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Wir fahren ostwärts in Richtung Palmanova. Alles, was wir sehen, sind endlose Maisfelder, hin und wieder unterbrochen von Pappelhainen oder Sojapflanzungen. In den Grave sollen mehr als die Hälfte des friaulischen Weins entstehen. Aber wo sind die Weinberge? fragen wir uns. Plötzlich kommt uns ein Rebentraktor entgegen, irgendwo scheint es hier tatsächlich etwas Weinbau zu geben.

Die ersten Reben sehen wir bei Andrea Stocco in Bicinicco. „Bei uns im Süden der Appellation sind die Böden sehr fruchtbar und weniger steinig als im Norden. Die Weine, die hier entstehen, sind meist alkoholreicher und strukturierter als im nördlichen Teil des Anbaugebietes. Dafür sind sie weniger duftig als beispielsweise die Weine aus den Magredi“, sagt Stocco.

Die sogenannten Magredi liegen in der Provinz Pordenone zwischen den beiden Flüssen Meduna und Cellina und bestehen aus weiten steppenartigen Flächen und Kiesbänken. Dort treffen wir Albino Armani, der hier knapp 90 Hektar Weinberge besitzt. Mit Blick auf die nahegelegenen Karnischen Voralpen, die in dunkles, bedrohliches Grau getaucht sind, erklärt Armani uns die Besonderheiten dieser Gegend: „Ich liebe das Friaul, weil man in kurzer Zeit vom Meer aus die Berge erreicht. Dies führt allerdings auch zu diesem nervösen, unberechenbaren Klima, so wie heute. Die warme, feuchte Luft des Meeres trifft in den Magredi auf die Karnischen Voralpen, und das heißt: Hagel, Gewitter, Sturmböen. Für den Weinbau ist das nicht einfach, weil wir immer befürchten müssen, dass unsere Ernte von einem Hagelschauer zunichte gemacht wird.“

Die mageren Böden, die den Magredi ihren Namen geben, sind extrem skelettreich, und das Wasser versickert rasch. Das heißt, dass es insbesondere im Sommer Probleme geben kann. Weinbau ohne Bewässerung ist hier kaum möglich. Dafür speichern die Steine während des Tages die Sonnenwärme und geben sie nachts wieder an die Umgebung ab. Die Unterlagsreben müssen außerdem eine hohe Kalkresistenz haben. Albino Armani: „Hier wachsen elegante Weine, nie wuchtig und mit niedrigerem Alkoholgehalt als im Süden der Grave.“

 

In den Grave werden außer Wein noch zahlreiche weitere Nutzpflanzen angebaut. (Foto: Merum)

Die DOC Friuli Grave ist mit rund 7.500 Hektar Reben mit Abstand die größte Appellation und erzeugt über die Hälfte aller DOC-Weine des Friaul. 90 Prozent der Weinbaufläche liegen in der Ebene. Die Arbeiten in den Flachlagen sind fast vollständig mechanisiert, die Produktionskosten damit wesentlich niedriger als in den Hügellagen.

Der am meisten produzierte Wein der Grave ist der Pinot Grigio, gefolgt von Merlot, Cabernet Sauvignon und Chardonnay. Vom autochthonen weißen Friulano werden gerade mal zwei Millionen Liter erzeugt, die rote Rebsorte Refosco kommt auf 1,4 Millionen Liter. Die Appellation bringt vorwiegend Alltagsweine mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis hervor, die zu 50 Prozent ins Ausland gehen.

Wegen der starken Präsenz von Kellereigenossenschaften haftet der Appellation ein nicht besonders positives Image an. Berühmte Winzernamen, die dem Ansehen der Grave mehr Profil geben könnten, sind dagegen rar.

Viele Selbstvermarkter deklassieren aus diesem Grund ihre Weine zu IGT-Weinen, was dazu führt, dass die ursprüngliche Qualitätspyramide auf den Kopf gestellt wird. Andrea Stocco beispielsweise füllt außer seinem Friulano alle Weine als IGT Venezia Giulia ab: „Unter der Bezeichnung DOC Friuli Grave findet man die unterschiedlichsten Weine. Weine von hoher Qualität, aber auch viel Massenware von geringem Wert. Insbesondere die Kellereigenossenschaften haben dasAnsehen beschädigt. Das unterscheidet unsere Appellation vom Collio oderden Colli Orientali. Es ist ein Problem für uns, weil wir nicht mit Billigwein in eine Schublade gesteckt werden wollen.“

 

Die Weinbergsarbeiten sind überwiegend mechanisiert. (Foto: Merum)

Auch Massimo Di Lenardo äußert sich ähnlich wie Andrea Stocco: „Im Friaul stellen einige Ursprungsbezeichnungen keinen Mehrwert für den Weintrinker dar, das gilt besonders für die Appellationen in der Ebene. Daher verzichten viele Produzenten auf die Zertifizierung. Meine Kunden kaufen die Marke Di Lenardo und nicht die Appellation Friuli Grave.“

