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Zugegeben, es hat mich sehr viel Überwindung gekostet, als ich - vor Jahren - zum ersten Mal inmitten von Weinhändlern, Agenten, Sammlern, Liebhabern und Spekulanten an einer „großen und bedeutenden” Auktion teilnahm und der Dinge harrte, die da kommen sollten.

 

Vor der Auktion wird degustiert und kritisch geprüft

 


„Eine Originalholzkiste Château Margaux, 1996, 7.710 Franken sind geboten, zum Ersten - zum Zweiten - und - zum Dritten. Das Lot geht an den Bieter 37! - Zum nächsten Lot. Ich muss beginnen bei 3.450 Franken. Wer bietet mehr?.....”, so der Auktionator. Es ist nicht einfach, als Anfänger dem Geschehen zu folgen, und noch viel schwieriger ist es, ohne größere Risiken und Verluste ins Geschehen einzugreifen. Auktionen haben ihre eigenen Gesetze.

Inzwischen zähle ich mich bereits zu den Routiniers. Meist habe ich die Materie (und mich selber!) im Griff, das Geschehen „unter Kontrolle”. Ein wirkliches Schnäppchen entgeht mir selten. Nur - es gibt immer weniger Schnäppchen und immer mehr Schnäppchenjäger.

 

 

 

Es wacht das strenge Auge des Gesetzes: der Notar

Die meisten Weinliebhaber und -käufer kennen Auktionen nur vom Internet. Da geht es ab und zu auch hektisch zu und her, vor allem in den letzten Minuten und Sekunden. Doch die Atmosphäre fehlt, jene coole Fiebrigkeit, die immer wieder aufkommt, sobald ein „schönes und begehrtes Lot” ausgerufen wird. Allein schon am Klang der Stimme, den kleinen Nuancen beim Ausrufen durch den Auktionator ist zu erkennen, dass jetzt eine heiße, ja eine ganz heiße Phase beginnt.
 
In meinem Kopf nisten sich da immer auch jene häufigen Sensationsmeldungen ein, die periodisch das weltweite Auktionsgeschehen begleiten. Etwa: „Im britischen Auktionshaus Sotheby's wurde eine Flasche 1784er-Lafite für stolze 200.000 Euro versteigert.” Ein anderes Beispiel: „Mehr als 9,7 Millionen US-Dollar wurden beim Auktionshaus Zachys für den Keller eines einzigen Weinsammlers eingenommen.” Oder: „Auf einer Auktion in New York ist eine Kiste mit sechs Magnumflaschen eines Burgunderweins von 1985 für 170.375 Dollar versteigert worden.”

 

 

Nachdenklich schaue dann ich auf mein schmales Budget - ein paar hundert, vielleicht einmal bis zu drei-, viertausend Franken. Da ist bei Christie’s oder Sotheby's gar nichts zu holen. Selbst in Auktionen von bescheideneren internationalen Häusern, wie Wermuth, Steinfels, Koppe und Partner wird es in der Regel (viel) teurer.

 

Sammlung von 61 Flaschen Mouton Rothschild von 1945-2003

Warum, frage ich mich, verbringe ich so viele Stunden und Tage an Auktionen, warum gehe ich so gerne hin?
 
Es ist einerseits die Atmosphäre, die immer wieder fasziniert. Vor allem aber ist es der „Puls” der Wein-Sammler- und -Genießer-Welt. Hier werden nicht Preise gemacht, sondern hier bestimmt die Nachfrage die Preise und Entwicklung des Wein-Welt-Markts. Was durch die vielen Weinpublikationen erst viel später bekannt wird, zeichnet sich an einer Auktion viel früher ab, vorausgesetzt, man weiß die Zeichen richtig zu deuten.
 
Das große, spannende Unbekannte, das sind die schriftlichen Gebote, die schon bei Auktionsbeginn vorliegen (oft bis zu 80% der Lots). Doch im Saal kennt niemand die gebotenen Limiten - außer der Ausrufer. Und der schweigt! Für die ganz großen Positionen - diesmal zum Beispiel für das Lot 792, eine Mouton-Sammlung 1945 bis 2003, Schätzwert 35.000 bis 45.000 Franken - werden im Saal kaum Gebote abgegeben. Sie gehen anonym weg, irgendwohin in die Welt.

