steht dem faserigen Fleisch gut an, wogegen der 60-Franken-Wein aromatisch fast zu schwer und präsent wirkt.“

Dieser für mich einmalige Exkurs in den Bereich der Flaschenverschlüsse hat sich gelohnt. Bei den Recherchen bin ich zwar immer wieder auf die gleichen Argumente gestoßen, vor allem auf eher spöttische Bemerkungen zum „Plopp, Krrrrck oder Klick“ der Traditionalisten. Doch das Wesentlichste hat wohl Helmut Knall (genannt Knalli) auf seinem Blog „Wine-Times“ kurz und prägnant formuliert „Reden wir doch endlich wieder über Wein und nicht über den Verschluss!“

Herzlich
Ihr/Euer

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