Das Roussillon ist eines der reizvollsten und abwechslungsreichsten Gebiete Frankreichs und sein südlichstes Departement. Im Goldenen Zeitalter seiner Geschichte im 13. und 14. Jahrhundert war es Teil des Königreichs von Mallorca, das Jakob der Eroberer für seinen friedfertigen jüngsten Sohn aus den Balearen, dem Hochland der Cerdagne, dem Roussillon und Montpellier zusammengefügt hatte.
Das Roussillon besitzt eine Reihe von Vorzügen für den Weinbau, die schon griechischen Siedlern im 7. Jahrhundert v. Chr. ins Auge stachen und die heutigen Winzer immer besser zu nutzen verstehen. Im Süden von der Bergkette der Albères, den Ausläufern der Pyrenäen, und im Osten vom Mittelmeer begrenzt, scheint die Sonne über 2500 Stunden im Jahr und bringt die Trauben zu voller Reife. Der häufig blasende Nordwestwind Tramontane vertreibt viele Rebkrankheiten. Die Natur macht es den Winzern leicht, umweltschonend zu arbeiten, was zunehmend beherzigt wird.
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Ganz nah am Meer: Die steinigen Terassenweinberge
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Die
Weinberge, die insgesamt 35.000
Hektar bedecken, erstrecken sich von niedrigen steinigen
Terrassen in der Ebene immer höher hinauf bis auf etwa 600 Meter über dem Meer. Auf diese Weise bilden sie ein gigantisches Amphitheater, das von dem majestätischen
Gipfel des fast 3000 Meter hohen Canigou überragt wird. Dabei sind die Böden sehr unterschiedlicher Art, enthalten mehr oder weniger Ton und bestehen aus
Kies,
Kalkstein, Gneiß,
Granit oder Schiefer. Die Vielfalt der natürlichen Bedingungen hat sich in der Zuerkennung von insgesamt 14 verschiedenen Appellationen nieder geschlagen.
Eine bis aufs
Mittelalter zurückgehende Spezialität sind die
Vins Doux Naturels mit den Appellationen
Banyuls,
Banyuls Grand Cru,
Maury,
Rivesaltes,
Muscat de Rivesaltes und
Grand Roussillon. Ihr Rezept geht auf den berühmten Arzt und Alchemisten Arnau de Vilanova (1240-1311) zurück, der dem Templerorden angehörte und später Rektor der Universität von
Montpellier wurde. Von einem Kreuzzug hatte er aus dem Morgenland das Prinzip der
Destillation mitgebracht, mit dem er auf dem Templergut
Mas Déu bei Trouillas, südlich von Perpignan, experimentierte. Dabei entdeckte er das Geheimnis der "Mutage", des Stummmachens, der Unterbrechung der
Gärung durch Zusatz von Weingeist. Damit wurde nicht nur der
Wein stabilisiert - ein in der damaligen Zeit sehr geschätzter Effekt - , sondern in ihm blieb ein beachtlicher Anteil an
Traubenzucker erhalten, der
Vin Doux Naturel war geboren, zu einer Zeit als Süßes eine außerordentliche Rarität war. (Dieses Prinzip wird bei allen verstärkten Weinen wie
Sherry,
Port,
Marsala usw. angewandt, aber es liegt auch den
Aperitifs à base de vin wie
Byrrh, Dubonnet oder Saint-Raphael sowie u.a. dem
Pineau des Charentes oder dem
Floc de Gascogne zugrunde, bei denen man die
Gärung durch zeitige Zugabe von
Weingeist völlig unterbindet und damit eine sogenannte
Mistelle erhält.)
Die trockenen
Weine sind als
Côtes du Roussillon und
Côtes du Roussillon Villages anerkannt, wobei vier
Gemeinden das Recht haben, ihren Namen herauszustellen: Latour-de-France, Caramay, Tautavel und Lesquerdes. Als erstes
Terroir des
Côtes du Roussillon wurde Les Aspres zur eigenen
Appellation erhoben, während die trockenen
Weine der
Côte Vermeille, der Heimat der natursüßen
Banyuls, als
AOC Collioure klassiert wurden.
Die RebsortenDie traditionellen
Rebsorten im
Roussillon sind diejenigen, die sich für natursüße
Weine eigneten, nämlich
Grenache in den drei
Spielarten Blanc,
Gris und
Noir und die weißen
Macabeu und
Malvoisie sowie Muscat à Petits
Grains und Muscat d'Alexandrie. Hinzukamen für einfache trockene Rote zunächst der robuste
Carignan und in geringerem Umfang
Cinsault und der seltene
Lladoner Pelut, eine
Variante des
Grenache Noir. Für die 1977 erteilten Appellationen
Côtes du Roussillon und
Côtes du Roussillon Villages unternahmen die Weinbauern große Anstrengungen, den
Sortenspiegel für
trockene Weine zu verbessern, indem sie vor allem
Syrah,
Grenache Noir und in geringerem Umfang Mourvedre pflanzten. Vor allem die früh reifende
Syrah hat sich im
Roussillon weitgehend durchgesetzt und bestimmt inzwischen den Charakter der meisten
Rotweine, auch wenn sie nach den Spielregeln der
AOC immer mit zwei anderen Sorten
assembliert werden muss.
Die Absatzschwierigkeiten der
Vins Doux Naturels, die in
Frankreich bis in die 1980er Jahre den
Aperitif des kleinen Mannes darstellten, haben dazu geführt, dass viele
Erzeuger dazu übergegangen sind, aus den
Trauben der dafür verwandten alten Grenache- und in geringerem Umfang auch Carignanreben
Rotweine zu keltern. Dies gilt sowohl für die
Weinberge der Küste, denen der
Collioure seinen Aufschwung verdankt, als vor allem auch für die Rebparzellen im
Bereich des Maury. Dort hat sich die Anzahl der unabhängigen
Winzerbetriebe, die aus den Genossenschaften ausscherten, seit 2000 auf rund 150 vervierfacht und eine Anzahl von Investoren angezogen. Diese
Entwicklung hat zu dem beachtlichen Qualitätsaufschwung der Roussillonweine in den letzten Jahren erheblich beigetragen.
Für Weißweine stehen die traditionellen Sorten
Macabeu,
Grenache Blanc und
Gris zur Verfügung, die durch die Neueinführung von
Marsanne,
Vermentino und
Roussanne ergänzt wurden. Die in früheren Zeiten verbreitete
Malvoisie oder
Tourbat du
Roussillon hat trotz ihrer unleugbaren
Qualitäten wie hohe
Säure und komplexe
Aromatik noch keine wirkliche Renaissance erfahren. Dagegen haben einige begabte
Winzer in letzter Zeit vorgeführt, dass man aus alten Stöcken von
Grenache Blanc und
Gris sowie
Macabeu Weißweine von großer Finesse und bestechendem Charakter erzeugen kann.
Neben den AOC-Weinen werden im Roussillon Landweine erzeugt, die als Vin de Pays des Côtes Catalanes oder Vin de Pays d'Oc abgefüllt werden. Selten wird die dritte Möglichkeit, Vin de Pays des Pyreénées Orientales, genutzt. Insbesondere die Rebsorten Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah dienen für rote Landweine, während bei den weißen Chardonnay dominiert. Eine Sonderstellung kommt dem Muscat sec zu, der aus den Vin-Doux-Naturel-Sorten Muscat à Petits Grains und/oder Muscat d'Alexandrie besteht und mit seiner aromatischen Intensität sich vor allem als ein angenehmer, leichter Aperitif empfiehlt.