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2012 war das bisher ruhigste Jahr seit 2000, was Kultwein-Fälschungen betraf. Leider begann 2013 ganz anders. An mehreren Schauplätzen wird versucht, mit wertlosen Flaschen oder Scheinüberweisungen Kunden und Händler zu betrügen. Auch leere Flaschen für dreistellige Eurobeträge werden regelmäßig bei Internetauktionen versteigert. Spektakulär ist ein Fall, der seit Anfang dieses Jahres in Österreich, Deutschland, Schweiz und anderen EU Ländern für Furore sorgt. Ein sich als “Dr. Ferdinand von Rohr” ausgebender Weinhändler und -vermittler wurde in Wien bei der Übergabe von Kultweinen im Wert von ca. 50.000 Euro verhaftet. Ein offenbar großangelegter Fälscherring ist hier tätig. Denn mit der Verhaftung des “Dr. Ferdinand von Rohr” (mit bürgerlichem Namen Michael S.) wurde anscheinend nur die Spitze eines Eisbergs verhaftet. Die Sonderkommissionen der Landeskriminalämter (LKAs) in München, Köln und Wien ermitteln.

Nicht nur gefälschte Weine werden im großen Stil seit Jahren veräußert. Immer wieder versuchen diverse Banden in England – vorwiegend von London aus –, Händler und Sammler mit gefälschten Banküberweisungen zu betrügen. Auch mir wurde vor kurzem, nach mehreren Telefonaten und E-Mails, “freudig” die Bestätigung einer Banküberweisung gefaxt, mit der Bitte, die bestellten Weine so rasch wie möglich zu versenden. Immerhin für rund 55.530 Euro oder 46.920 Englische Pfund! Wie viele gutgläubige Händler und Sammler auf diese Art bestellte Weine tatsächlich versenden, bleibt die große Unbekannte. Aber der Reihe nach.

Fall 1 – Pétrus, Lafite, Le Pin & Co.
 

Gefälschte Flaschen, Kapseln, Etiketten und OHKs?

Sensationell ist die Meldung eines verhafteten deutschen Staatsbürgers, der aktuell im Fokus der Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaften steht – pardon: sitzt. Ferdinand von Rohr alias Michael S. der unter unterschiedlichsten Pseudonymen auftrat, verhökerte teure Weine in großem Stil. Die verkauften und beschlagnahmten Flaschen sind jedoch ziemlich sicher nur ein Bruchteil der noch nicht entdeckten perfekten Fälschungen. So wie es aussieht, sind selbst die Original-Holzkisten (OHKs) mit dem Branding gefälscht. Genauso wie die Etiketten, der Kork und die Kapsel. Und zwar so perfekt, dass eine genauere Begutachtung die Fälschung nicht sofort erkennen lässt.

 

In vielen Fällen deckt erst eine sensorische Prüfung auf% ob ein Wein gefälscht ist. (Quelle: Wein-Plus)

Sind die Flaschen etwa echt? Das wäre ja ein Ding! Also braucht es einen Experten, der echte Flaschen dieser Weine mehrfach getrunken hat und somit eine Flasche dieser vermeintlichen Fälschungen verkosten “muss”. Nein, nein, ich gehöre leider nicht zu diesen Experten und bin nur ein Genießer edler Weine und kein Analyst. Aber bei diesen Fälschungen bedarf es keiner akademischen Ausbildung, um sofort einen billigen Rotwein in den Flaschen zu erschmecken. Aber dazu musste man eben eine Flasche Le Pin 1990 oder Lafite Rothschild 1982 öffnen und verkosten. Die Fälschung ist sofort entlarvt, und statt einer Kiste zum Marktwert von etwa 42.000 Euro für Le Pin 1990 (Quelle: Liv-ex) hat man wertlose Flaschen und einen Wein, den man nicht mal selbst trinken will.

Mehrere Händler in der EU haben Lafite, Le Pin, Latour und weitere vermeintlich echte edle Kreszenzen gekauft, wurden aber sofort nach der Verhaftung des mutmaßlichen Betrügers über die Fälschungen informiert. Die Händler dürfen die Flaschen natürlich nicht mehr verkaufen, und ob irgendwann Schadenersatz geleistet wird, ist fraglich. Ob da oder dort Flaschen dieser Kisten weiterverkauft wurden, werden langwierige Ermittlungen klären. Und auch das Ausmaß dieser Fälschungen wird manchen Weinfreund noch überraschen. LKAs und Staatsanwaltschaften ermitteln.

Fall 2 – Datenklau
 

Gefälschte Papiere, Datenmissbrauch, dilettantische Bestätigungen

Immer wieder liest man von Banden, die weltweit Millionenschäden durch so genannte Vorschussbetrügereien verursachen. War es bis vor einiger Zeit nur Bargeld, das die Betrüger interessierte, sind es seit geraumer Zeit auch Waren. Teure Uhren, Schmuck, Elektrogeräte und eben edle Weine sind jetzt vermehrt die Objekte, mit denen abgezockt werden soll. So auch einige Weinhändler, so auch ich.

