Montalcino und
Chianti Classico hatten das Glück, in den vergangenen 20 Jahren im Zentrum der Aufmerksamkeit der Weinmedien gestanden zu sein. Je mehr sich die kaufkräftige Öffentlichkeit mit ihren Weinen beschäftigte, umso mehr konnten die Preise steigen. Es zog Wohlstand ins Land, der sich nicht nur dort äußerte, wo reiche Neuwinzer heruntergekommene Bauernhöfe zu Villen und staubige Vorplätze zu Zierrasen veredelten, sondern auch bei den einfachen
Winzern, bei denen für Investitionen keine anderen Einkommen als die aus der Landwirtschaft zur Verfügung stehen. Gewisse Weingebiete der
Toskana sind in den letzten Jahren sichtlich aufgeblüht, andere, weniger beachtete wie die Rùfina sind in der gleichen Zeit nur langsam vorwärtsgekommen.
Nur zwei Namen vermochten sich außerhalb der
Toskana zu behaupten: Nipozzano und
Selvapiana. Verhallte der Ruf des
Chianti Rùfina von
Selvapiana auf Grund der geringen Flaschenzahl in einer kleinen Liebhabergemeinde, ist die Marke Nipozzano vor allem an den
Erzeuger Frescobaldi gebunden. Fernab von Florenz wird Nipozzano kaum mit dem
Ursprung Rùfina in Verbindung gebracht. Jedermann kennt
Frescobaldi, viele kennen Nipozzano, aber nur wenige wissen, dass Nipozzano ein
Weingut in der Rùfina ist.
Lamberto Frescobaldi: „Tatsächlich schrieb eine ausländische Zeitschrift kürzlich lobende Worte über Nipozzano, aber leider versetzte der Autor das
Weingut in das Chianti-Classico-Gebiet." Alfredo Massetti (Grignano): „Die Rùfina hat geschlafen, als die
Toskana boomte. Bis in die 80er- Jahre hinein konnte hier die
Halbpacht überleben, auswärtige Investitionen gab es, von wenigen Ausnahmen wie Grignano und einer, zwei anderen abgesehen, keine." Wer vor 35 Jahren hier ein Landgut kaufte, brauchte schon etwas Phantasie, um die
Bonität einer solchen Investition zu ahnen. Für die Familie Inghirami ging die Rechnung auf: Der Wert von Grignano hat sich rund verhundertfacht.
Allerdings ist es für einen Landwirt ein magerer Trost, dass sein Hof an Wert gewinnt, während seine Produkte keine angemessenen Preise erzielen. Nico Sartori stammt aus dem
Veneto und kaufte zusammen mit Familienmitgliedern vor 15 Jahren das Oliven- und
Weingut Altomena. Die Kosten der Wein- und Ölproduktion sowie die ständig erforderlichen Investitionen übersteigen bei Altomena noch immer die Einnahmen. Nico ist Betriebsleiter und muss vor seiner Familie für die Betriebsrechnung geradestehen. Resigniert stellt er fest: „Die einzige seriöse Rechtfertigung für eine Investition in ein solches Landgut ist leider die Hoffnung, dass zumindest der Marktwert der Immobilie steigt."
Die
Weinpreise sind vor allem bei geringen Flaschenzahlen zu tief, um den Betrieben mehr als die nackten Betriebskosten einzuspielen. Der Exportpreis eines
Chianti beträgt im Mittel rund die Hälfte eines
Chianti Classico und für
Chianti Rùfina sieht es nicht viel besser aus: Es mag erstaunen, aber der
Chianti Rùfina überragt den
Chianti punkto Image und Verkaufspreise nur unwesentlich.
Sabrina Tanini (Dreolino): „Die Leute interessieren sich für den
Chianti Rùfina, zum Beispiel auf der
Vinitaly, aber wenn sie hören, dass er teurer ist als der einfache
Chianti, dann schrumpft die Bestellmenge gleich erheblich."
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Sabrina Tanini betreibt die keine Handelskellerei Dreolino gemeinsam mit ihrem Vater und Bruder
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Federico Giuntini (
Selvapiana): „Die Rùfina ist der arme Bruder des
Chianti Classico. Wir haben die gleichen Produktionskosten, aber bei den Flaschenpreisen liegen wir mindestens ein
Viertel unter dem
Chianti Classico. Nur Montesodi von
Frescobaldi oder unser Bucerchiale kommen auf höhere Preise."