Albino Armani ist der DOC hingegen treu geblieben. Er weist jedoch auf ein weiteres Problem der Appellation hin: „Insbesondere auf dem englischsprachigen Markt haben die Weine aus der DOC Friuli Grave Probleme, denn das Wort 'Grave' bedeutet auf Englisch 'Grab'. Für den normalen Konsumenten, der einfach nur einen Pinot Grigio oder Merlot haben will und auf dem Etikett 'Grab' liest, ist das abschreckend. Viele meiner Kollegen in der DOC Friuli Grave deklassieren ihre DOC-Weine zu IGT, weil sie so im Ausland besser verkaufen können.“

Pietro Biscontin, Präsident des Konsortiums Friuli Grave: „Natürlich gibt es in der DOC Friuli Grave Winzer, die hauptsächlich IGT-Weine erzeugen, weil ihnen der Bezug zum Ursprungsgebiet nicht so wichtig ist. Die Mehrheit jedoch möchte ihre Herkunft unterstreichen und ist stolz darauf, die Ursprungsbezeichnung aufs Etikett zu schreiben. In den letzten Jahren ist die Sensibilität der Erzeuger diesbezüglich enorm gestiegen. Unser Konsortium hat es sich zum Ziel gemacht, immer mehr Winzer vom Gedanken einer gemeinsam Qualitätsphilosophie zu überzeugen.“

Prosecco – eine fragwürdige Hoffnung

Mit der Aufwertung der Anbauflächen von Prosecco IGT zu Prosecco DOC im Jahr 2009 bekam das Friaul 3.500 Hektar zugesprochen. Sie befinden sich vor allem in den Appellationen Grave und Aquileia. Die Kellerei Tenuta Ca’ Bolani (Zonin) ist mit einer Fläche von über 100 Hektar einer der größten Prosecco-Erzeuger.

Aber auch viele Traubenbauern reißen ihre Merlot-Reben aus und pflanzen Glera, da die Erträge und Verdienste wesentlich höher sind.

Diese Entwicklung ist unter den Winzern umstritten. Massimo Di Lenardo: „Der Prosecco hat den Weinanbau im Friaul bereits verändert, selbst wenn noch nicht alle neu gepflanzten Weinberge in voller Produktion stehen. Unser Weingut hat diesen Trend nicht mitgemacht, wir haben uns auf unsere Weine konzentriert. Natürlich beobachten auch wir den Markt und sehen, dass die Rotweine aus dem Friaul immer weniger nachgefragt werden. Aber an den Prosecco glaube ich nicht. Mit ihm machen sich die Friauler zu Lieferanten für die Prosecco-Abfüller im Veneto.”

 

Prosecco-Weinberg von Albino Armani. (Foto: Merum)

So wie er sieht das auch Paolo Petrussa aus Prepotto: „Der Prosecco-Boom ist eine große Seifenblase, die irgendwann platzen wird. Das ist keine Zukunftsstrategie für das Friaul, nur schneller Gewinn, der in keiner Weise nachhaltig ist.“

Albino Armani sieht die Entwicklung hingegen recht pragmatisch: „Bis vor sechs, sieben Jahren, konnten die Traubenbauern in den Grave noch vom Pinot Grigio leben, heute brauchen sie zusätzlich den Prosecco. Mit ihm verdienen sie doppelt soviel wie beispielsweise mit Merlot. Ich persönlich finde es zwar schade, dass die Glera nun auch hier in großem Stil angebaut wird, aber ich kann es keinem verübeln. Wer seine Familie ernähren muss, der kann es sich heutzutage leider nicht immer aussuchen, was er anbaut. Zudem ermöglicht der Prosecco es auch, die autochthonen Rebsorten überhaupt am Leben zu halten.“

Auch Investoren haben den Prosecco als Möglichkeit entdeckt, schnellen Gewinn zu machen. Dario Ermacora: „Viele kommen gar nicht aus der Landwirtschaft, haben aber mit Aussicht auf hohe Renditen Land gekauft und Glera gepflanzt. Sie mechanisieren alle Arbeiten und verkaufen dann die Trauben. So verdienen sie rund 10.000 Euro pro Hektar. Bei einer Gesamtfläche von beispielsweise 30 Hektar kommt da eine schöne Summe zusammen. So eine Unternehmung läuft dann vielleicht zehn Jahre, solange die Mode eben anhält.“

Zu Teil I der Reportage: "Kleines Land der tausend Weine"

Zu Teil III der Reportage: "Ist Friulano die Zukunft?"

Zu Teil IV der Reportage: "Der Wein aus den Hügeln"

Zu Teil V der Reportage: "Ribolla Gialla boomt"

Zu Teil VI der Reportage: "Karge Küstenlandschaft"

Alle Erzeuger aus dem Friaul im Weinführer

Zum Magazinartikel "Weiße Bodenschätze"

Zum "BEST OF Friaul weiß" (PDF-Dokument)

Dieser Beitrag wurde uns von der Merum-Redaktion zur Verfügung gestellt. Mehr über Merum, die Zeitschrift für Wein und Olivenöl aus Italien, erfahren Sie hier:
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