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Die meisten "Bios" und Biodynamiker findet man in Südtirol bei den „Freien Weinbauern”, einer Vereinigung der selbstvermarktenden Winzer. Deren größtes und sicherlich bekanntestes Mitglied ist die Kellerei Manincor bei Kaltern. Die Weine von Manincor zeichneten sich immer schon durch eine ausgeprägte Individualität aus. Die seit 1999 praktizierte Spontanvergärung aller Weine in unterschiedlich großen Holzfässern und eine bei den Top-Cuvées Sophie und Cassiano in Südtirol unübliche Sortenwahl sorgten oft für Diskussionsstoff. Auch die Tester diverser Weinführer konnten mit den Manincor-Weinen nicht viel anfangen, so dass sie dort nicht auftauchten beziehungsweise sich Graf Micael Goess Enzenberg, der Besitzer von Manincor, entschied, eine Zeit lang gar keine Weine mehr zu Verkostungen einzusenden. Ob einem die Manincor-Weine nun schmecken oder nicht, es sind auf alle Fälle immer kompromisslose Gewächse. Ich persönlich schätze die Standhaftigkeit und Konsequenz, die hinter der Entscheidung für solche Weine steht, außerordentlich. Denn Weine, bei denen das Urteil meist „nicht schlecht” lautet, gibt es - auch im sogenannten Topp-Bereich - mehr als genug. Solche, die entweder ein entschiedenes „Nein” oder aber ein begeisterndes „Ja” hervorrufen, leider viel zu wenige.

Südtiroler Klassiker: der Vernatsch


Im Interesse dieser Individualität seiner Weine hätte Graf Michael eigentlich gerne schon viel früher mit der Biodynamie begonnen. Erst seit Januar 2006 ist der Betrieb komplett auf diese Art der Bewirtschaftung umgestellt. Die Bedenken lagen dabei weniger in den bio-dynamischen Methoden begründet, sondern in der Schwierigkeit, die Mitarbeiter von diesen Methoden zu überzeugen. Deren Ängste bestanden vor allem darin, dass mit der Umstellung ein Verzicht auf eine geregelte Arbeitszeit verbunden sein würde. Klar, die Biodynamie orientiert sich schließlich an der Konstellation der Gestirne und nicht an einer 35-Stunden-Woche. „Wir haben jedoch festgestellt, dass bei diszipliniertem Arbeiten keine Wochenenden geopfert oder die üblichen Arbeitszeiten verändert werden müssen.” Der Arbeitseinsatz ist allerdings, zumindest in der Umstellungsphase, um einiges höher als vorher, so dass neue Arbeitskräfte eingestellt werden mussten. Dies ist natürlich mit erhöhten Kosten während dieser Zeit verbunden. Darin, diese Arbeitskosten nach vollzogener Umstellung wieder auf ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Maß zurückzuschrauben, sieht Graf Michael eine der großen Herausforderungen für seinen Betrieb, denn ”die Weine sollen ja bezahlbar bleiben.” Er ist allerdings zuversichtlich, „nach der Umstellungsphase den Arbeitseinsatz wieder reduzieren zu können. Weil ein Boden, der sich im natürlichen Gleichgewicht befindet, nicht mehr so viele Eingriffe braucht.”

Ein mit dieser Mehrarbeit verbundenes Problem ist im gesamten ökologischen Weinbau die vermehrte Belastung mit Schadstoffen aus den Auspufftöpfen der eingesetzten Traktoren. So spart man sich zwar Chemie im Pflanzenschutz , aber der Dieselruß versaut dann doch wieder die Ökobilanz. Da in der Biodynamie vor allem auf die größtmögliche Reduzierung aller Eingriffe hingearbeitet wird, sollte dieses Problem nach erfolgter Umstellung auf ein Mindestmaß reduziert und zumindest nicht größer als im konventionellen Anbau sein. Außerdem ist für die Bio-Dynamiker ja auch die Lockerung des Bodens von entscheidender Bedeutung. Durch schwere Traktoren würde der mühsam aufgelockerte Boden wieder verdichtet. Produzenten mit kleineren Flächen erledigen deshalb viele der anfallenden Tätigkeiten zu Fuß. Bei den 43 Hektar, die von Manincor bewirtschaftet werden, ist dies allerdings schlecht möglich. Man hat sich deshalb Quads angeschafft, die zum einen wesentlich leichter und schneller sind als Traktoren und zum anderen weniger Schadstoffe ausstoßen.

In den Weinbergen hat sich in den knapp zwei Jahren der Umstellung schon einiges getan. „Wenn ich heute eine Spatenprobe nehme und das mit der von vor zwei Jahren vergleiche, sind das Unterschiede wie Tag und Nacht. Früher hab ich den Spaten kaum rein gebracht. Heute habe ich einen Biomassenanteil und eine Durchwurzelung, die enorm sind.” Damit diese Veränderung weiterhin möglichst schnell vor sich geht, wird in den Manincor-Weinbergen relativ viel Humus ausgebracht. Anders als beim Kalterer Solos-Projekt dient er hier nicht als „Information für den Boden”, sondern er soll direkt einwirken und die Bodenqualität unmittelbar positiv verändern. Weil ihm ein eigenständiger, geschlossener Kreislauf wichtig ist, möchte Graf Michael die dazu nötigen, nicht unerheblichen Mengen an Kompost in Zukunft von eigenen Tieren gewinnen. Noch ist es Zukunftsmusik, aber irgendwann wird es auch wieder Kühe auf dem Weingut Manincor geben. Die Ställe dazu sind aus früherer Zeit noch vorhanden.