 

Letzte Konzentration vor der Auktion% im Saal schließlich 100 Leute


 
Ab und zu sagt der Auktionator, wohin die Reise geht: nach Hongkong, nach Russland, nach England, ja sogar zurück nach Bordeaux; in ein berühmtes Restaurant, zu einem bekannten Anwalt, auf eine südfranzösische Jacht... Die Fantasie wird angeregt, der Rest ist Spekulation, denn über verräterische Details schweigt der Mann am Tisch, und der Notar neben ihm achtet darauf, dass ja alles korrekt zu und her geht.
 
Es sind vor allem die „großen Bordeaux”, die Wein-Aristokratie vom Burgund und die italienischen „Supertuscans” wie Solaia, Ornelleia, Sassicaia, Angelo Gaja, die hier gehandelt werden. Diesmal sind es allein 1.200 Flaschen „Premier grand cru” aus dem Bordelais.
 
Dazwischen „verstecken” sich viele Flaschen und Kisten fast aller Kategorien, zu stattlichen Preisen, nur Schnäppchen gibt es kaum (mehr). Eine Auktion dauert viele Stunden, das letzte Mal waren es sechseinhalb, mit einer einzigen kurzen Pause von 20 Minuten. 1050 Lots mussten durch gepeitscht werden, nur 30 davon fanden keine Käufer.
 

 

Zwei Großflaschen: bloß eine Chimäre?

Hier wird viel Weinwelt sichtbar, weil hier der Weinalltag eingeleitet wird, die Vorlieben, die Preise, die Verfügbarkeit von Weinen. Hier werden - ohne darüber zu reden - mehr Entscheidungen gefällt, als auf allen noch so großen Weinmessen und Degustationen. Hier tritt der Handel (auch die Spekulation) gegen etwas an, was ich als weltweite Weinliebe, Weingeschmack, Weinidee bezeichne. Dieser Wettbewerb um die Gunst wird letztlich zum Prüfstein, wie viel der Konsument bereit ist für ein Produkt (das auch stark Moden unterworfen ist) zu zahlen.
 
Um dies noch etwas konkreter auszudrücken: An der letzten Auktion - von der ich hier berichte - wurden 6.800 Normalflaschen angeboten, dazu 400 Magnum, 29 Doppelmagnum, 240 halbe Flaschen und 10 weit größere Formate (das größte eine 18-Literflasche!). Der Umsatz betrug 1.520.000 Schweizer Franken oder knapp eine Million Euro. Bemühen wir den berühmten Durchschnitt, dann wird an dieser Auktion 190 SFr (120 €) für eine 7,5 dl Flasche bezahlt.
 
Nur ein Zahlenspiel? Weit mehr als dies! Da der weitaus größte Teil der Weine in den weltweiten Handel zurückgehen wird, bahnen sich hier entscheidende Entwicklungen an: welche Weine werden in der nächsten Zeit zu welchem Preis verkauft? Vor allem aber auch: Welche Weine lassen sich wo verkaufen, wie entwickeln sich Angebot und Nachfrage?
 
Trotzdem gibt es an solchen Auktionen, auch in Zeiten der Höchstpreise, immer wieder ein paar günstige Käufe: eben Schnäppchen. Dann nämlich, wenn beschmutzte Etiketten, verschimmelte Kisten, beschriebene oder zerkratzte Aufkleber die Weine für den Handel „unbrauchbar” machen, für den Genießer aber genau so wertvoll sind.

 

 

Man ist sich nicht immer einig


 
So habe ich - unter den fast 7.000 Flaschen - 6 Tour de Pez 95 und 6 Haut-Caussan 94 für 15 SFr (9.50 €) die Flasche erstanden. Auch wenn dazu noch rund 20% Aufpreis und Mehrwertsteuer kommen, so ist dies doch ein respektables „Schnäppchen”. Oder: 2 Flaschen Haut-Brion 1964 Schätzungspreis 500 SFr. immerhin für die Hälfte erstanden, während das Nachbarlot 6 Pétrus 1989 (Schätzungspreis 16.000 SFr) für 24.000 SFr. wegging.
 
Für mich sind trotzdem Auktionen längst keine Schnäppchenjagden mehr. Es sind Begegnungen mit den besten Weinen der Welt und mit den Menschen, die dafür viel zu bezahlen bereit sind. Es sind „Realitätsausschnitte” aus einer Welt, die zwar mit Geschäft, letztlich aber doch mit Genuss zu tun haben. Und da gehöre ich - auch mit kleinstem Budget - eben doch dazu.

Herzlich
Ihr/Euer
Peter (Züllig)

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