wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

Eine Woche ist kurz! Viel zu kurz eigentlich für eine Region, die uns mit so vielfältigen kulturellen, sprachlichen und kulinarischen Eindrücken überrascht, obwohl sie zu den fünf kleinsten Italiens gehört.

Wer erwartet in Italien schon Gulasch, Palatschinken oder Slivowitz? Das Vermächtnis der unterschiedlichen Völkergruppen macht eine kulinarische Reise gleichzeitig zur kleinen Geschichtsstunde. Sehnsüchtig denken wir an das Mittagessen in der Lokanda Devetak in San Michele del Carso zurück, deren feine slawisch-österreiche Küche uns ebenso begeistert hat wie die vorzügliche Kalbshaxe im Restaurant La Subida in Cormòns.

Die Küche der Region ist so vielfältig wie ihre Mentalitäten. Als Grenzgebiet unterlag das Land im Laufe der Jahrhunderte dem Einfluss wechselnder Mächte, wurde von den verschiedensten Völkern erobert und besiedelt. Das hat das Wesen der Menschen stark geprägt. Als konservativ, ängstlich und verschlossen werden sie beschrieben. Und tatsächlich sind die Friauler bei der ersten Begegnung nicht besonders herzlich. Nirgends wurden wir, wie andernorts in Italien üblich, überschwänglich begrüßt und willkommen geheißen. Zurückhaltend und skeptisch waren die meisten Winzer anfangs und tauten erst während des Gesprächs allmählich auf. „Die Menschen hier hassen Veränderungen!“, sagt Winzer Adriano Gigante. Vielleicht hängen sie deswegen so an ihren Traditionen, halten an Altem fest und sind scheu gegenüber Fremden.

Auch Sprachen und Bräuche wechseln innerhalb von wenigen Kilometern. Während der Einfluss des Venetischen in der Provinz Pordenone noch stark zu spüren ist, sprechen die Udinesi tiefstes Friaulisch, und Slowenisch hört man umso häufiger, je weiter man nach Osten kommt.

Dass sich nicht alle in der Region als Friauler sehen, erfahren wir auch erst vor Ort. „Die Bewohner der Provinz Pordenone gehören eigentlich mehr zum Veneto, und die aus Gorizia und Triest sind auch keine Friauler“, erzählt Damiano Meroi lachend. Tatsächlich kommt den Flüssen, welche die Region in nordsüdlicher Richtung zerschneiden, die Bedeutung natürlicher Grenzen zu. Egal ob Tagliamento, Isonzo oder Judrio: Ein jeder trennte in der Vergangenheit ganze Völkergruppen und stellt auch heute noch eine kulturelle Barriere dar.

Es gibt hier viel zu entdecken! Der Reisende erfährt, dass das Friaul nicht nur Pinot Grigio ist, auch wenn man das im Ausland so sieht, dass Prosecco mittlerweile zu einer wichtigen Einnahmequelle für die Winzer in der Ebene geworden ist, dass der Friulano von der Region zwar stark gefördert wird, die Produzenten ihn aber trotzdem roden. Dass dafür die Ribolla Gialla gerade hoch im Kurs steht und überall gepflanzt wird, nachdem sie vor Jahren beinahe zu verschwinden drohte. Im Friaul ist momentan einiges in Bewegung. Gerade bei den Weißweinen gibt es Veränderungen, die das zukünftige Bild der Region prägen werden. Unser Bericht beschäftigt sich mit den aktuellen Entwicklungen.

 

(Quelle: Merum)

International und autochthon

Trotz der Vielfalt seiner Rebsorten ist das Friaul im Ausland vor allem für Pinot Grigio bekannt, der mit knapp 4.500 Hektar (DOC/IGT) ein gutes Viertel der gesamten Anbaufläche einnimmt. Viele Winzer verbinden mit ihm jedoch eine Hassliebe. Einerseits brauchen sie ihn, insbesondere diejenigen, die einen hohen Exportanteil haben. Anderseits sind sie es leid, auf diese Sorte reduziert zu werden, hängt ihr Herzblut doch eigentlich mehr an Weinen wie dem Friulano, der Ribolla Gialla oder dem roten Refosco.

So antworten auf die Frage, welcher Wein für sie der wichtigste ist, viele Winzer mit der Gegenfrage: „Mengenmäßig oder persönlich?“ In wenigen Regionen Italiens haben der Wein, von dem die Erzeuger am meisten absetzen, und derjenige, den sie selbst am liebsten trinken, so wenig gemeinsam wie hier.

