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"Ist Wein ein beliebiges Produkt, das man einfach den herkömmlichen Marktmechanismen überlassen sollte? Oder ist er ein vielfältiges Kulturgut, das sich in seiner Komplexität zu profanen Bewertungen entzieht?" Aus dieser - rhetorisch zugespitzten - Frage entwickelt der Berliner Autor Rainer Balcerowiak, Politikredakteur und Weinkolumnist der linken Tageszeitung "Junge Welt", einen vergnüglichen, intelligenten Essay über echte Weinkultur, Herdentrieb, Borniertheit und Globalisierung.

Sein Buch ist nicht der x-te Ratgeber mit schon x-mal gelesenen Tipps, sondern ein Plädoyer für eine in jeder Hinsicht vorurteilslose Weinkultur in 21 Kapiteln. In lässigem Ton, manchmal schön schnoddrig, gelegentlich fein ironisch, entwickelt er eine persönliche, pointierte und (selbst-)kritische Sicht auf den Wein und seine Akteure: Produzenten, Verbände, Händler, Werbe- und Marketingexperten sowie Journalisten.

Es gibt sie, die guten und bezahlbaren Weine
Die Idee einer demokratischen Weinkultur bedeutet für ihn vor allem "Entelitasierung des Weingenusses". So verläuft seine Skala zur Einordnung von Weinen nicht in abstrakten Punkten, sondern einfach und stufenlos zwischen "großartig" und "grauenhaft". Für ihn besteht die Weinwelt eben nicht aus den besten und besternten Flaschen, sondern vor allem in guten, ehrlichen und klar strukturierten Weinen mit hohem Genussfaktor: "Ich habe mir meine Genusskompetenz jedenfalls hart erarbeitet und kann sie keinesfalls mit dem Scheckbuch ausleben." Beispiele seines ganz persönlichen Trinkvergnügens für meist wenig bis sehr wenig Geld liefert er stets mit. Das ist Balcerowiaks Thema, und es zieht sich durch das Werk hindurch: Es gibt sie, die wirklich guten, für alle bezahlbaren Weine, die aus vielfältigen Gründen nur wenig bis keine Erwähnung in den Medien finden.

"Mein Plädoyer für eine demokratische Weinkultur bezieht sich aber nicht nur auf die Einbeziehung materiell ärmerer Menschen", schreibt er, "auch in Kreisen von Normal- und Besserverdienenden stößt man in Sachen Wein auf jede Menge Dummheit, Borniertheit und Ignoranz. Man setzt sich nicht mit dem Wein auseinander, sondern kauft seinen Keller anhand von Empfehlungen. Gerne lädt man Nachbarn und Freunde ein, um seine Errungenschaften zu präsentieren. (…) Wer einmal erlebt hat, wie ein betuchter 'Connaisseur' einen leider schwer korkkranken 2ème Cru der 80-Euro-Liga auch nach Schnüffeln und Schlürfen in den höchsten Tönen lobt, weiß, wovon ich rede." Rainer Balcerowiak setzt sich mit den teils irrwitzigen Marktmechanismen auseinander, denen Winzer als Teil des Systems unterliegen und es zugleich befördern - sowie andererseits starrsinnigen Öko-Konsumenten, denen partout nicht beizubringen ist, dass bio nicht zwangsläufig besser schmeckt.

Verbesserte Chancen bei der Blindverkostung
Im Kapitel "Wir sind die Guten" wagt er zudem den "Versuch einer Nestbeschmutzung": "Selbst ich habe - mit meinen Weinbeilagen und Kolumnen bei der Jungen Welt wahrlich keiner der großen Meinungsmacher - nicht nur einmal unverblümte Anfragen bekommen, wie denn beispielsweise die Chancen eines Weines bei einer Themen-Blindverkostung 'verbessert' werden könnten. Oder was man denn tun könne, damit ein bestimmter Wein positiv im meiner Kolumne besprochen wird. Viele Kollegen können Ähnliches berichten. Und bei manchen 'Weinbesprechungen' stellt sich mir die Frage, ob da nachgeholfen wurde, oder ob die Autoren einfach nur an einer besonders schweren Form von Geschmacksverwirrung leiden."

Weiter beschäftigt er sich mit Bildung, dem Recht auf Rausch, der Nazi-Vergangenheit deutscher Winzergenossenschaften, dem Wein aus dem Norden der Republik sowie Flöten und Fatwas. Doch immer kehrt er zurück. Zu den echten, ehrlichen Weinen. Ohne Höchstpunktzahlen, Medaillen, Broschüren, Jubel auf Befehl und optimierte Vermarktung. Sie sind die "Helden des Alltags". Wer suchet - der findet. Gut, dass das endlich mal jemand aufgeschrieben hat.

Rainer Balcerowiak
Das demokratische Weinbuch
Mondo Heidelberg
14,95 €
ISBN: 393883918X

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