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Am 1. Juli 2021 treten in der Europäischen Union neue Regeln für die Umsatzsteuer in Kraft. Die Reform betrifft auch Winzer und Weinhändler. wein.plus erklärt, was sich für sie ändert.

Mit der lange angekündigten Reform will die EU-Kommission den grenzüberschreitenden (Online)-Handel von EU-Unternehmen mit Privatkunden (B2C) erleichtern. Denn derzeit ist die Lage etwa für Händler und Winzer ziemlich kompliziert: Ein Unternehmen mit Sitz etwa in Deutschland, das Waren online oder per Katalog an Privatkunden mit Sitz in einem anderen EU-Land verkauft und liefert, muss darauf grundsätzlich die Umsatzsteuer des Bestimmungslandes erheben, in diesem erklären und bezahlen. Das gilt auch für Wein. Ein Winzer oder Weinhändler mit Privatkunden im EU-Ausland muss die Umsatzsteuer also mit womöglich bis zu 26 verschiedenen Finanzämtern in mehreren Sprachen abrechnen. Der damit verbundene Zusatzaufwand ist erheblich – laut EU-Kommission entstehen damit Kosten pro Jahr von durchschnittlich 8.000 Euro je Land. Klar: Das hat bislang viele Shops und Weingüter vom grenzüberschreitenden Endkunden-Handel abgehalten.

Dies soll sich bald ändern: Ab 1. Juli 2021 kann die Umsatzsteuer für solche Lieferungen bei einer einzigen Anlaufstelle im eigenen Land abgerechnet werden, dem sogenannten „One Stop Shop” (OSS). Das Verfahren wird bereits seit 2015 als „Mini One Stop Shop” (MOSS) für bestimmte, auch digitale Dienstleistungen genutzt und soll gut funktionieren. Nun wird es auch auf „innergemeinschaftliche Fernverkäufe von Gegenständen“ ausgeweitet.

Pflicht zur Rechnungsausstellung bei B2C-Lieferungen entfällt

Konkret meldet sich ein Unternehmen einmalig beim OSS an und rechnet darüber die Umsatzsteuer für alle anderen EU-Länder vierteljährlich digital ab. Der OSS leitet die Steuererklärungen und -zahlungen dann an die jeweiligen EU-Staaten weiter. Zudem entfällt für B2C-Lieferungen die Pflicht zur Rechnungsausstellung. Das sind in der Tat deutliche Erleichterungen.

Die Nutzung des OSS ist freiwillig. Wer also nur an Privatkunden in einem einzigen anderen EU-Land liefert und dort bereits für die Umsatzsteuer registriert ist, muss nicht umsteigen. Wer hingegen wechselt, muss sämtliche B2C-Umsätze im EU-Ausland über den OSS abrechnen. Nun gilt entweder - oder: Man kann die Umsatzsteuer nicht in einigen EU-Ländern selbst und für andere über den OSS abrechnen oder zwischen Fernverkäufen und Dienstleistungen unterscheiden.

Registrierung für OSS mit Elster-Zertifikat

In Deutschland ist das Bundeszentralamt für Steuern für den OSS zuständig. Unternehmen können sich auf dessen Online-Portal ab dem 1. April 2021 mit ihrem „Elster-Zertifikat” registrieren, weitere Informationen dazu sollen rechtzeitig verfügbar sein. Bis dahin schaffen die – allerdings nichts rechtsverbindlichen – Erläuterungen der EU-Kommission etwas Klarheit. Einige der dort beschriebenen Beispiele lassen sich auf Winzer und Weinhändler anwenden:

Beispiel 1: Der Winzer / Weinhändler verkauft Weine – auch über seinen eigenen Onlineshop – an Privatkunden im EU-Ausland. Liegen seine gesamten Umsätze mit Privatkunden im EU-Ausland unter dem neuen, EU-weiten Schwellenwert von 10.000 Euro, kann er die deutsche Umsatzsteuer erheben und in Deutschland abrechnen. Die bisherige Versandhandelsschwelle je Land wird zum 30. Juni 2021 abgeschafft. Liegen diese Umsätze aber über dieser Summe, muss er die Mehrwertsteuer zum Satz des jeweiligen Bestimmungslandes erheben und in jedem dieser Länder abrechnen – oder einmalig über den OSS. In jedem Fall sind die Aufzeichnungen über diese Verkäufe / Lieferungen zu Kontrollzwecken zehn Jahre lang aufzubewahren.

