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Herbert Toifl Kleine Weingüter sind derzeit wie Großkellereien von Kostenexplosionen und Lieferproblemen betroffen. Österreichs größter Weinabfüller Wegenstein muss dazu die kleine Ernte 2021 verkraften. Geschäftsführer Herbert Toifl erzählt im Interview, worauf es ihm jetzt ankommt.

Die Weinkellerei Wegenstein füllt pro Jahr rund 24 Millionen Flaschen und ist damit der größte Weinabfüller Österreichs. Das Unternehmen bezieht über 14 Millionen Liter Weine von etwa 600 Winzern und drei Genossenschaften. Dies entspricht dem Ertrag einer Fläche von etwa 2.000 Hektar Weingärten. Die Kellerei ist ein Unternehmen des deutschen Supermarkt-Konzerns Rewe International AG und beliefert rund 2.500 Filialen des Konzerns, darunter in Österreich Billa, Billa Plus, Penny, Adeg und Sutterlüty. Etwa 60 Prozent des Umsatzes erwirtschaften die 29 Mitarbeiter des Unternehmens mit österreichischen Qualitätsweinen, etwa 40 Prozent mit Importweinen aus der EU und Übersee.

Die Ernte war in Europa klein. Sind alle Weine, die Sie anbieten, in ausreichender Menge verfügbar? Falls nicht: Wo suchen Sie Ersatz?

Toifl: Die in unseren Handelsfirmen gelisteten Wegenstein-Artikel konnten wir in ausreichenden Mengen beschaffen. Wir verfügen über langjährige Partnerschaften mit Lieferanten im In- und Ausland und sind daher frühzeitig über die zu erwartenden Erntemengen informiert und konnten so unseren Bedarf sichern. Natürlich mussten wir, wie alle anderen Marktteilnehmer auch, die Preisveränderungen akzeptieren. Weine einfach auszutauschen gegen andere Sorten und Herkünfte ist fordernd, weil unsere Kunden liebgewonnene Marken sehr schätzen.

Wie gehen Sie mit höheren Wein-Einkaufspreisen um?

Toifl: Wir tragen selbstverständlich diese Preisveränderungen mit, die ja aufgrund von natürlichen Ernte-Schwankungen entstehen und die Existenz unserer Partnerwinzer sichern helfen. Aktuell steigen jedoch auch die Materialkosten für Wareneinsätze stark. Diese Mehrkosten versuchen wir durch Effizienzsteigerungen zu kompensieren. Die nun abgeschlossenen Investitionen zur Automatisation unserer Produktionsprozesse im Keller und in den Abfülllinien sind hier sehr dienlich.

Nicht nur die Traubenpreise sind höher geworden. Rohstoffe wie Glas, Aluminiumverschlüsse, Paletten, Kartonagen, Energie und Transport sind immens teuer geworden.

Toifl: Absolut! Dieses Thema wird uns aber noch länger fordern. Die Energiekosten-Aufschläge bei Flaschen und Verpackungsmaterial, sowie die Aluminium-Engpässe verursachen unkontrollierbare Preissteigerungen und mitunter Lieferausfälle. Unser Lieferant für Drehverschlüsse etwa sicherte sich im Herbst für unseren Bedarf mehrere Tonnen Aluminium - jedoch ohne den Preis dafür zu kennen. Das ist unternehmerisch sehr fordernd. Manche Glashütten zahlen inzwischen lieber Vertragsstrafen für nicht erfüllte Lieferkontrakte, als auf Grund von zu knapp kalkulierten Energiekosten ihre Flaschen unter dem Einstandspreis zu liefern. Wir genießen dabei eine gewisse Sonder- und Sicherstellung. Jährliche Rahmenverträge geben unseren Lieferanten Sicherheit über exakt vereinbarte Bezugsmengen. Wir genießen dafür die Sicherheit verlässlicher Lieferqualität. Allerdings weiß natürlich heute niemand, wie sich die Energie-Thematik weiterentwickelt.

Die Aufschläge verursachen unkontrollierbare Preissteigerungen.

Wegenstein muss aber Preispunkte besetzen, an die ein privater Winzer weniger gebunden ist.

Toifl: Unser Hauptgeschäft ist das Preiseinstiegssegment und das Mittelpreissegment. Mein persönlicher Anspruch bei Wegenstein ist schon, in jedem Qualitätssegment die bestmögliche Qualität zum bestmöglichen Preis im Regal unserer Handelsfirmen abzubilden.

Befürchten Sie, Marktanteile aufgrund von Preissteigerungen zu verlieren?

Toifl: Derzeit nicht. Das Angebot aus der Ernte 2021 in Österreich deckt sich im Großen und Ganzen mit der Nachfrage, während in den größten Weinbau treibenden Ländern Europas kleine Ernten eingefahren wurden und gestiegene Preise die hohe Nachfrage abbilden. Eine Substituierung ist daher nicht sinnvoll und kaum möglich, weil es keine günstigeren Alternativen gibt. Der stabile Absatz im Lebensmittelhandel hilft letztlich auch unseren Partnerwinzern, deren Keller jetzt auch schon leer sind. Natürlich werden manche Kunden auch auf preislich günstigere Segmente wechseln. In der Regel werden bestimmte Preisschwellen nur von wenigen Kunden überschritten.

Zeichnen sich damit neue Trends ab?

Toifl: Einen starken Trend sehe ich aktuell bei der Entwicklung von Bio-Weinen. Während sich viele Produzenten und deren Interessensvertreter stark mit der Interpretation von „Nachhaltigkeit“ beschäftigen, sind die Kunden in dieser Diskussion schon deutlich weiter und kaufen verstärkt Bio-Produkte.

Resümee: Es gibt von allem zu wenig.

Toifl: Bei der Materialbeschaffung ist das definitiv so. Die Weinverfügbarkeit ist jedoch auf alle Fälle gesichert, wenngleich zu höheren Preisen. Aber nach der Ernte ist vor der Ernte. Es kann sein, dass sich diese Situation bald wieder ändert. Wichtig in diesem Business bleibt immer ein transparenter und fairer Umgang mit allen Marktteilnehmern.

Foto: ©Anna Stöcher;

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