 

 

Manincor: Verbindung von Moderne und Tradition - auch in der Architektur


Graf Michael weiß noch nicht, ob nach erfolgter Umstellung auf die bio-dynamische Produktion ein Hinweis darauf auf dem Flaschenetikett erscheinen soll. Zur Zeit tendiert er eher dagegen, denn „die Weine sollen getrunken werden, weil sie gut schmecken und nicht aus ideologischen Gründen.”

Auch bei den anderen bio-dynamisch oder bio-organisch arbeitenden Mitgliedern der Freien Weinbauern steht die Qualität der Weine an erster Stelle. Zwei Betriebe davon - beide in der Umstellungsphase -  haben es im letzten Jahr sogar zu ‘Drei Gläsern‘ im Gambero Rosso gebracht. Dies hängt zum einen sicherlich damit zusammen, dass die prämierten Weine aus dem Eisacktal stammen und dieses ist beim Gambero zur Zeit ausgesprochen ‘in‘. Aber unabhängig davon was man vom Gambero Rosso hält, verdienen die Weine von Alois Ochsenreiter (Haderburg) und Christian Kerschbaumer (Weingut Garlider) Beachtung. Prämiert wurde von Alois Ochsenreiter der Eisacktaler Sylvaner 2005. Ich finde jedoch, dass ein anderer Wein der beste ist, und zwar der 10 (!) Jahre gereifte, flaschenvergorene Sekt „Steinhauserhof” aus Ochsenreiters bio-dynamisch bewirtschafteten Weinbergen in Buchholz bei Salurn. Christian Kerschbaumer in Feldthurns arbeitet bio-organisch nach Bioland-Kriterien und produziert die typischen Weißweine des Eisacktals Müller-Thurgau, Veltliner, Sylvaner und Kerner sowie einen Blauburgunder. Die Weißweine sind bis auf den Müller-Thurgau vollmundige, üppige Tropfen, die aber aufgrund ihrer Herkunft aus Italiens nördlichstem Anbaugebiet auch immer mit einer gewissen Eleganz und Mineralität ausgestattet sind.

Ebenfalls in Feldthurns beheimatet sind die Bio-Betriebe Radoarhof und Zöhlhof. Auf ersterem produziert Norbert Blasbichler neben recht eigenwilligen Gewächsen aus Müller-Thurgau, Kerner und Zweigelt originelle Brände unter anderem aus Edelkastanien. Vom Zöhlhof stammen die für mich elegantesten Eisacktaler Bio-Weine. Der Besitzer, Josef Unterfrauner, legt großen Wert darauf, daß man in seinen Weinen deren  Herkunft aus dem Gebirge schmeckt. Er produziert Portugieser, Gewürztraminer, Sylvaner, Müller Thurgau und Regent.

Wie das Eisacktal ist auch das Vinschgau eine sehr kleine Unterzone. Hier gibt es nur einen Bio-Betrieb, die Kellerei Stachlburg von Sigmund Kripp. Er setzt vor allem auf die Südtiroler Klassiker Weißburgunder, Chardonnay, Sauvignon und Gewürztraminer, Vernatsch und Blauburgunder. Letzterer wurde 2007 im Rahmen der jährlich stattfindenden Nationalen Blauburgundertage in Neumarkt zum besten Blauburgunder Italiens gewählt.

 

 

Klassische Weine aus den Hügeln um Bozen erhält man in Bio-Qualität vom Ebnerhof in Leitach und vom Nusserhof in Bozen. Um zum Ebnerhof zu gelangen sollte man vor allem schwindelfrei sein. Aber es lohnt sich, dort hinauf zu fahren. Johannes Plattner produziert jedes Jahr zuverlässig sehr guten Sankt Magdalener und Blauburgunder. Heinrich Mayr vom Nusserhof hat sich auf Lagrein und dem mit ihm verwandten Teroldego spezialisiert. Da letzterer in Südtirol keinen DOC-Status genießt und damit man ihm seine Südtiroler Herkunft ansieht, wird er als Tafelwein mit dem Namen ‚Tyroldego‘ verkauft. Eine besondere Attraktion bietet der Lieselehof in Kaltern. Hier sind auf einem Rebenlehrpfad 200 verschiedene Rebsorten aus Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Schweiz, Österreich, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Griechenland, USA, Russland, Südafrika und Japan angepflanzt. Als Weine abgefüllt und verkauft werden die lokalen Klassiker Kalterersee, Weißburgunder sowie ein Cabernet. Am eindrucksvollsten fand ich bei der Verkostung die aus der mehltauresistenten Sorte Bronner gewonnenen Weine „Julian” und „Sweet Clair”.


Weitere kleinere Südtiroler Bio-Betriebe sind der Strickerhof in Frangard bei Eppan, der Steffelehof in Kaltern, der Hof Gandberg in Eppan, der Sonnleitenhof in Terlan, der Zollweghof in Lana, der Schnalshuberhof in Lana sowie Franz Egger in Neumarkt.

Fazit

Es tut sich einiges im Bio-Bereich in Südtirol. Was mich am meisten beeindruckt hat, ist die Ernsthaftigkeit und Seriosität, mit der in Südtirol bio-organisch oder bio-dynamisch gearbeitet wird. Obwohl Bio gerade sehr in Mode ist, hängt in Südtirol kein Winzer seine diesbezüglichen Aktivitäten an die große Glocke und setzt sie als Marketing-Instrument ein. Im Gegenteil - von den Bio-Aktivitäten mancher Produzenten erfuhr ich nur per Zufall. Die biologischen Methoden dienen den Winzern hier vor allem dazu sehr guten, oft erstklassigen Wein zu produzieren - was ihnen auch gelingt. Deshalb mein Wunsch: weiter so!

 

 

Zum dritten Teil "Auch die Stars werden grün"

Zum zweiten Teil "Die grünen Genossen"

Zum ersten Teil "Rainer Loacker"

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