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Die VDP-Geschäftsführerin Theresa Olkus berichtet im Interview mit Uwe Kauss über die neuen Entwicklungen in der Diskussion zur nationalen Herkunfts-Klassifikation in Deutschland und über die Zukunft des Großen Gewächses.

Um das „Große Gewächs für alle“ und die Diskussionen um eine neue deutsche Klassifikation ist es sehr still geworden. Seit über einem Jahr haben wir nichts Neues gehört. Wohin laufen die Debatten, wohin bewegt sich der VDP?

Theresa Olkus: In den vergangenen Monaten drohte eine Individualisierung der Regionen mit nahezu 13 unterschiedlichen Ausrichtungen und Herkunfts-Interpretationen – hervorgerufen durch die neu geschaffene Herkunftsprofilierung im neuen Weingesetz. Nun haben sich die Vertreterinnen und Vertreter des Deutschen Weinbauverbands darauf geeinigt, sich für die Ausgestaltung der Pyramidenspitze mit Erstem Gewächs (EG) und Großem Gewächs (GG) nochmals Zeit zu nehmen und einen gemeinsamen, nationalen Weg einzuschlagen. Diesen Schritt begrüßen wir.

 

Wir hören, dass sich bislang oft gar nichts - und niemand – bewegt hat.

Theresa Olkus: Mir erzählen Beteiligte, die in den Diskussionen dabei waren, dass es oft unglaublich schwer war, einen Konsens bei den Basis-Themen zu finden, angefangen bei g.g.A-Einschränkungen. Da sind Kräfte aufeinander geprallt.

 

Wohin bewegt sich nun die Diskussion?

Theresa Olkus: Es ist inzwischen klar, dass es zur maximalen Irritation führen würde, wenn ein Wein aus der Rheingauer Spitzenlage Rüdesheimer Berg Schlossberg als Premier Cru, Grand Cru, Spätlese trocken und „normaler“ trockener Qualitätswein verkauft werden könnte. Mit guter Absicht wurden grundsätzliche Parameter zur Herkunfts-Hierarchie in der Weinverordnung festgehalten. Was jedoch fehlte, war das Herzstück: der garantierte und abgegrenzte Herkunftsbezug, der die Bonität und Reputation einer Lage berücksichtigt. Wir brauchen eine Legitimation, weshalb ein bestimmter Weinberg ein höheres Potenzial hat und die Weine daraus eine Besonderheit darstellen.

 

Gibt es inzwischen eine Annäherung?

Theresa Olkus: Bis zu dem im Januar gefassten, gemeinschaftlichen Beschluss im Deutschen Weinbauverband herrschte in einigen Regionen das Verständnis, dass aus ein und derselben Lage – oder sogar aus jedem Stück Land – ein Erstes Gewächs und auch ein Großes Gewächs erzeugt werden könne, oft auch noch ein “normaler” Lagenwein. Allgemeines Verständnis war, dass die bisherige “Spätlese trocken” als EG und der „bisher beste Wein“ im Sortiment schlichtweg als GG betitelt wird. Eine Neuauflage der „Selection“ unter anderem Namen. Damit drohten sich die Fehler der vormals weingesetzlich verankerten, gescheiterten Bezeichnung „Selection“ zu wiederholen. Inzwischen ist die Einsicht gewachsen, dass dies zu einem Desaster führen würde und man einen Bezug zur Bonität und zur Reputation bei drastischer Beschränkung der Fläche benötigt. Insofern sind die Diskussionen im Moment eigentlich sehr gut. Es wird aber noch viele Knackpunkte geben. Man wird sehen.

 

Wir kommen ohne Klassifikation der Herkünfte nicht weiter

Dazu braucht es einen Konsens für alle Anbaugebiete.

Theresa Olkus: Die Spitze muss spitz sein. Umso wichtiger ist nun die Einsicht der Beteiligten, den Prozess zu überdenken, die aktuelle Verordnung zu präzisieren, und an einer “Bottom Up”-Klassifikation zu arbeiten. Erst die Basis, dann die Spitze.

