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Sizilien ändert sein Weinsystem. Mit dem Jahrgang 2012 gibt es zukünftig die IGT Terre Siciliane, die die IGT Sicilia ablöst, und eine regionsweite DOC Sicilia, in die gewisse Weine der ehemaligen IGT Sicilia aufsteigen können. Man kann sich fragen, ob eine Insel mit den unterschiedlichsten Anbaubedingungen und verschiedensten Sorten in eine einzige DOC gepackt werden soll. Ist Sizilien mit 25.000 Quadratkilometern eine Appellation oder nicht vielmehr eine Weinregion mit zahlreichen Appellationen, die sehr unterschiedliche Weine hervorbringen? Wozu diese riesige DOC? Reichten die kleinen, bestehenden Gebietsappellationen nicht aus? Merum wollte von zwei wichtigen Akteuren vor Ort wissen, weshalb die Sicilia DOC her musste. Raffaella Usai und Andreas März haben den Präsidenten des neuen Konsortiums, Antonio Rallo (Donnafugata), in Marsala sowie Alessio Planeta (Planeta) in Sambuca di Sicilia besucht.

Antonio Rallo

 

Antonio Rallo% Weingut Donnafugata (Foto: Merum)

„Die DOC Sicilia will nicht vermischen, sondern Ordnung ins System bringen.“

Merum: Herr Rallo, Sie sind Präsident des Konsortiums der neuen DOC Sicilia, die es seit Juni 2012 gibt, des Weiteren sind Sie Präsident der sizilianischen Assovini und im Vorsitz der Unione Italiana Vini...

Antonio Rallo: Ja, ich engagiere mich für die sizilianische Weinwirtschaft. Das sind alles Ämter, die viel Arbeit verursachen, ich stehe früher auf und gehe später schlafen, aber vergütet werde ich dafür nicht.

Merum: Dafür sind Ihnen die sizilianischen Winzer sicher dankbar?

Antonio Rallo: Na ja... Aber wenn ich ein positives Ergebnis für Sizilien erziele, dann reicht mir das! Genau in diesen Tagen [Dezember, die Red.] müssen die Produzenten ihre Trauben- und Weinproduktion anmelden. In Sizilien haben wir das Glück, dass sich um die Weinkontrolle eine einzige Stelle kümmert, das Istituto Regionale Vini e Oli.

Merum: Wird die sizilianische Weinproduktion dank der DOC besser kontrolliert?

Antonio Rallo: Seit dem 1. August 2012 müssen sowohl IGT- als auch DOC-Weine dokumentarisch, analytisch und sensorisch geprüft werden. Da sich eine einzige Stelle um die Kontrolle kümmert, wissen wir in Zukunft genauestens über die Produktion des sizilianischen Qualitätsweins Bescheid. Das ist wichtig, denn die sizilianischen Weine waren in den letzten Jahren sehr erfolgreich. Viel sizilianischer Wein wird auch auf dem Festland abgefüllt. Dank der neuen Regelung haben wir nun die gesetzliche Handhabe, selbst ins Ausland verkaufte sizilianische DOC- und IGT-Weine auf ihre Authentizität zu prüfen. Das ist nicht nur für die Konsumenten wichtig, sondern auch für den Ruf des sizilianischen Weins.

Merum: Wenn nun ein Abfüller bei Ihnen einen Tankwagen mit Wein kauft und diesen irgendwo in der Lombardei als IGT Terre di Sicilia oder als Sicilia DOC abfüllt, ist die sizilianische Weinkontrolle dann in der Lage, diese Weinflaschen nachzuverfolgen sowie deren Echtheit und Qualität zu prüfen?

Antonio Rallo: Absolut! Dieser Abfüller muss sich erst mal beim Istituto Regionale Vini e Oli akkreditieren und dort bekanntgeben, dass er sizilianischen Wein abzufüllen gedenkt. Sobald er dann bei mir den Wein abholt, trage ich die entsprechende Menge in meinem Kellerbuch aus und der Abfüller trägt sie bei sich ein. Da die Kellerbücher online geführt werden, ist die Kontrollbehörde in Echtzeit und lückenlos über alle Operationen informiert. Sobald der Abfüller in der fernen Lombardei meinen Wein abfüllen will, holt er sich dafür beim Istituto Regionale Vini e Oli die Bewilligung ein und trägt die Anzahl Flaschen wiederum ins Online-Kellerbuch ein.