Graziano Scopetani (Scopetani): „Der Traubenpreis für Rùfina liegt rund zehn
Prozent höher als für normalen
Chianti, und zehn
Prozent teurer ist die
Flasche Chianti Rùfina, aber der Kunde bezahlt diese kleine Preisdifferenz ungern." Lag der Fassweinpreis von
Chianti Classico im Oktober 2007 bei EUR 3,15 pro
Liter, waren die anderen
Chianti bereits für EUR 1,35 pro
Liter zu haben. (Quelle: ISMEA.)
Cesare
Coda Annunziante (Colognole): „Der Tourismus ist ein wichtiges Kommunikationsvehikel: Die Reise- und
Weinpresse schreibt jedoch nur vom
Classico, von der toskanischen Küste und Siena. Die Rùfina wird totgeschwiegen."
Man blickt nicht ganz ohne Neid Richtung Siena und
sucht nach Mitteln, wie man dem
Chianti Rùfina mehr Aufmerksamkeit und bessere Preise verschaffen könnte. Federico Giuntini (
Selvapiana): „Wir sind doch nur ein paar wenige abfüllende Produzenten und sollten für den
Chianti Rùfina einen Mindestpreis durchsetzen können. Das
Konsortium will erreichen, dass für im
Fass an
Abfüller verkauften
Chianti Rùfina ein Mindestpreis festgesetzt wird."
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Graziano Scopetani vermarktet über 80 Prozent seiner Jahresproduktion von 1%5 Millionen Flaschen im Ausland
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Graziano Scopetani (Scopetani) sieht das etwas anders: „Vor 100 Jahren wurde der
Wein der Rùfina und nicht
Chianti Classico nach
Amerika verschifft. Wenn heute das
Chianti Classico mehr Erfolg hat als wir, dann ist das unsere Schuld. Aber ich sehe auch das Positive: Das
Classico ist eine wunderschöne Gegend, nur ist sie nicht mehr toskanisch. Die Besitzer auch nicht. Die Rùfina gehört hingegen noch den alten Familien."
Sicher, der Rückstand der Rùfina hat auch Vorteile. Die sogenannte Qualitätsrevolution im „Chiantishire" hat einiges über den Haufen geworfen. Nicht nur die Besitzer sind nicht mehr toskanisch, schlimmer ist, dass es die
Weine nicht mehr sind. Es könnte für die
Winzer der Rùfina eine Chance sein, aus den Fehlern ihrer Classico-Kollegen zu lernen und die Rùfina-Weine nicht aus Eitelkeit und kommerziellen Gründen unkenntlich zu machen. Ob sie es tun, ist allerdings mehr als fraglich
Enrico Lippi (Frascole): „Die Rùfina ist geprägt von der Präsenz der
Frescobaldi. Das ist sicher ein Vorteil, aber auch ein Nachteil. Ich stelle fest, dass eigentlich keiner von uns in den Namen Rùfina investiert, wir rücken vielmehr alle unsere eigenen Namen in den Vordergrund. Es herrscht ungezügelte Individualität, eine Suche nach der
Typizität fehlt. Dabei hätten wir mit unserem besonderen
Mesoklima wirklich eine verbindende Gemeinsamkeit."
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Elisa & Enrico Lippi produzieren jährlich etwa 50.000 Flaschen
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Weshalb Chianti und nicht einfach nur „Rùfina"?
Der
Wein der Rùfina nennt sich
Chianti. Das tut er offiziell seit den 30er- Jahren, als die
halbe Toskana ihre
Rotweine nach dem kleinen Waldgebiet im Norden Sienas benannte. Aber außer den
Traubensorten - zur Hauptsache
Sangiovese - war den Weinen nie vieles gemeinsam. Das Pech der Rùfina war, dass hier vor 150 Jahren kein Mann des Formats eines
Biondi Santi lebte, der eigensinnig und weitsichtig genug war, um dem besonderen
Wein einen besonderen Namen zu geben. Der Name
Chianti macht den Rùfina beim breiten Publikum als toskanischen
Wein kenntlich. Allerdings bremst die Zusatzbezeichnung „Chianti" die
Entwicklung zu einem eigenständigen Image des „Rùfina".