 

Betrüger haben es auf teure% hochwertige Weine wie Bordeaux abgesehen. (Quelle: WineCollect.eu)

Von einer Prepaid-Handynummer (also mit vorausbezahlter SIM-Karte) aus Großbritannien (+44 74 10808535) erhielt ich einen Anruf in sehr “holprigem” Englisch: “Hello! I found your wonderful wines on the Internet and would like to buy all Pétrus, Lafite, Latour and other good wines for upgrading stock. We are big company in London and my manager told me to place order.” Nun, da ich seit Jahren für alle möglichen Politiker, Fußballspieler und andere Prominente auf diese Weise Bankette und Feiern in England mit hochwertigen Weinen versorgen sollte, natürlich alle mit klingenden Namen einer Freemail-Adresse und gegen Vorauszahlung (!), wusste ich auch bei diesem Anruf, was ich davon halten sollte. Nämlich: versuchter Betrug! Trotzdem interessierte mich journalistisch diese neuerliche Unverfrorenheit. Es folgten ein reger E-Mail-Verkehr und eine Weinbestellung der Betrüger.
Diese Bestellung erging auch an zwei weitere mir bekannte Weinhändler. Wahrscheinlich auch an unzählige andere, die im Internet einen Shop unterhalten.

Die Bestellung, gesendet von der E-Mail-Adresse export1234ltd@gmx.co.uk (Originaltext der gefälschten Mail; Firmenname aus rechtlichen Gründen in "1234" geändert):

Dear Mr Feldner,

We are company based in Unit Kingdom and would like to build a business relationship.
With your company we find your company details from Uk office insurance our export member
Could you please send our company details to www.eulerhermes.de for the credit cheick insurance
Euler Hermes is our protection our guarantee our credit management in over 50 Countries.
Could you please send us your best export unit prices for our order confimation asap.

Wine order:
Petrus  2005 Quantity  available
Petrus  2005 - 150cl
Petrus  2008 - 300cl
Chat: Lafite Rothschild 2000
Chat: Lafite Rothschild 300cl -2008
Chat: Lafite Rothschild 2010
La Tache 1991  /  DRC
La Tache 2009  /  RC  WB
Romanee Conti 2007  DRC
Romanee Conti 2008  DRC
Latour  2000

All available stock including export unit price for our order confirmation asap.
We are looking forward to hearing from you soon.

Best regards,

Export Manager
N.D.

1234 Ltd.
Buckingham Court
London Road
High Wycombe, Buckinghamshire HP11 1JU
United Kingdom
Tel:+44 7769092444
Fax:+44 7092983885
Registration no:  03834103
VAT number :  GB 306 5573 62
email:export1234ltd@gmx.co.uk
http://www.1234.co.uk

(Die angegebene VAT-Nummer ist, wie sich feststellen ließ, nicht gültig.)

 

Weingut und Schloss in Margaux% Bordeaux (Quelle: Wein-Plus)

Um sicher zu gehen, dass mich mein Gefühl auch in diesem Fall nicht täuscht, recherchierte ich und fand heraus, dass es diese Firma und die Exportmanagerin, die alle E-Mails an mich signiert hat, tatsächlich gibt. Ich rief in der Londoner Firma 1234 Ltd. (Name geändert) an und wurde nach mehreren Gesprächen informiert, dass keine Bestellung der betreffenden Exportmanagerin an mich erging. Ab diesem Zeitpunkt war ich in ständiger Verbindung mit Anne N., Fraud Analyst, Asset Protection & Investigations Department von 1234 Ltd. Da dieses große und bekannte Unternehmen selbst immer wieder mit versuchten Betrügereien konfrontiert wird, hat man dort eine eigene Abteilung zur Untersuchung und Prävention von Fälschungen und Betrug eingerichtet.

In ständigem Kontakt blieb ich aber auch mit den Betrügern, die die Weine angeblich so dringend brauchten, dass ich mehrmals angerufen und per E-Mail kontaktiert wurde, dass die Überweisung sofort nach Rechnungslegung erledigt werde und ich ein Fax der Zahlungsbestätigung (siehe unten) erhalten würde. Alle E-Mails der Betrüger wurden von einem öffentlichen Internetzugang (Hotspot) versendet. Alle verwendeten E-Mail-Adressen export1234ltd@gmx.co.uk, nd@gmx.co.uk (beide hier verfremdet) und barclybkplc@accountant.com stehen laut 419scam.org, einem Portal für Telefonnummern und E-Mail-Adressen mit betrügerischen Absichten, in Zusammenhang mit Manipulationen. Vier Tage nach der Bestellung und meiner Rechnungslegung kam eine Bestätigung der Londoner Bank, die so simpel gefälscht war, dass diese sogar für Laien sofort erkennbar ist. Zusätzlich zur Bestätigung erhielt ich vorweg noch eine E-Mail, dass das Geld transferiert worden sei.

