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Bourdic, ein kleines, südfranzösisches Dorf. Etwas verschlafen, abseits des Touristenstroms. Es liegt nicht einmal im Kerngebiet des Weins, auch da etwas abseits der bekannten Appellationen, im Département Gard, zehn Kilometer südöstlich von Uzès, dem mittelalterlichen Städtchen mit seinem Herzogenpalais, der pittoresken Altstadt und seinen Herrenhäusern aus der Renaissance. Bourdic hat etwa 300 Einwohner, zwar noch einen Bahnhof, doch da fahren seit 72 Jahren keine Züge mehr.

 

Ein verträumtes Dorf mit Charme (Foto: P. Züllig)

Die Schienen sind längst ausgerissen und durch Reben ersetzt. Einen Dorfladen gibt es nicht, ein Bäcker macht am Morgen zwischen neun und zehn die Runde. Die rustikale Kirche ist Johannes dem Täufer geweiht. Vor zehn Jahren wurde auch dieses Dorf – wie so viele Dörfer in der Gegend – überflutet. Mannshoch prangt die Marke (als Erinnerung) am Gemeindehaus, der Mairie.

Doch Bourdic besitzt zwei große Caves, die Genossenschaft „Les Collines du Bourdic“ und die private „Domaine Chabrier Fils“, zwei stattliche weinverarbeitende Betriebe. Konkurrenten sozusagen. Auch dies eine typisch südfranzöische Konstellation. Der Weinbauer Chabrier, der Großvater der heutigen Chabriers, war 1928 Mitbegründer der Weingenossenschaft in Bourdic. Auch seine Söhne waren darin noch aktiv. Dann – 1998 – eröffnete die nächste Generation ihren eigenen Weinbetrieb, unmittelbar neben dem stattlichen Gebäudekomplex der Genossenschaft. „C'est par amour du vin qu'ils ont créé leur cave particulière“, steht in der Familien-Chronik. Aus Liebe zum Wein haben sie ihre private Kellerei gegründet. Keine einfache Situation in einem knapp 300-Seelen-Dorf. 60 Hektar umfasst das neue, eigenständige Weingut der Chabriers mit Reben nicht nur in Bourdic, sondern auch in umliegenden Gemeinden. Dort werden jährlich rund 4.000 Hektoliter Wein produziert.

Die beiden Weinbetriebe von Bourdic – dicht beieinander (Foto: P. Züllig)

Auch die genossenschaftliche Konkurrenz – sie umfasst sieben Gemeinden – hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt: weg von der Massenproduktion, hin zu eigenständigen, qualitativ stark verbesserten Weinen. Das Gebiet um Uzès hatte bisher keinen AOC-Status. Man nutzte die Freiheit, um auch Languedoc-untypische Reben anzupflanzen, vor allem Merlot und Cabernet-Sauvignon, die sich weit besser vermarkten lassen. Doch der bald zwanzigjährige Kampf um AOC-Würden ist inzwischen fast gewonnen. Die AOC Duché d’Uzès, respektive AOP Duché d’Uzès (Appelllation d’Orgine Protegée, wie es jetzt heißt), wird sukzessive eingeführt, und die dafür vorgesehenen Gebiete werden nun festgelegt. Die ersten AOP-Weine – es sind noch wenige – sind bereits auf dem Markt.

Les Collines du Bourdic – Winzergenossenschaft (Foto: P. Züllig)

Beide Weinbetriebe in Uzès kämpfen um AOP-Anerkennung einzelner ihrer Weine. Dabei ist die Doppelstrategie – die im Languedoc immer mehr um sich greift – nicht zu übersehen: einerseits neue, marktkonforme Produkte anzubieten (Mainstreami-Rebsorten, spezielle Cuvées etc.), andererseits traditionelle regionen-typische Weine zu machen, mit Rebsorten, die gemäß AOP-Bestimmungen die gleichen bleiben wie nach dem bisherigen Vin-de-Pays-Statut. Für die Roten: Grenache, Syrah, Cinsault, Carignan und Mourvèdre. Für die Weißen: Clairette, Grenache blanc, Marsanne, Rolle (Vermentino), Roussanne, Ugni blanc und Viognier.

