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ACHTUNG
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“Wir sind uns der Notwendigkeit, einen Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaften zu leisten, bewusst und fühlen uns der Einbindung des Menschen in einen fairen Wirtschaftskreislauf verpflichtet. Deshalb nehmen wir seit Jahren unsere gesellschaftliche Verantwortung aktiv wahr und engagieren uns für nachhaltige Entwicklung.” Das sagt Jacques Gravegeal, Präsident von InterOc, dem Fachverband für Weine der regionalen Herkunft IGP Pays d’Oc.
VIP – Vineyard In Progress (Quelle: InterOc)

InterOc will mit der Initiative “Vineyard In Progress (VIP)” den nachhaltigen Weinbau im Pays d’Oc vorantreiben und hat dafür ein Drei-Stufen-Programm entwickelt, dessen erste Stufe eine Konsumentenbefragung in fünf Ländern zu den Themenfeldern Nachhaltigkeit und Ökowein war. Deren Ergebnisse liegen jetzt vor. “Wir verfügen nun über grundlegende Daten für einen Aktionsplan, der den Menschen und Unternehmen im Pays d’Oc gerecht wird. So können wir unsere geplante Strategie umsetzen, die auf einem Regelwerk beruht, das international Anerkennung finden sollte: der Norm ISO 26000, die die Leitlinien zur gesellschaftlichen Verantwortung definiert”, so Gravegeal.

Biowein – Image und Konsum in Deutschland und Frankreich

Die geschützte geografische Angabe (Indication Géographique Protégée = IGP) Pays d’Oc besteht seit 1987. Sie bezieht sich auf die südfranzösische Region Languedoc-Roussillon und umfasst die Départements Pyrénées-Orientales, Aude, Hérault und Gard sowie sechs Gemeinden im Département Lozère. 65 Prozent aller französischen IGP-Weine und 90 Prozent der französischen IGP-Rebsortenweine werden hier erzeugt. 56 weiße und rote Traubensorten sind für die Produktion von Weinen der IGP Pays d’Oc zugelassen. Das Gebiet ist im Volumen der größte französische Weinexporteur und weltweit der fünftgrößte Exporteur von Rebsortenweinen. Deutschland ist mit Abstand der wichtigste Exportmarkt: 24 Prozent der ausgeführten Weine gehen in das Nachbarland, was für 2012 einer Menge von über 560.000 Hektolitern zu einem Wert von 97,5 Millionen Euro entspricht.

Mit rund 19.900 Hektar verfügt die Region Languedoc-Roussillon über die größte biologisch bewirtschaftete Rebfläche in Frankreich. Bereits im Jahr 2011 gab der Biowein-Verband des Languedoc-Roussillon (SudVinBio, bis 2012 AIVB-LR) beim Marktforschungsinstitut Ipsos eine Umfrage unter deutschen und französischen Verbrauchern in Auftrag. Diese lieferte folgende Erkenntnisse zu den Konsumgewohnheiten und zum Image von Biowein in den beiden Ländern:

  • In Frankreich wird tendenziell mehr Wein konsumiert als in Deutschland. 42 Prozent der befragten Franzosen und 33 Prozent der befragten Deutschen gaben an, innerhalb der letzten sechs Monate mindestens einmal pro Monat konventionellen Wein gekauft zu haben. 32 Prozent der Franzosen und 21 Prozent der Deutschen sagten, sie hätten in den letzten sechs Monaten mindestens einmal pro Woche konventionellen Wein getrunken.
  • Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland führt die Kenntnis von Biowein nicht automatisch auch zum Kauf oder Genuss. 83 Prozent der befragten Franzosen und 63 Prozent der befragten Deutschen konnten mit dem Begriff Biowein etwas anfangen; ihre Informationen bezogen sie vorwiegend aus den Medien und den Lebensmittelmärkten. Doch nur 17 Prozent der Franzosen und immerhin 22 Prozent der Deutschen kaufen der Umfrage zufolge zumindest gelegentlich Biowein. 39 Prozent der Franzosen und 36 Prozent der Deutschen erklärten, dass sie mindestens gelegentlich biologisch erzeugte Weine tränken.
  • Der Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) ist sowohl in Frankreich als auch in Deutschland die wesentliche Bezugsquelle für Wein, und zwar unabhängig davon, ob konventionell oder ökologisch erzeugt. 84 Prozent der Franzosen und 82 Prozent der Deutschen kaufen ihren Wein im Verbraucher- oder Supermarkt. Dabei sind in beiden Ländern bei konventionellem Wein für die Kaufentscheidung die Herkunft (Land oder Region) und der Preis ausschlaggebend. Biowein beziehen 48 Prozent der Franzosen und 41 Prozent der Deutschen im LEH; in Deutschland folgt danach der Bioladen (34 Prozent), in Frankreich der Erzeuger direkt (37 Prozent) als Einkaufsquelle.
  • Weinkauf ist Gewohnheitssache, und die Konsumenten in Frankreich erscheinen preissensibler als die in Deutschland. Als Gründe, weshalb sie Biowein nicht kaufen, nannten 50 Prozent der Franzosen und 35 Prozent der Deutschen, dass sie den Anreiz oder die Gewohnheit nicht hätten; 29 Prozent der Deutschen kaufen keinen Biowein, weil ihnen Informationen zum Produkt fehlen, 38 Prozent der Franzosen finden den Preis für Biowein zu hoch. Tatsächlich ergab die Umfrage auch, dass 75 Prozent der französischen, aber nur 47 Prozent der deutschen Konsumenten Biowein für teurer halten als konventionellen Wein. Mit 10,60 Euro gegenüber 9,60 Euro bezahlen die Franzosen pro Flasche Biowein im Durchschnitt einen Euro mehr als die Deutschen.

