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Die Leistungen deutscher Spitzenproduzenten werden in Parkers Verbraucher-Kompendium in gnadenloser Unkenntnis diffamiert

"Ich habe mein Bestes gegeben, einen unparteiischen und umfassenden Ratgeber für den Verbraucher zu erstellen." (Parker zu seinem Buch)

In dem als Lehrbuch und Ratgeber für den Verbraucher gedachten Weinguide glänzt der einflussreichste Weinkritiker der Welt Robert M. Parker jr. im Kapitel zu Deutschland mit geradezu unglaublichen journalistischen Fehlleistungen. Vollmundig erklärt Parker noch in der Einführung: "...Daher gibt dieses Kompendium Ihnen genügend Insider-Informationen zur Hand, die es Ihnen ermöglichen beim Weineinkauf die klügste Wahl zu treffen. Die besten und bekanntesten Produzenten und Winzer werden ebenso beurteilt, wie die meisten gegenwärtig auf dem Markt angebotenen oder kurz vor der Freigabe stehenden Weine...".

In der Einführung verspricht Parker seinen Lesern die bedeutendsten Weinbaugebiete der Welt zu behandeln. Glaubt man Parker, gehört Deutschland zu den nachrangigen Weinbaugebieten dieser Erde. Begründet wird dies wie folgt: "...Die in den Weinhandlungen (Anmerkung: In Welchen ?) am häufigsten repräsentierten Weinregionen werden weit detaillierter besprochen, als die nachrangigen Gebiete, deren Weine selten in die Vereinigten Staaten exportiert werden und dort seltener zu sehen sind...". Diese Logik ist in sich völlig schlüssig. Man stelle sich bitte vor: Ein Kunstkritiker besucht ausschließlich Ausstellungen und Museen, in denen der Besucher garantiert keinen Picasso, Kandinsky oder Van Gogh zu sehen bekommt. Der Kritiker schließt daraus, dass die Herren Picasso & Co. als Künstler völlig bedeutungslos waren, toll!!! In den Olymp der Nationen, welche die größten Weine der Welt hervorbringen, gehört Deutschland nach Parkers Meinung definitiv nicht.

"Wenn Weinkritik jemals als ernst zu nehmender Beruf angesehen werden soll, muss sie als Vollzeitberuf begriffen werden und darf kein Tummelplatz für Teilzeitbeschäftigte werden, die dilettantisch in einem so komplexen Bereich, der so viel zeitlichen Aufwand erfordert, herumzupfuschen" (Parker über die Rolle des Weinkritikers). Aber wo wir schon mal bei dem Thema Pfusch und Dilettantismus sind, hier einige der brillantesten Zitate aus dem Kapitel über Deutschlands Weine.

Zu den deutschen Weintypen stellt Parker fest.: "...Trockene Weine tendieren dazu langweilig und dünn zu sein. Sie haben wenig Körper, und kaum Duft- und Geschmacksnoten. Halbtrockene Weine schmecken ebenfalls trocken, dürfen aber etwas mehr Restzucker aufweisen und sind ein klein wenig interessanter. Ich empfehle beide nur selten. Es sind kommerzielle Produkte, die von der wachsenden Vorliebe für "trockene" Weine profitieren...".

Und weiter erfährt man von dem Weinguru: "...Man produziert in Deutschland auch Schaumweine, die als Deutscher Sekt bezeichnet werden, doch die sollten Masochisten vorbehalten bleiben, weil sie ziemlich schauderhafte Machwerke aus übermäßig geschwefelten Weinen sind...".

In einem weiteren Rundumschlag ist zu lesen: "...Wenn auf dem Etikett nicht Riesling steht, gehört der Inhalt wahrscheinlich nicht zu den besten Weinen...".

Bemerkenswert ist auch die Feststellung: "...Silvaner bringt nur selten Interessantes hervor. Die meisten Silvaner haben entweder einen unangenehmen vegetabilen Beigeschmack oder sind fade und flach...".
 

Die Krönung aber ist ohne Frage Parkers Standpunkt zu den Spätburgundern aus Deutschland. Die enormen Anstrengungen und Fortschritte deutscher Winzer der letzten Jahre auf diesem Gebiet werden komplett ignoriert und so verkündet der Autor: "...Die deutsche Pinot Noir Traube bringt leider oft einen grotesken und ziemlich scheußlichen Wein hervor, der ungefähr so schmeckt wie ein misslungener, süßer, müder und verdünnter roter Burgunder von einem inkompetenten Winzer...".

Der geneigte Leser wird hier mit Feststellungen konfrontiert, die in keiner Weise relativiert werden. Ganz offensichtlich bezieht Parker seine Informationen nicht aus erster Hand. Die Aktualität der Angaben lässt im übrigen sehr zu wünschen übrig. Offensichtlich stammen Parkers Erkenntnisse aus der Zeit, als Honecker seine "volkseigenen" Weinberge noch von seinem Freund Mielke mit Stacheldraht & Kalaschnikow bewachen ließ. Parker bemüht sich nicht mal ansatzweise, sich mit der Materie gründlich auseinander zusetzen.