In welchem Maß ein Winzer internationalen oder autochthonen Sorten den Vorzug gibt, wird meist von der wirtschaftlichen Situation des Einzelnen bestimmt. Je größer das Weingut, desto größer auch der Druck, entsprechende Mengen zu verkaufen. Und eines ist sicher: Von den wenig bekannten Refosco und Friulano lassen sich nicht Millionen von Flaschen absetzen.

Andrea Stocco aus Bicinicco im Süden der Appellation Grave erklärt: „In den 60er-Jahren haben die Winzer im Friaul begonnen, auf die internationalen Sortenweine zu setzen. Damals gab es noch keinen Wein aus Argentinien, Chile, Südafrika oder Australien in Europa und daher auch keine große Preiskonkurrenz. Erst in den 80er- und 90er-Jahren begannen die Absatzprobleme von Merlot und Cabernet. Wir haben zu spät gemerkt, dass wir uns stärker für die autochthonen Rebsorten hätten einsetzen müssen. Die internationalen Sorten sind hier so stark etabliert, dass es schwierig wird, etwas daran zu ändern.“

Der Friauler Pinot Grigio hingegen muss sich zusätzlich noch mit dem des benachbarten Veneto und dem des Trentino messen. Beide kommen in den meisten Fällen günstiger auf den Markt, da sie in größeren Mengen produziert werden. Trotz allem steht Pinot Grigio noch relativ gut da, die Nachfrage in Deutschland und den USA scheint ungebrochen. Egal in welcher Appellation wir mit den Winzern gesprochen haben: Ein Großteil kann und will nicht auf den Pinot Grigio verzichten, da er oft die Eintrittskarte zu einem neuen Importeur darstellt.

Paolo Petrussa aus Prepotto (Colli Orientali) ist einer der wenigen, die keinen Pinot Grigio erzeugen, versteht aber Kollegen, die nicht auf ihn verzichten wollen. Er begründet diese Entwicklung mit sozio-kulturellen Aspekten: „Das Friaul war und ist noch immer eine arme Region, in der es nur wenig Industrie gibt. Die Menschen mussten hier immer um ihr Überleben kämpfen. Sie haben einfach das angebaut, was sich am besten verkaufen ließ und die höchsten Erträge versprach: So ist etwa Merlot viel pflegeleichter als beispielsweise Schioppettino, Prosecco gibt höhere Hektarerträge als Friulano... Nach und nach sind darum die autochthonen Sorten immer mehr zurückgegangen.“

Das sieht auch Adriano Gigante (Colli Orientali) so und ergänzt: „Viele der heimischen Rebsorten waren außerdem sehr unzugänglich – ich denke da besonders an den roten Pignolo – deshalb wurden sie durch die gefälligeren internationalen ersetzt. Erst mit der Einführung von Vinifikationsmethoden, die für unsere Sorten besser geeignet sind, hat sich das wieder geändert.“

Der Trentiner Albino Armani hat vor rund zehn Jahren ein Weingut in der Appellation Grave gekauft. Er sagt pragmatisch: „Ich bin zwar grundsätzlich der Meinung, dass die Winzer und Traubenbauern den autochthonen Rebsorten ihrer Heimat treu bleiben sollten. Aber hätte man im Anbaugebiet Grave ausschließlich auf hier ansässige Sorten gesetzt, wäre der Weinbau höchstwahrscheinlich verkümmert.“

Zu Teil II der Reportage: "Die Grave: Soja, Mais und... Wein"

Zu Teil III der Reportage: "Ist Friulano die Zukunft?"

Zu Teil IV der Reportage: "Der Wein aus den Hügeln"

Zu Teil V der Reportage: "Ribolla Gialla boomt"

Zu Teil VI der Reportage: "Karge Küstenlandschaft"

Alle Erzeuger aus dem Friaul im Weinführer

Zum Magazinartikel "Weiße Bodenschätze"

Zum "BEST OF Friaul weiß" (PDF-Dokument)

Dieser Beitrag wurde uns von der Merum-Redaktion zur Verfügung gestellt. Mehr über Merum, die Zeitschrift für Wein und Olivenöl aus Italien, erfahren Sie hier:
Zur Merum-Homepage
Kostenloses Merum-Probeheft bestellen

Mehr verwandte Stories

Alle anzeigen
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER