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Über die slowenische Grenze fahren wir das erste Mal zum Tanken, weil im Nachbarland das Benzin wesentlich günstiger ist. Dass dieses Angebot auch viele Italiener wahrnehmen, merken wir spätestens, als wir die langen Schlangen vor den Zapfsäulen sehen. Später schickt uns das Navi für rund 30 Kilometer durch eine sanfte, grüne Hügellandschaft und verschlafene, slowenische Dörfer, die ihren eigenen, etwas verstaubten Charme besitzen. Wir sind auf dem Weg ins Carso-Gebiet, das letzte Ziel unserer Reise.

Die kleine Appellation grenzt im Norden an den Collio und im Süden ans kroatische Istrien. Hier entstehen vorwiegend Weißweine aus den autochthonen weißen Sorten Vitovska und Malvasia Istriana sowie dem roten Terrano. Auch in diesem Teil der Region haben viele Winzer zusätzlich internationale Sorten wie Sauvignon, Chardonnay und Pinot Grigio im Sortiment.

In Prepotto in der Gemeinde Duino Aurisina (nicht zu verwechseln mit Prepotto in den Colli Orientali) besuchen wir Benjamin Zidarich.

 

Die Rebsorte Vitovska stammt ursprünglich aus Slowenien. (Quelle: Merum)

Der sympathische Winzer strahlt eine fast stoische Gelassenheit aus. Er lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen und schreckt vor harter Arbeit und langwierigen Aufgaben nicht zurück: Fast neun Jahre hat er an seinem neuen Felsenkeller gegraben. Fünf Etagen tief ist der in den grauen Karststein gehauen. So etwas hat man noch nicht gesehen! Verwinkelte, dunkle Korridore, in denen man sich verlieren kann. Kühl und feucht ist es dort unten, etwas gespenstisch wirken die schummrigen Gewölbe, wie einer unterirdischen Sagenwelt entsprungen. „Wir haben erst den Felsen abgetragen, dann abtransportiert und anschließend zu Steinen verarbeitet. Später wurden diese Steine für den Bau der Kellerei verwendet“, sagt er stolz. Ein Besuch bei Zidarich lohnt sich allein schon wegen dieser einmaligen Konstruktion.

Benjamin Zidarich: „Im Carso ist der Boden besonders wertvoll. Uns fehlt tiefgründiges, großflächiges Ackerland, schon nach einem halben Meter Erdschicht stößt man hier auf harten Felsengrund. Nur wenige Böden sind landwirtschaftlich nutzbar. Die Rebfläche ist daher sehr klein, die Erträge liegen durchschnittlich bei nur 5.000 Kilo Trauben pro Hektar.“

Die Weinberge im Carso werden sowohl von der Meeresbrise als auch von der Bora beeinflusst, dem trockenen, kalten Fallwind, der insbesondere in den Wintermonaten mit Geschwindigkeiten bis zu 200 Stundenkilometern über Triest und die adriatische Küste hinwegfegt. Zidarich: „Die Winde sind für uns auf der einen Seite von großem Vorteil, da wir dadurch weniger Rebkrankheiten haben und wenig Kupfer und Schwefel spritzen müssen. Auf der anderen Seite tragen sie unsere kostbaren Böden ab.“

Qualitätsweine gibt es hier noch nicht lange, erst seit rund 30 Jahren füllen die Winzer ab. Der bekannteste von ihnen, Edi Kante, erzeugt hingegen bereits seit Ende der 70er-Jahre Spitzenqualität.

Zidarich: „Wir bauen vor allem Vitovska an, die es nur im Carso gibt. Unsere Weine kommen frühestens nach zwei Jahren auf die Flasche.“ Wie seine Kollegen aus Oslavia vergärt auch er seine Weißen mit den Schalen, lässt sie allerdings nur etwa zwei Wochen mazerieren. Das kräftige Gelb seiner Vitovska ähnelt beinahe der Farbe herkömmlicher Weißweine. Nur die leichte Trübung zeigt den gänzlichen Verzicht auf Klärung und Filtration. Die Weine sind schlank und straff, sie besitzen eine ausgeprägte Frische und Aromen, die an Steinobst und Zitrusfrüchte erinnern, ihr feines Tannin und die lebhafte Säure sorgen für Leichtfüßigkeit und Nachdruck zugleich.

