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Heute habe ich keinen Bordeaux, sondern ein einheimisches Gewächs aus dem Keller geholt: einen Jeninser Blauburgunder aus dem Tscharnergut. Und dies hat seinen guten Grund. Heute - wo ich diese Kolumne schreibe - bin ich bereits drei Tage lang im Rebberg bei der Traubenlese dabei gewesen. Es schmerzt der Rücken, es brennen die Hände, die Rebschere hat ihre Spuren hinterlassen.

 

Weinberg in der „Bündner Herrschaft" und zwar im „Heididorf"

Trotzdem, es kommt ein Glücksgefühl auf, nämlich das einzubringen, was schon in ein, zwei Jahren höchsten Genuss bereiten kann: einen der besten Pinot Noir der Schweiz, aus einem Rebgebiet in Nordbünden, wo wir auch auf die Reben von Gantenbein, Marugg, Fromm, Grünenfelder stoßen.

Die Bündner Herrschaft ist ein ganz spezielles Weingebiet: es liegt über dem noch ganz jungen Rhein und wird begünstigt von einem warmen Bergwind, dem Föhn.

 

Empfang im Weinberg durch „Bacchus"...

Im Herbst, wenn das Mittelland in einem fast undurchdringlichen Nebelmeer versinkt, scheint in den vier Weindörfern Fläsch, Maienfeld, Jenins und Malans sehr oft die Sonne, sie „kocht" die Trauben, die im höchstgelegenen der vier Orte - in Jenins (635 Meter über Meer) - meist zuletzt geerntet werden. Hier in der Bündner Herrschaft wachsen auf rund 260 Hektaren gut 90 Prozent Blauburgunder-Reben oder eben - wie wir lieber sagen - Pinot Noir.

 

...... und den Winzer Gian Batista von Tscharner

Es ist ein verhältnismäßig kompaktes Rebgebiet, nicht sehr steil, daher gut zu bewirtschaften. Dabei sind die Böden der vier Gemeinden recht unterschiedlich: In Maienfeld (dem „Heididorf") besteht er vor allem aus phosphorreichem Mergel, in Fläsch ist der Boden eher lehmig, in Jenins und Malans sind es magerer Kalk und Schiefer. Dadurch entstehen - für den Kenner erfassbar - durch die Lagen deutliche Unterschiede bei den Weinen, zumindest so lange sie später nicht allzu „überholzt" werden. Auf der Etikette der Roten steht deshalb in der Regel auch das Herkunftsdorf.

Typisch für die Schweiz sind die vielen kleinen Rebbergbesitzer, die weit weniger als ein Hektar bebauen. Neben dem Hauptberuf pflegen im Kanton Graubünden (Gesamtrebbestand: ca. 420 Hektaren) immerhin 250 Winzer ihre Kleinstweinberge, während 40 vollberufliche Winzer je zwischen 3 und 10 Hektaren bewirtschaften.

Doch davon möchte ich jetzt nicht weiter erzählen, sondern vom „Wimmle" in der Herrschaft, wie es Weinfreunde und -geniesser erleben können.

 

Weiße Rebsorten sind hier die Ausnahme% es sind nur 10 Prozent

Vor drei Tagen hat der Winzer mit der Lese begonnen und uns - wie immer - recht kurzfristig „aufgeboten" . Als erster empfängt uns „Bacchus", der kleine, aufmerksame und meist auch ordentlich laute Dackel des Winzers, dann ist er es selber, mitunter auch sehr laut, bestimmt, herzlich: eben wie ein seiner Sache ganz sicherer Feldherr. Allein schon seine Gestalt und seine bestimmten Anweisungen schaffen Voraussetzungen, unter denen man exakt, „pingeliggenau", mit den nötigen Instruktionen versehen, mit Kiste und Schere bewaffnet durch die langen Reb-Reihen zieht.

Es ist eine wunderschöne Arbeit, die reifen, vollen, süßen Trauben in den Händen zu halten. In den Händen, die rasch klebrig werden, denn die unreifen Beeren und die Faulen und die Zurückgebliebenen müssen entfernt werden. Das sieht oft aus, als ob man Fische ausnehmen würde, nur die Farbe und der süßliche Duft erinnern immer daran, dass es hier um Trauben geht.

 

Blauburgunder im Bündnerdorf Jenins% am Fuße der Berge

Es ist auch nicht immer ganz einfach, das Winzerlatein zu erfassen, geschweige denn zu verstehen. Letztes Jahr waren es die stiellahmen Dolden, die uns Mühe bereiteten, diesmal sind es die „Sekundärtriebe". Ich bin schon gespannt, was es das nächste Jahr sein wird.

Höhepunkt eines jeden „Wimmle-Tages" ist das Essen im Freien unter den stolzen Bündner- und St.Galler-Bergen. Nach vier anstrengenden Stunden winkt der Aperitif: Natürlich ein Weißer aus dem Tscharner-Gut. Ja, es werden hier auch Weissweine angebaut. Dieses Jahr beginnt die Lese sogar mit Chardonnay und Pinot blanc, unten im Heididorf Maienfeld. Erst dann geht’s hinauf nach Jenins, wo hauptsächlich der Blauburgunder wächst.

 

„Déjeuner sur l’herbe". Warten auf das wohlverdiente Mittagessen

Aus einer erstklassigen Küche wird jeden Tag ein Eintopf angeliefert: Nie schmeckt mir ein Essen und ein Wein so gut wie hier oben im Bündnerland, mitten in den Reben.

Eigentlich müsste jeder begeisterte Weintrinker ein paar Wochen im Rebberg arbeiten, bei der Lese dabei sein... Erst dann, darf er über ein Gewächs urteilen und seine Kommentare abgeben. Arbeiten in einem Winzer-Betrieb, wie es die meisten in der Schweiz sind: familiär. Wo nicht Arbeiter aus Polen oder Rumänien zur Lese eingeschleust werden, sondern der Winzer mit seiner Familie, seinen Freunden, Bekannten, mit Rentnern, Hausfrauen, Feriengästen, Weinfreunden, Festangestellten selber Hand anlegt, ohne das Feld auch nur einmal zu verlassen und dauernd die Arbeit der kleinen, freiwilligen Kompanie zu überprüfen und  zu dirigieren. Es sind in der Regel immerhin etwa dreißig Personen.

 

Walter Bernina% jedes Jahr bei der Weinlese mit dabei% mit 87 Jahren aber auch noch auf den höchsten Gipfeln% signiert hier sein Berg-Buch

So sieht die Weinernte eben aus, in einem typischen, guten schweizerischen Winzerbetrieb!

Jetzt - wo beim Schreiben die Müdigkeit nach der Tagesarbeit langsam hochkriecht - da brauche ich einen guten Schluck Pinot Noir, Jeninser. Er ist doppelt und dreimal so gut, wie an jedem andern Tag, vor allem gibt er Kraft, dem in den nächsten sechs bis zehn Tagen mit dem gleichen Hochgefühl zu begegnen.

Prost, herzlich

Ihr/Euer

Peter (Züllig)

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