Es ist der Konflikt zwischen kommerzieller Notwendigkeit und langfristigem Marketing. Der Verzicht auf das „Chianti" käme einem Sprung ins kalte
Wasser gleich, auf den vor allem die
Abfüller keinerlei Lust haben. Erfolgreiche Produzenten wie beispielsweise Frascole oder
Selvapiana hingegen wären sofort zu diesem Schritt bereit. Die Befürworter der bisherigen Situation geben zu bedenken, dass Umstellung und Promotion kostspielig wären. Es machen auch die
Weinmengen Angst, die zwar in Chianti-Rùfina-Weinbergen erzeugt, aber nicht als solche
abgefüllt, sondern zu
Chianti deklassiert werden. Was geschieht mit diesen überschüssigen Weinen, wenn die Rùfina sich vom
Chianti trennte? Sollen ein Preiszerfall und ein Absinken der Qualität des (
Chianti) Rùfina verhindert werden, muss nichtverkäuflicher oder qualitativ weniger interessanter
Wein deklassiert werden können.
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Vin-Santo-Trauben auf Travignoli
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Steht dafür als nächstuntere Stufe der einfache
Chianti zur Verfügung, müsste mit dem Austritt des Rùfina aus der Großfamilie
Chianti unbenötigter
Wein als
Toscano IGT auf den Markt gebracht werden. Damit wäre ein schmerzlicher Wertverlust verbunden. (Oktober 2007:
Chianti: EUR 1,35/Liter,
Toscano IGT Sangiovese: EUR 0,60/Liter.). Der Präsident des Konsortiums, Conte Giovanni Busi (Travignoli), ist nicht grundsätzlich gegen die Flucht nach vorne, glaubt aber, die Situation sei noch nicht
reif für den „Rùfina DOCG": „Wir sind eine kleine
Appellation und verfügen über sehr beschränkte Mittel, um uns bekannt zu machen. Rùfina kennt keiner, das Wörtchen
Chianti hingegen gibt dem Verbraucher einen Hinweis auf die
Herkunft." Solange die Preise des
Chianti Rùfina tief sind und nicht die ganze mögliche Menge unter diesem Namen
abgesetzt werden kann, wird die Zahl der Gegner des „Rùfina DOCG" größer sein als die der Befürworter.
Der Präsident des Konsortiums sieht als vordringlichste Aufgabe, die
Appellation bekannt zu machen. Wie das gehen solle, wollte ich von ihm wissen. Busi: „Unsere Kommunikation muss darin bestehen, dass wir die
Weinfreunde zu uns, mitten in unsere
Weinberge holen, nur dann vermögen sie die Besonderheiten unserer
Appellation zu verstehen. Außerhalb unseres Gebietes sind wir nur eine Nummer wie alle anderen."
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Giovanni Busi ist der Präsident des Rùfina-Konsortiums
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Und was er denn möchte, das über sein Gebiet geschrieben wird? „Es freut mich, wenn ich
lese, dass wir investiert haben, dass wir Unternehmer sind, dass wir an unser Territorium und unseren
Wein glauben. Es ärgert mich hingegen, wenn die
Weinpresse Weine aus unseren Reihen prämiert, die für die Rùfina untypisch sind." Da wird sich der adlige Presidente noch häufig ärgern müssen, denn ein typischer
Chianti Rùfina entspricht mit seinen Ecken und Kanten nicht gerade dem Idealwein einflussreicher Meinungsmacher.
Valentina Libri (
Cerreto Libri) meint, das Image der Rùfina müsse zuerst von altem Ballast befreit, leichter gemacht werden, die Rùfina leide immer noch an der Trägheit der Vergangenheit. Konkreter ist Enrico Lippi (Frascole): „Welchen Sinn hat es, unsere bescheidenen Mittel in die Kommunikation zu stecken, wenn unser Auftritt im Markt widersprüchlich ist? Wir müssen einen soliden Auftritt von Preis, Qualität und
Typizität anstreben. Was nützt es, wenn über unser Gebiet und unsere
Weine Nettes geschrieben wird, wenn der
Chianti Rùfina der Firma X für Euro 3,70 im Supermarkt angeboten wird?
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Valentina Baldini-Libri führt ihr Gut zusammen mit ihrem Mann auf biodynamische Weise
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Es ist sicher schön für Colognole,
Selvapiana, Frascole und so, wenn einige
Weinliebhaber uns kennen und unsere
Weine schätzen, aber es ist unbefriedigend, wenn wir als losgelöste Betriebe und nicht als Elemente einer
Appellation verstanden werden. Ich möchte stolz darauf sein, der
Appellation Rùfina anzugehören!"
Hier geht es zum ersten TeilHier geht es zum dritten TeilDer vorstehende Artikel wurde uns freundlicherweise von der Merum-Redaktion zur Verfügung gestellt. Vielen Dank hierfür. Wenn Sie ein Abo der Merum bestellen möchten, können Sie das hier tun:
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