Beispiel 2: Der Winzer / Weinhändler verkauft Weine an Privatkunden im EU-Ausland über ein Online-Portal, eine Plattform oder einen digitalen Marktplatz. Sie unterstützen sie beispielsweise über bereitgestellte Formulare beim Bestellen und Bezahlen. Solange der Winzer / Weinhändler die Weine selbst an den Privatkunden liefert (B2C), bleibt er für die Umsatzsteuer verantwortlich. Er muss also erstens darauf achten, dass das Portal oder die Plattform die Umsatzsteuer zum richtigen Satz angibt und erhebt. Dazu rechnet er sie selbst in den jeweiligen Zielländern oder über den OSS ab. Die Steuerschuld geht also nicht auf den Portal- oder Plattformbetreiber über. Doch auch dieser muss die Aufzeichnungen über diese Verkäufe und Lieferungen zehn Jahre lang aufbewahren.

Beispiel 3: Der Winzer / Weinhändler betreibt selbst ein Portal oder einen Marktplatz. Er verkauft damit

a) eigene Weine an Privatkunden in Deutschland
b) eigene Weine an Privatkunden im EU-Ausland. Er unterstützt
c) andere deutsche Winzer / Weinhändler bei ihren Verkäufen an Privatkunden in Deutschland und im EU-Ausland sowie
d) Schweizer Winzer / Weinhändler bei ihren Verkäufen in der EU.

Als „eigene“ gelten alle Weine, die sich im Lager am Firmensitz befinden. Dabei ist es egal, ob dies selbst erzeugte, über den Großhandel erworbene oder zuvor in die EU importierte Weine sind. Der Portalbetreiber muss die Umsatzsteuer für die Verkäufe unter a) in Deutschland abrechnen, für jene unter b) in jedem Bestimmungsland oder über den OSS. Für die Verkäufe unter c) muss die Umsatzsteuer hingegen von den anderen deutschen Winzern / Weinhändlern abgerechnet werden. Für die Verkäufe und Lieferungen unter d), also von außerhalb der EU, wird der Portalbetreiber zum sogenannten „fiktiven Lieferer“. Er muss die Umsatzsteuer in jedem Bestimmungsland selbst oder über den OSS abrechnen. Das gilt auch für Lieferungen an deutsche Privatkunden.

Damit wird der grenzüberschreitende Endkunden-Handel mit Wein dank dem OSS tatsächlich einfacher. Unter Umständen bleibt die Sache aber dennoch kompliziert: So gilt der bei Fall 1 genannte Schwellenwert etwa nicht, wenn die Weine nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus einem weiteren EU-Land geliefert werden. Winzer / Weinhändler, die neben dem Endkunden-Weinhandel auch grenzüberschreitende B2C-Dienstleistungen in einem EU-Land erbringen, weil sie über eine weitere Niederlassung verfügen, können den OSS gar nicht erst in Anspruch nehmen. Denn bei Dienstleistungen muss die Umsatzsteuer immer im Land der Niederlassung abgerechnet werden. Schließlich erleichtert der OSS allein die Abrechnung der Umsatzsteuer – die Verbrauchssteuern der Bestimmungsländer müssen auch weiterhin mit den zuständigen Zollbehörden abgerechnet werden.

Markus Blaser arbeitet als freischaffender Journalist und Historiker in Florenz. Der Schweizer schrieb bis 2016 für „Merum” und publiziert über die ökonomischen, politischen, kulturellen und historischen Hintergründe von Wein und Olivenöl in Italien.

 

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