Durch den Zusammenschluss mit dem Cave Saint Maximin ist die wohl größte Cooperative im Département Gard entstanden: „Les Collines du Bourdic, pas une cave coopérative «ordinaire»“, keine gewähnliche Kellerei, wie sie sich selber definiert. Mit einer jährlichen Produktion von 140.000 Hektoliter Wein, davon 80 Prozent als Wein „en vrac“ (als offener Wein) kommerzialisiert, der Rest in Flaschen mit ganz verschiedenen Labels.

Da sind die kleinen Dörfchen, viele von ihnen vom Aussterben bedroht, meist nur „gerettet“ durch den Verkauf der Häuser als Zweitwohnungen an sonnenhungrige Fremde. Dörfer, die eine neue Identität suchen und – obwohl sie mitten im Agrargebiet (Wein, Sonnenblumen, Oliven, Schafe und natürlich Reben) liegen – in ganz andere Bereiche vorstoßen: Tourismus, Industrie (mit langen Anfahrtswegen), einfach überall dorthin, wo es noch etwas zu verdienen gibt.Das alles hört sich so technisch-normal an. Es sind Fakten, wie sie in Wein-Zeitschriften und auf -Websites immer wieder präsentiert werden. Was mich daran aber fasziniert, das sind die Mechanismen, die sich dahinter verstecken und die man in der Regel kaum wahrnimmt, obwohl sie im Languedoc fast allgegenwärtig sind.

Da sind aber auch die vielen Weinkellereien, die nur noch durch riesige Investitionen und größere Zusammenschlüsse im weltweiten Weinmarkt bestehen können.

Da sind auch immer mehr Winzer, die sich von den traditionellen Genossenschaften lösen und mit unterschiedlichem Erfolg eigene Betriebe eröffnen, ihre Weine selber vinifizieren und vermarkten und dabei oft ein neues Qualitätsbewusstsein entwickeln.

Da sind die Neuordnung der französischen Wein-Hierarchie, das Buhlen um den AOC- (oder eben AOP-) Status, die Verlockungen Mainstream-Rebsorten anzubauen, aber auch beachtliche Ausreißprämien zu kassieren, welche den Wein-Markt – wie an unsichtbaren Fäden – entscheidend beeinflussen. In keinem anderen Weingebiet wurden in den letzten drei, vier Jahren so viele Reben ausgerissen wie im Languedoc. Eine landwirtschaftliche Alternative hat man aber noch nicht gefunden.

All das wurde mir so richtig bewusst, an zwei Anlässen im kleinen Dorf Bourdic. Als man mir an einem Hausfest – einer Begegnung von Fremden und Einheimischen – einen Wein der Walliser Rebsorte Petite Arvine einschenkte, aber gewachsen im Languedoc, angebaut von einem Winzer der näheren Gegend; als man mir typische Walliser Weine der Domaine Chabrier – aus einer Koproduktion mit dem Walliser Winzer Frédéric Zufferey – präsentierte; als sich am Abend des Quatorze Juillet das Dorf, wie einst, in Feststimmung um das kleine Feuerwerk gruppierte und (zwar etwas zögerlich) nicht die Marseillaise, sondern “Coupo Santo” anstimmte: „Pour la gloire du pays vous enfin qui êtes consentants nos alliés, Catalans, de loin, ou frères, tous ensemble communion. Coupe sainte et débordante verse à pleins bords, verse à flots les enthousiasmes et l'énergie des forts!“

Quatorze Julliet – Nationalfeiertag auf dem Dorf (Foto: P. Züllig)

Eine Übersetzung? Sie ist kaum möglich, sie ist auch nicht nötig. Das traditionelle Lied drückt das aus, was man hier empfindet: ein neues Selbstbewusstsein, das in dieser Region – allen Gegensätzen und wirtschaftlichen Interessen zum Trotz – gewachsen ist.

Vielleicht müsste man sich öfters in kleinen Dörfchen des Languedoc am Quatorze Julliet oder bei Hausfesten unter die Leute mischen, um zu verstehen, welche Bedeutung der Wein hier hat.

Herzlich
Ihr/Euer

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