Da werden munter Weingüter empfohlen, die schon vor Jahren die Produktion eingestellt haben (Schloss Groenesteyn, Geh. Rat Aschrott Erben) oder deren Eigentumsverhältnisse sich längst geändert, oder so nie existiert haben (Wegeler-Deinhard, König Victoria Berg - Deinhard etc.). Peinlich, wenn selbst Namen weltberühmter Weingüter entstellt werden. Schloss Johannisberg heißt neuerdings Schloss Johannishoff (mit Doppel-Eff, wie Effenberg) Hier scheint sich der Herr Kritiker (im Suff ???) mit dem Spätlesereiter ein wenig vergaloppiert zu haben. Einige Güter werden gleich doppelt aufgeführt. Das Weingut von Hövel taucht einmal als ***Produzent an der Saar auf, dann noch mal als **Produzent an der Mosel. VDP-Präsident Prinz Salm und Moselwinzer Raimund Prüm dürfen sich freuen, laut Parker dürfen die beiden glücklichen Winzer nun zwei Weingüter ihr Eigen nennen (Weingut Salm & Weingut Prinz zu Salm sowie Weingut S.A. Prüm & S.A. Prüm Erben).
 

Ranking-Listen von Weinproduzenten lieferten schon immer hinreichend Stoff für emotionale Ausbrüche und heftige Diskussionen. Bei Parker erübrigt sich jede Diskussion. Für die Erstellung des Produzenten-Ranking scheint Parker einen Würfelbecher zu benutzen. Viele der tatsächlichen führenden Topgüter werden in Parkers Hitliste gar nicht erst erwähnt. Aus Parkers Bewertung muss der Leser schließen, dass die Renommiergüter Weil, Breuer, Kessler, Kühn, Schönleber, Keller, Meyer-Näkel, Cossmann-Hehle, Johner, Huber, Bercher, Schneider, Salway, Laible, Haart, Molitor, Heymann-Löwenstein, Knebel, Sankt Urbanshof, Chistmann, Mosbacher, Rebholz, Knipser, Fürst, Sauer und viele mehr das Weinmachen allesamt verlernt haben. Dafür präsentiert der Mann dem Weintrinker reihenweise abgehalfterte Viertligisten und solide Fassweinproduzenten als Top-Empfehlungen. Immerhin: Eine Handvoll alter Riesling-Klassiker wie Müller-Scharzhof, Prüm, Haag, Schubert, Dönnhoff, und Müller-Catoir sind intuitiv richtig zugeordnet. Aber aktuelle Neuentdeckungen und junge Winzertalente: Fehlanzeige. Wie war das noch mit Pfusch, Stümperei und Dilettantismus?

Parkers dezidierte Antipathie gegenüber Deutschland als Weinbaunation, manifestiert sich nicht nur in der sträflichen Unkenntnis grundlegender Fakten und der Ignoranz gegenüber aktuellen Entwicklungen, sondern auch in dem Umfang, welcher dem Kapitel über deutsche Weine zugestanden wird. Werden beispielsweise französische Topgüter ausgiebigst mit verschiedenen Weinen aus diversen Jahrgängen in akribischster Manier beschrieben, äußert sich der Autor mit keiner Silbe über irgendeinen deutschen Spitzenwein der letzten Jahre. Geschweige denn, dass auch nur ein einziges deutsches Spitzengut ausführlicher beschrieben oder ernsthaft empfohlen würde.

Allein der Umfang (gemessen in Seitenzahl) der dem Kapitel Deutschland im Vergleich zu anderen Weinbauregionen in Parkers Weinbibel eingeräumt wird, ist bezeichnend für Parkers Nullbockaufgermanyhaltung. Würde man beispielsweise die Größe der beschriebenen Anbaugebiete (gemessen in ha) in Relation zu dem jeweiligen Textumfang stellen, ergibt sich ein völlig verzerrtes Bild der Weinwelt. So wird das Bordelais mit über 300 Seiten abgehandelt, die Bourgogne mit etwa 270 Seiten, die Rhone mit 250 Seiten und selbst das Elsass ist mit ca. 100 Seiten recht gut vertreten. Für die "nachrangige Weinbauregion" Deutschland müssen in Parkers Weinbibel ganze 11 Seiten ausreichen!!! (Die Anbaufläche Deutschlands entspricht mit ca. 100.000 ha in etwa der Rebfläche von Bordeaux).

Dem unkundigem Leser drängt sich bei der Lektüre der Eindruck auf, dass deutsche Winzer mehr oder weniger nur imstande sind, fehlerhafte, dünne, säuerliche und altmodische Weine zu produzieren. Die Art und Weise der Darstellung ist nicht nur sachlich fragwürdig, sondern bedient überholte Klischees. Zwar äußert sich Parker berechtigterweise kritisch zu einigen Fehlentwicklungen der deutschen Weinwirtschaft und Unzulänglichkeiten der deutschen Weingesetzgebung und fordert überdies "...eine längst überfällige Kampagne zur Förderung der wirklich hervorragenden Güter...". Eine differenzierte Darstellung der aktuellen Entwicklung der deutschen Weinszene ist allerdings nicht erkennbar. Fatalerweise bestärkt Parker somit gewollt oder ungewollt jene Stimmen im In- und Ausland, die immer noch behaupten, Deutschland sei als Produzent von Spitzenweinen ohnehin nicht ernst zu nehmen. Es ist davon auszugehen, dass Parkers Weinbibel weltweit möglicherweise Verkaufszahlen in Millionenhöhe erreicht. Insofern ist Parkers Darstellung von Deutschland als Weinbaunation kein innerdeutsches Problem und muss als überaus problematisch gesehen werden. Dem Image deutscher Weine gerade im Ausland wird durch die Art und Weise der Darstellungen mit Sicherheit kein Gefallen erwiesen.

Es ist daher an der Zeit, Herrn Parker dazu zu bewegen, seine unsachlichen und fehlerhaften Ansichten öffentlich zu korrigieren. Die Forderung verärgerter deutsche Winzer, Parkers Weinbibel per Gerichtsbeschluss aus dem Verkehr ziehen zu lassen, ist mehr als berechtigt.

Anderer Beitrag zum gleichen Thema:

Rezension zum gleichen Buch von Mario Scheuermann

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