Merum: Der größte Teil der sizilianischen Qualitätsweine kam bis heute als Sicilia IGT auf den Markt. Wer hat die DOC Sicilia gewollt und warum?

Antonio Rallo: Bis gestern lebten wir in einer Situation, in der für die Sicilia-IGT-Weine keinerlei Echtheitskontrolle möglich war. Die sizilianischen Qualitätsproduzenten hatten keine Handhabe, ihre Marke "Sizilien" zu schützen.

Merum: Nun ist es aber so, dass im selben Moment, in dem ihr mühevoll die DOC durchsetzt, die EU das Weingesetz ändert und genau diese Echtheitskontrolle auch für die IGT-Weine verlangt. Die DOC wurde von der IGT frech von rechts überholt. Wird damit die DOC nicht überflüssig?

Antonio Rallo: Jetzt im Nachhinein kann man das so sehen. Sie müssen aber verstehen, dass wir die DOC in einem Moment gefordert hatten, als es keinerlei Kontrolle gab und der sizilianische Wein Freiwild war. Eine Gruppe von Qualitätswinzern wollte diese Situation ändern, und das war damals nur mit der DOC möglich.

Merum: Wie groß wird die Produktion von Sicilia DOC sein?

Antonio Rallo: Theoretisch kann Sicilia DOC auf 40.000 Hektar erzeugt werden. Natürlich steht die DOC erst am Anfang, das heißt der größte Teil des Weins wird vorerst weiterhin als IGT, die jetzt Terre Siciliane heißt, abgefüllt werden. Manche der heutigen Sicilia-IGT-Weine können auch gar nicht zum DOC-Wein aufsteigen, da gewisse Sortenkombinationen vom Produktionsreglement nicht vorgesehen sind.

 

Sizilianische Weinlandschaft (Foto: Merum)

Merum: Wie verträgt sich die DOC Sicilia mit den anderen Ursprungsbezeichnungen der Insel?

Antonio Rallo: Die der DOC zugrunde liegende Idee ist nicht nur der Schutz des Namens Sizilien, sondern auch die Schaffung einer Qualitätspyramide. Alle anderen sizilianischen DOC- und DOCG-Weine haben die Möglichkeit, sich in diese Qualitätspyramide einzugliedern. Tun sie dies, dann darf zum Beispiel ein Etna DOC oder ein Cerasuolo di Vittoria DOCG auf dem Etikett als Wein aus Sizilien gebrandet werden! Wenn wir davon ausgehen, dass Sizilien eine starke Marke ist, dann glaube ich schon, dass es einen Unterschied macht, ob sich der Wein als Etna DOC oder als Sicilia Etna DOC präsentiert. Bisher war das nicht möglich. Noch deutlicher ist der Vorteil für unbekanntere DOC wie zum Beispiel Contea di Sclafani. Wie viele Weinfreunde wissen wohl, dass dies ein sizilianischer Wein ist? Die DOC Sicilia will also nicht alles vermischen, sondern Ordnung ins System bringen und gleichzeitig die kleinen DOC als sizilianische Produktion erkennbar machen.

Merum: Zur Gretchenfrage: Ist für die Sicilia DOC die Abfüllung auf der Insel vorgeschrieben?

Antonio Rallo: Leider ist es uns nicht gelungen, eine Mehrheit hinter unserer Forderung nach einer Abfüllpflicht im Produktionsgebiet zu vereinen. Die Abfüllung für IGT und DOC bleibt frei. Allerdings ist es für ein Obligatorium nicht zu spät. Wenn sich die DOC in Zukunft mehr Freunde schaffen kann, kommt möglicherweise auch eine Mehrheit für diese Änderung der Produktionsregeln zustande.

Merum: Eine Frage zur wirtschaftlichen Situation. Wie haben sich die Preise für die Produzenten in den letzten Jahren entwickelt?

Antonio Rallo: In den vergangenen drei Jahren haben sich die Trauben- und Fassweinpreise mehr als verdoppelt. Weiße Qualitätsweine stiegen 2011 im Preis um 35 bis 40 Prozent und nochmals um dasselbe im Jahr 2012.

Merum: Betrifft dieser Boom alle sizilianischen Weine?