Bankbestätigung der Betrüger per E-Mail mit auffallend vielen Fehlern; gesendet von ACCOUNT DPT BCLYSbank plcc :

Dear Sir/Madam,

Could you please find in attachment the copy of irrevocable guarantee internationl bank transfer. We barclays bank guarantee the payment of € 55.530,00 only. holder of WineCollect Werner Feldner. Bank : bank Salzband: Acount no: 403xxx Sort code: 3xxxx

We hereby agree with the holder of IBAN:AT.......... that the payment drawn under and in compliance with the terms of the transfer will be honred on the 22 March 2013.

Yours Sincerly,

ACCOUNT MANAGER
ANDREW  YOUNG
BARCLAYS

Die bekannte Barclays Bank gibt es, den Account Manager von Barclays, Andrew Young, aber nicht. Auch das verwendete Briefpapier ist so dilettantisch gefälscht, dass man sich wundert, dass die Betrüger damit überhaupt irgendwo Erfolg haben können. Auf jeder Seite ist das Logo der Bank um einige Millimeter versetzt, und kein Account Manager einer Londoner Bank würde mit so vielen Schreibfehlern seinen Job behalten. Wahrscheinlich gar keinen bekommen.

 

Erste Seite der gefälschten Bankbestätigung (Quelle: WineCollect.eu)

 

Zweite Seite der gefälschten Bankbestätigung (Quelle: WineCollect.eu)

 

Dritte Seite der gefälschten Bankbestätigung (Quelle: WineCollect.eu)

Die Metropolitan Police in London bearbeitet dutzende ähnliche Fälle, ist aber machtlos, da die Betrüger die Ware unter falschen und ständig wechselnden Namen meist an Adressen aufgelassener Firmen senden lassen. Dort warten am Zustellungstag unterschiedliche Personen, die die Ware vom Lieferanten unter Zuhilfenahme gefälschter Ausweise sofort umladen. Auch bei echten Büroadressen kennen die Betrüger keine Skrupel, warten vor dem Gebäude und benutzen Aussagen wie: “Der Chef hat mich zur Übernahme geschickt, Sie sollen ihn aber bitte anrufen.” Natürlich unter der vorgegebenen Prepaid-Handynummer.

So verschwinden in Europa jährlich tausende Flaschen Wein und andere Waren in dunkle Kanäle. Auch in meinem Fall riet mir die Betrugsabteilung von einer Anzeige gegen Unbekannt abzusehen. Erstens wurde ich durch meine Vorsicht nicht geschädigt, und zweitens haben alle Personen, die diesen Betrug versuchten, die Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern etc. bereits geändert, bevor ich überhaupt die erste Zeile einer Anzeige geschrieben hätte. Unbekannt bleibt die Anzahl gutgläubiger Verkäufer, die die Ware versenden, aber leider nie ihr Geld erhalten. Betroffene können sich an info@weinbetrug.org wenden (Diskretion garantiert).

Wenn Sie jetzt Lust auf einen guten Tropfen haben, genießen Sie ihn, denn die Wahrscheinlichkeit, dass Sie eine Fälschung öffnen, ist wirklich verschwindend gering, ja, fast ausgeschlossen. Seriöse Händler kennen ihre Quellen und Kunden und kaufen oder verkaufen keine Fälschungen. Dafür kann ich bei diversen privaten Internetverkäufen allerdings nicht garantieren. Wie herrlich ist doch ein gutes Glas deutscher Riesling oder ein Rotwein aus dem Burgenland für einen geringen Betrag. Fälschung ausgeschlossen!

Fall 3 – Leere Flaschen und OHKs
 

Kein Thema für Kriminalisten, aber trotzdem in diesem Zusammenhang erwähnenswert

Beim Internet-Auktionshaus Ebay werden leere Flaschen und Holzkisten von den teuersten Weinen versteigert. Wozu bietet jemand 311,99 Euro für eine leere Holzkiste Pétrus 1989? Oder 341,00 Euro für Pétrus 1982 und 368,87 Euro für Pétrus 1990 (siehe Bild unten)? Nur für das Holz! So verkauft am 3. April bzw. 15. und 21.Mai 2013 bei Ebay Frankreich. Nicht nur Holzkisten, sondern auch leere Flaschen dieser Kultweine erzielen Preise, die bei Genießern und Weinenthusiasten Unbehagen, ja, sogar Wut auslösen. Denn die Vermutung liegt nahe, dass die leeren Original-Holzkisten)mit zusammengetragenen Einzelflaschen gefüllt werden, um damit bis zu 20 Prozent höhere Preise zu erzielen.

Was mit leeren Flaschen für 200 bis 300 Euro passieren soll, überlasse ich der Fantasie der Leser. Die Hersteller arbeiten schon seit Jahren an verschiedensten Möglichkeiten, ihre Weine fälschungssicher zu machen. Dies betrifft allerdings nur die neueren Jahrgänge. Leider! Grund genug, um Weine zu genießen, die es erstens nicht wert sind, gefälscht zu werden, und zweitens sogar besser schmecken könnten.

 

Ebay-Auktion: leere Pétrus 1990 OHK zu 368%87 Euro verkauft (Quelle: WineCollect.eu)

 

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