 

Weinberg der Domaine du Bosc Satge (Quelle: InterOc)

Ökologie, Nachhaltigkeit und CSR

2012 wurde der regionale Entwicklungsplan “AGIR pour la bio” ins Leben gerufen, um den ökologischen Landbau im Languedoc-Roussillon weiter zu fördern. Ökologie ist eine der drei Säulen der Nachhaltigkeit; die beiden anderen sind Ökonomie und Soziales. Nachhaltigkeit bedeutet demnach, umweltverträglich und ressourcenschonend zu arbeiten, wirtschaftlich fair und weitsichtig zu agieren und sozial gerecht zu handeln. Alle drei Säulen sind untrennbar miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. In der Ökologie – und somit im biologischen Weinbau – spielen Umweltschutz, Naturnähe, Biodiversität sowie Öko- und Energieeffizienz eine wichtige Rolle. Insofern folgt biologischer Land- und Weinbau den ökologischen Grundsätzen der Nachhaltigkeit.

Der Ansatz von InterOc besteht darin, im nachhaltigen Weinbau neben der ökologischen auch die ökonomische und die soziale Dimension gezielt zu berücksichtigen. “Mit unserem Engagement für das Projekt ‘VIP (Vineyard in Progress) Pays d’Oc’ zeigen wir, dass wir uns der Notwendigkeit bewusst sind, dass die Weinbranche auf ein verantwortlicheres Arbeiten übergehen muss. Darum werden wir gemeinsam mit allen Beteiligten einen Nachhaltigkeitsplan erarbeiten, der auf die Bedürfnisse unseres Anbaugebiets, unserer Märkte und unserer Ambitionen zugeschnitten ist”, erklärt InterOc-Geschäftsführerin Florence Barthes.

Dieser Plan besteht aus drei Stufen: einer Befragung der Konsumenten, einer Befragung der Produzenten und der Erarbeitung eines Maßnahmenkonzepts auf Basis der Norm ISO 26000. Dieser Leitfaden empfiehlt, wie sich Organisationen verhalten sollten, um als gesellschaftlich verantwortlich angesehen zu werden. Er bezieht sich damit auf die Corporate Social Responsibility (CSR), die unternehmerische Sozialverantwortung, die sich als freiwilliger Beitrag von Unternehmen zu einer nachhaltigen Entwicklung definieren lässt.

 

Die Domaine des Ruisseaux (Quelle: InterOc)

Studie: Preis und Rebsorte sind wichtiger als Nachhaltigkeit

Die erste Stufe des dreiteiligen Plans zur Förderung des nachhaltigen Weinbaus im Pays d’Oc war eine internationale Studie, die zwischen 2009 und 2012 auf neun Märkten durchgeführt wurde. Dafür wurden insgesamt über 17.800 Weinkonsumenten in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, dem anglophonen und dem frankophonen Teil Kanadas sowie in sechs Metropolen in den USA befragt. Ziel war es herauszufinden, ob und wie Weine der IGP Pays d’Oc durch eine Nachhaltigkeitsstrategie einen Wettbewerbsvorteil erlangen können. Dazu wurde untersucht, welche relative Bedeutung die Nachhaltigkeit für Verbraucher beim Weinkauf hat, welche Zahlungsbereitschaft für nachhaltig produzierte Weine besteht, welche Konsumentensegmente sich differenzieren lassen und wie Kunden mit hoher Affinität zur Nachhaltigkeit angesprochen werden können.