Antonio Rallo: Der Markt ist zweigespalten. Auf der einen Seite gibt es hochwertige Weine mit Produzenten, die die ganze Produktionskette vom Weinberg bis zum Kunden pflegen. Diese haben Erfolg und sind bekannt. Auf der anderen Seite stehen die Massenweine, die Sizilien im Tank verlassen und anderswo abgefüllt werden. Das sind etwa zwei Drittel des sizilianischen Weins.

Merum: Diese stammen vermutlich zum Großteil von den Kellereigenossenschaften. Sind die enormen Mengen nicht eine Bedrohung für gesunde Preise und den Ruf des sizilianischen Weins?

Antonio Rallo: Auch die Cantine Sociali haben sich qualitativ enorm verbessert. Sizilien verfügte vor wenigen Jahren noch über 135.000 Hektar Weinanbaufläche. 2011 haben wir auf weniger als 100.000 Hektar produziert, im Jahr davor sogar nur auf 90.000 Hektar. Der Grund für die geringere Fläche waren die Beihilfen für die vendemmia verde [Abernten und Vernichten der noch grünen Trauben, die Red.]. Auf den betroffenen Flächen wurde vor allem Wein produziert, der über keinen rentablen Markt verfügte.

Merum: Was geschah früher mit den Weinen ohne Markt?

Antonio Rallo: Früher gab es die Beihilfen für die Weindestillation und für die Produktion von Mostkonzentrat. Das war auch eine Art Markt, aber kein gesunder, denn aus Trauben Alkohol und Zucker zu produzieren, ist weder wirtschaftlich noch für die Umwelt nachhaltig. Alkohol und Zucker lassen sich mit anderen Kulturen preisgünstiger herstellen. Diese Subventionen hatten zu falschem Produktionsverhalten geführt.

Merum: Die Möglichkeit, die Authentizität der sizilianischen DOC-Weine nun garantieren zu können, holt bestimmt Mehrwert auf die Insel zurück, andererseits könnte man auch befürchten, dass die strenge Kontrolle den Weinabsatz behindert. Sicilia-DOC-Weine könnten für manche Abfüller weniger interessant sein als die früheren Sicilia-IGT-Weine.

Antonio Rallo: Wir müssen unseren Betrachtungen die reelle Situation des sizilianischen Weinbaus zugrunde legen. Mit seinen Hektarerträgen gehört Sizilien zu den Schlusslichtern Italiens. In den vergangenen beiden Jahren betrug der mittlere Hektarertrag Siziliens nur 5.000 Liter! Wir sind geradezu gezwungen, Qualitätswein zu erzeugen. Glücklicherweise können wir hier gute Weine zu günstigen Preisen herstellen.

Alessio Planeta

 

Alessio und Francesca Planeta% Weingut Planeta (Foto: Merum)

„Mit der neuen DOC entsteht eine echte Qualitätspyramide.“

Merum: Herr Planeta, Sie bewirtschaften auf der ganzen Insel verteilte Weingüter und sind einer der erfolgreichsten Produzenten Siziliens. Befürworten Sie die neue DOC Sicilia?

Alessio Planeta: Eindeutig! Der wichtigste Fortschritt ist die lückenlose Kontrollierbarkeit der sizilianischen Qualitätsweine. Die neue DOC ist jedoch auch ein taugliches Instrument, mit dem die einzelnen Anbaugebiete besser zur Geltung gebracht werden können.

Merum: Wie sieht das aus?

Alessio Planeta: Ich stehe kleinen DOC eher kritisch gegenüber, sie sind zu unbedeutend, um sich auf dem Markt durchzusetzen. Dank der DOC Sicilia haben sie bessere Chancen. Planeta hat einen Weinberg in der DOC Mamertino. Wer weiß schon, dass es sich dabei um eine kleine Appellation im äußersten Nordosten Siziliens handelt? Wenn der Wein nun Sicilia Mamertino DOC heißt, dann ist das eine echte Vermarktungshilfe.

Merum: Und was bemängeln die Kritiker an der DOC Sicilia?

Alessio Planeta: Sie befürchten, dass mit der ganzregionalen DOC eine Einebnung der sizilianischen Weine droht. Aber das Gegenteil ist der Fall: Die DOC Sicilia gibt nicht nur allen hochwertigen IGT-Weinen ein würdigeres Zuhause, die bereits bestehenden DOC und DOCG erhalten gleichzeitig eine bessere Visibilität.

Merum: Wie wird die DOC Sicilia das Weinangebot verändern?