 

Welche Kriterien sind für den VDP dabei entscheidend?

Theresa Olkus: Will man deutsche Premier Crus und Grand Crus schaffen, kommt man ohne eine Klassifikation der Herkünfte – und damit eine Bewertung der Weinberge – nicht weiter. Möchte man keine Klassifikation erarbeiten, kann man keine Premier Crus und Grand Crus etablieren. Die Formel ist einfach: Es kann keine Klassifikation ohne wertigen Herkunftsbezug geben. Eine wichtige Erkenntnis aus dem Austausch mit unseren Nachbarländern ist, dass es vor allem um die Reputation geht und nicht nur um das Potential. Wenn ein Weinberg über die Substanz verfügt, GGs hervorzubringen, aber bisher niemand welche erzeugt, muss man ihn nicht klassifizieren.

 

Was bedeutet “Substanz” für den VDP?

Theresa Olkus: Wir brauchen verständliche Kriterien, die zur Anerkennung einer klassifizierten Fläche führen. Gleichzeitig muss aber klar sein, dass eine einmal erfolgte Klassifikation nicht für die Ewigkeit gilt. Sie muss, sagen wir, alle 10 Jahre evaluiert werden. Es muss Auf- und Absteiger geben. Wenn also jemand einen Weinberg als „Dornröschen wachküsst“, muss in überschaubarer Zeit die Möglichkeit bestehen, mit ihm die Klassifikation zu erreichen. Wir wollen und brauchen ein dynamisches System.

Welche Kriterien sind künftig entscheidend, damit ein Weinberg - wie hier Schloss Johannisberg im Rheingau - offiziell als “Große Lage” klassifiziert werden kann? Die Diskussion im Deutschen Weinbauverband darüber hat nun begonnen.

© Deutsches Weininstitut

Die Debatte über die nötigen Kriterien könnte sich über Jahre hinziehen.

Theresa Olkus: Ein solcher Prozess braucht Zeit. Am Ende geht hier Sorgfalt vor Geschwindigkeit. Wir teilen die Überzeugung, dass eine Klassifikation den höchsten Schutz hat, wenn sie in ein Gesetz übergeht. Wir erwarten aber, dass diese Klassifikation den Anspruch erfüllt, den wir seit Jahrzehnten vorgelebt haben. Dabei muss es einen nationalen Rahmen als Richtschnur für eine Herkunftsklassifikation geben, die auch Raum für regionale Gegebenheiten lässt. Wir wollen, dass das ernsthaft und gut gemacht wird.

 

Danach sah es bislang nicht aus.

Theresa Olkus: Wir brauchen eine Definition, was Erste und Große Lagen sind. Manche Schutzgemeinschaften haben dazu schon viel gearbeitet, bewegten sich aber bisher in sehr unterschiedliche Richtungen. Die Prüfung der Klassifikationskriterien sowie die sensorische Prüfung erfordern Erfahrung sowie ein ernsthaftes Interesse und Verständnis des Herkunftsgedankens. Dazu soll eine Kommission ins Leben gerufen werden, in die Experten berufen werden, die entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen mit solchen Weinen vorweisen können. Es ist ausgeschlossen, dass diese Weine nur der gesetzlichen Qualitätsweinprüfung unterzogen werden, die tendenziell nur Fehler ausschließt. Wir benötigen eine gesonderte Prüfung mit Personen, die sensorische Erfahrung in der Erprobung der unterschiedlichen Herkünfte haben.

 

So ein Verfahren für alle Lagen der deutschen Anbaugebiete zu etablieren, wird ein gewaltiger Aufwand.