Sehnsucht nach Triest

Triest liegt mittendrin! Wie mittendrin, werden Sie sich fragen. Im Friaul? In Italien? Nein, mitten in Europa! Triest war der Schmelztiegel Mitteleuropas, hier trafen in der Vergangenheit die unterschiedlichsten Kulturen, Religionen und Bevölkerungsgruppen aufeinander, alle haben sie ihre Spuren hinterlassen. Seit 1382 war die Stadt Österreichs bedeutendster Handelshafen, erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie formell Italien zugesprochen.

Mit dem Eintritt Sloweniens 2004 in die Europäische Union fiel schließlich die letzte Grenze zwischen Ost und West und brachte Triest zurück in die Mitte Europas. Keine andere Stadt hat uns so fasziniert wie das multikulturelle Triest. Der einmalige Blick aus dem Hotelfenster auf die wunderschöne Piazza dell‘Unità d‘Italia ist ebenso unvergesslich wie die weltoffene Atmosphäre der Stadt, ihre imposante Architektur, ihre historischen Cafés, in denen sich schon James Joyce und Rainer Maria Rilke inspirieren ließen, oder das schneeweiße Schloss Miramare, das Erzherzog Ferdinand Maximilian von Österreich für sich und seine Frau Charlotte bauen ließ.

Ein Spaziergang am Hafen lässt Fernweh aufkommen: Nach Hong Kong, Tokio oder New York fahren die großen, vollbeladenen Containerschiffe. Abends füllen sich die groß angelegten Plätze der Innenstadt mit jungen Menschen, die sich auf einen Aperitif oder nur ein Schwätzchen treffen.

 

Triest ist eine lebendige% multikulturelle Hafenstadt. (Quelle: Merum)

Weniger wäre mehr

Als wir in Pordenone im Westen unsere Reise begannen, waren wir auf der Suche nach einem gemeinsamen Nenner, mit dem sich das Friaul begreifen und kommunizieren ließe... Spätestens im Collio, der berühmten Hügellandschaft an der Grenze Sloweniens, gaben wir unser hochgestecktes Ziel auf. Uns wurde klar, dass man die Region Friaul-Julisch-Venetien nicht als einheitliches Ganzes sehen und ihr schon gar nicht nur eine Identität zusprechen kann!

Das Friaul als Weingebiet ist nur schwer zu fassen, damit müssen wir uns  abfinden. Es gibt nicht eine Sorte oder einen Wein, der die Region charakterisiert, sondern unzählige. Die Winzer erzeugen sowohl Weine aus autochthonen Sorten, die im Ausland keiner kennt, als auch Weine, die international gefragt sind.

Aus der Ebene kommen schlankere Alltagsweine, aus den Hügelgebieten Charakterweine in Spitzenqualität. Das Friaul kann somit zwar mit seinem Weinangebot so gut wie jeden Weinliebhaber zufrieden stellen, aber es mangelt an einer klaren, greifbaren Identität. Hier können begeisternde Sauvignons, aber auch wunderbare Friulano entstehen. Die Malvasia Istriana gedeiht hier ebenso gut wie Merlot.

An der Rebsortenvielfalt kann man so schnell nichts ändern, obwohl Beispiele wie Schiopetto oder Edi Keber zeigen, dass es durchaus möglich ist, sich auf weniger Sorten zu konzentrieren und damit Erfolg zu haben. Natürlich erfordert das Zeit und reifliche Überlegung. Doch wenn die Winzer verstärkt auf den ausländischen Markt setzen wollen, bleibt ihnen auf Dauer nichts anderes übrig als ihr Sortiment zu reduzieren, selbst wenn dies vorübergehend zum Verlust einiger Kunden führt. Edi Keber ist dafür das beste Beispiel. Mit seinem einzigen Weißwein folgt er der Formel „Ein Territorium, ein Wein!“

Zu Teil I der Reportage: "Kleines Land der tausend Weine"

Zu Teil II der Reportage: "Die Grave: Soja, Mais und... Wein"

Zu Teil III der Reportage: "Ist Friulano die Zukunft?"

Zu Teil IV der Reportage: "Der Wein aus den Hügeln"

Zu Teil V der Reportage: "Ribolla Gialla boomt"

Alle Erzeuger aus dem Friaul im Weinführer

Zum Magazinartikel "Weiße Bodenschätze"

Zum "BEST OF Friaul weiß" (PDF-Dokument)

Dieser Beitrag wurde uns von der Merum-Redaktion zur Verfügung gestellt. Mehr über Merum, die Zeitschrift für Wein und Olivenöl aus Italien, erfahren Sie hier:
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