Alessio Planeta: Mit der neuen DOC entsteht eine echte Qualitätspyramide. Die DOC Sicilia bildet die solide Unterlage für die Spitze der kleinen DOC und DOCG. Planeta zum Beispiel produziert zahlreiche Weine in DOC-Gebieten. Unser Chardonnay hieß bisher Sicilia IGT Chardonnay, obschon er eigentlich aus dem DOC-Gebiet Menfi stammt. Wir wollten ihn aber nicht Menfi DOC nennen, da auf dem Etikett das Wort Sizilien fehlte und die Leute glaubten, Menfi sei irgendwo in Apulien oder sonstwo. Das Wort Sicilia durfte bisher nur in Verbindung mit der IGT verwendet werden, für DOC-Weine war der Hinweis auf die sizilianische Herkunft nicht möglich. Ab sofort wird unser Chardonnay Sicilia Menfi DOC heißen.

Merum: Werden die verschiedenen Konsortien die Chance ergreifen und ihre Appellation unter den Schirm der Sicilia DOC stellen?

Alessio Planeta: Es gibt schwache und starke Konsortien. Die starken sind die mit vielen Mitgliedern. Es gibt aber auch Konsortien mit nur einer knappen Handvoll Mitglieder. In den 1990er-Jahren wurden zahlreiche DOC ins Leben gerufen, weil man befürchtete, ansonsten von den EU-Beihilfen ausgeschlossen zu werden. In vielen dieser neukreierten Produktionsgebieten war zuvor noch nie eine Flasche abgefüllt worden.

Merum: Wie reagieren die bekannteren Appellationen?

Alessio Planeta: Das Konsortium des Cerasuolo di Vittoria DOCG hat sich bereits unter das Dach der Sicilia DOC gestellt. Die Produzenten können nun wählen, ob sie auf dem Etikett vor den Namen Cerasuolo di Vittoria das Wörtchen Sicilia stellen wollen. Verpflichtet sind sie aber nicht dazu. Des Weiteren gibt es nun ein großes sizilianisches Weinkonsortium. Dieses wird sich in Zukunft um die Kommunikation der Marke Sicilia kümmern.

 

Weinberge bei Calatafimi (Foto: Wein-Plus)

Die Produktionsregeln der DOC Sicilia

Produktionsreglemente lassen meist keine direkten Rückschlüsse auf die Qualität der Weine zu. Das „disciplinare“ der Sicilia DOC regelt zudem nicht nur die Produktionsbedingungen eines einzigen Weintyps, sondern will allen Qualitätsweinen der Insel ein Zuhause bieten. So sind eine große Zahl von Traubensorten und alle erdenklichen Weintypologien vorgesehen und die Hektarerträge mit 12.000 Kilo für die Rotweine und 13.000 Kilo für die Weißen nicht gerade tief... allerdings bei weitem nicht hoch genug, um unter dem Namen Sicilia Massenweine zu erzeugen. (Zum Vergleich: Die bisherige IGT Sicilia erlaubte bei den Weißen 18.000 Kilo und bei den Roten 15.600 Kilo pro Hektar.)

Die neue, ganzregionale DOC ist absichtlich locker definiert und garantiert nur eine Mindestqualität, vor allem aber den Ursprung Sizilien. Wenn auf einem Etikett Sicilia zusammen mit dem Namen einer kleineren Appellation (Cerasuolo, Mamertino, Menfi etc.) steht, dann sind die strengeren Produktionsregeln verbindlich.

Ein Schönheitsfehler der DOC Sicilia ist die fehlende Vorschrift, nach der die Weine obligatorisch auf der Insel abgefüllt werden müssen. Für das Obligatorium ist es jedoch nicht zu spät, sobald die Mehrheit der Winzer dies wünscht, kann das Versäumte nachgeholt werden.

Die DOC Sicilia steht erst ganz am Anfang und tritt mit dem Jahrgang 2012 in Kraft. Die nächsten Jahre werden zeigen, wie sich die ganzregionale Ursprungsbezeichnung bewährt. Unter Umständen wäre sogar denkbar, dass sie sich als Modell für andere Regionen anbietet.

Dieser Beitrag wurde uns von der Merum-Redaktion zur Verfügung gestellt. Mehr über Merum, die Zeitschrift für Wein und Olivenöl aus Italien, erfahren Sie hier:
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