Theresa Olkus: Natürlich, aber Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. Die Chancen sind unglaublich hoch, so scheint es uns die Mühe wert. Will heißen: Schon heute gibt es großartige Lagen, an deren Potenzial niemand zweifelt. Damit kann man anfangen. In gleicher Weise gibt es Weine aus vormals unbekannten Lagen, die schon seit Jahren die Größe ihrer Herkunft beweisen. Natürlich muss parallel eine fundierte, einheitliche Aufarbeitung von Kriterien erarbeitet werden. Der Weg ist das Ziel. Am Ende nutzen solche Weine als Imageträger ganzen Regionen und sozialen, ländlichen Räumen. Sie sind von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung. Die Einführung wird daher viel Zeit, Geld und Manpower kosten.

Von einem solch aufwendigen Verfahren werden die Anbaugebiete jeweils maximal profitieren wollen.

Theresa Olkus: Wir werden eine nochmalige Änderung der Weinverordnung brauchen. Sie muss klare Parameter festschreiben, nach denen die Eignung der Lagen für die Erzeugung von Ersten und Großen Gewächsen festgestellt wird. Die Erzeugung darf nur auf Flächen erfolgen, die aufgrund von Topografie, Geologie und Kleinklima, aber auch aufgrund der Reputation der auf diesen Flächen erzeugten Weine geeignet sind.

Maximal drei Prozent als Anbauflächen für Große Gewächse

 

Bislang wollten einige Schutzgemeinschaften diese Definition sehr großzügig auslegen.

Theresa Olkus: National sollte die Größe von fünf Prozent EG-Flächen und drei Prozent GG-Flächen nicht überschritten werden. Regional darf sie, nach Festlegung der Schutzgemeinschaften und Branchenverbände, bis zu zehn Prozent der Fläche für GG und bis zu 20 Prozent für EG nicht überschreiten. 

 

Es wird Jahre brauchen, bis dazu ein Kompromiss gefunden worden ist, dem alle Verantwortlichen zustimmen.

Theresa Olkus: Nicht unbedingt. Der Druck in den Schutzgemeinschaften scheint mir groß zu sein, die Begehrlichkeit ist sehr hoch. Gleichzeitig wächst die Einsicht, dass man die Tür nicht zu weit öffnen darf. Es gibt überall ambitionierte Mitstreiter, die Verständnis haben, worum es geht. Der Weinbauverband beginnt jetzt, Kriterien mit Herkunftsbezug zu diskutieren, und das ist ein guter und richtiger Schritt. Viele Weingüter sind zudem längst auf dem Weg, ihr Portfolio in Guts-, Orts- und Lagenweine zu kategorisieren.

 

Viele Kritiker haben schon nach der Verabschiedung des neuen Weingesetzes befürchtet, dass ein Konsens der Beteiligten zu diesen Kernthemen nahezu unmöglich ist.

Theresa Olkus: Wir brauchen einen langen Atem. Hier sitzen alle in einem Boot: Politik, Weinbaupolitik sowie jeder einzelne Winzer. Wir dürfen den Weg nur gehen, wenn alle entschlossen sind, ihn gemeinsam erfolgreich und konsequent zu gehen.

 

Wird der VDP aus dem Deutschen Weinbauverband austreten, wenn kein tragbarer Kompromiss entsteht?

Theresa Olkus: Darum geht es eigentlich nicht. Es geht darum, ob wir bei einem nicht glaubwürdigen System ein Teil der Klassifikation der Schutzgemeinschaften bleiben werden. Es gibt auch jetzt schon Stimmen im VDP, die fordern: Lasst uns unseren eigenen Weg gehen, das wird eh’ nichts. Andererseits: Wenn wir wollen, dass der deutsche Wein etwas erreicht, müssen wir uns daran beteiligen. Der Weg bietet für alle sehr große Chancen, viel zu erreichen. Er bietet aber auch große Risiken zu scheitern und sich zu blamieren. Wir sind im Moment hoffnungsvoll. Ohne klare Vorstellungen, was eine Region insgesamt ausmacht, kann man nicht an die Herausarbeitung von Premier und Grand Crus gehen. Die Diskussion darüber hat jetzt begonnen.

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