In Deutschland nahmen rund 2.000 regelmäßige Weintrinker an der Befragung teil. Ihnen wurde eine simulierte Auswahl französischer Weine vorgestellt, und sie sollten ihre Kaufentscheidung anhand von elf Kriterien treffen. Dabei handelte es sich um unterschiedliche Eigenschaften der Weine, die variiert wurden: Marke (Name des Weins), Preis (orientiert am gehobenen LEH), Rebsorte, Herkunftsregion, sensorischer Stil (fruchtig, kräftig etc.), Alkoholgrad, Nachhaltigkeitssiegel, Abfüllerangaben und Medaillen-Auszeichnung. Zur Charakterisierung der Konsumentensegmente wurden als Parameter die Bekanntheit französischer Weinbauregionen, die Assoziationen mit diesen Regionen, das Weinkaufverhalten (wo, wie teuer, wie oft), die Mediennutzung sowie soziodemographische Daten erhoben und ausgewertet.

Bezogen auf alle befragten deutschen Weinkonsumenten ergab die Studie, dass Preis (47 Prozent) und Rebsorte (35 Prozent) zusammen für über vier Fünftel der Teilnehmer die wichtigsten Entscheidungskriterien bei der Weinauswahl sind. Die Nachhaltigkeit erscheint – ebenso wie die Marke – mit sechs Prozent zwar auf Rang drei der Entscheidungsfaktoren, hat jedoch angesichts der großen Diskrepanz zwischen diesem Wert und denen der beiden Hauptkriterien insgesamt nur eine deutlich untergeordnete Bedeutung.

 

Weinlese bei der Domaine Cailhol Gautran (Quelle: InterOc)

Drei Konsumentengruppen glauben an Nachhaltigkeit

Um Weine als nachhaltig zu kennzeichnen, wurde jeweils eins von fünf Siegeln verwendet: “Ökologischer Weinbau”, “Protect the planet”, “Sozial verantwortlich”, “Carbon zero” oder “10 % weniger Glas”. Diese Siegel wurden von den Befragten sehr unterschiedlich wertgeschätzt. Für Weine mit dem Siegel “Ökologischer Weinbau” zeigten sich die Verbraucher bereit, bis zu 15 Prozent mehr zu zahlen als für einen nicht gekennzeichneten Wein. Bei den Siegeln “Protect the planet” und  “Sozial verantwortlich” erschien den Konsumenten ein Preisaufschlag von bis zu vier Prozent akzeptabel, für Weine mit dem Hinweis auf CO2-Neutralität (“Carbon zero”) oder geringeres Flaschengewicht (“10 % weniger Glas”) bestand keine Bereitschaft, mehr zu zahlen, sogar im Gegenteil.

Abhängig von der Preissensibilität, dem Ökobewusstsein und der Weinart-Präferenz der Befragten gingen aus der Studie sieben verschiedene Konsumentensegmente hervor. Als relevant im Sinne der Zielsetzung wurden davon drei genauer betrachtet: die so genannten Ökokonsumenten (16 Prozent der befragten Verbraucher), die Liebhaber gehobener Rotweine (17 Prozent) und die preissensiblen Biokonsumenten (15 Prozent). Im einzelnen schlüsseln sich die Beobachtungen wie folgt auf:

  • Bei den Ökokonsumenten hat Nachhaltigkeit unter den Kaufkriterien mit 27 Prozent den höchsten Stellenwert, gefolgt von der Herkunftsregion (18 Prozent), Marke und Preis (jeweils 16 Prozent) sowie der Rebsorte (14 Prozent). Dieser Kundengruppe sind eine gesunde Lebensweise und die Nähe zur Natur wichtig. Das Durchschnittsalter liegt bei mindestens 40 Jahren, und diese Verbraucher haben ein überdurchschnittliches Einkommen, eine überdurchschnittlich hohe Bildung und zeigen eine überdurchschnittlich hohe Mediennutzung. Nachhaltigkeit hat für die Ökokonsumenten eine hohe Glaubwürdigkeit und Wichtigkeit, sie sind das am stärksten weininteressierte Segment, kaufen häufiger im Fachhandel und im Weingut direkt ein und unternehmen auch die höchste Zahl von Weingutsbesuchen und Reisen pro Jahr.
  • Die Liebhaber gehobener Rotweine achten beim Weinkauf am stärksten auf die Rebsorte (58 Prozent), danach folgen der Preis (17 Prozent) und die Marke (11 Prozent) als Kriterien; Nachhaltigkeit und Herkunftsregion machen je fünf Prozent im Entscheidungsmix aus. In dieser Konsumentengruppe sind Männer leicht überrepräsentiert, das Altersprofil weicht indessen nicht von der Gesamtheit der Weintrinker ab. Ein überdurchschnittlicher Teil dieser Verbraucher verfügt über ein mittleres oder höheres Einkommen, und auch dieses Segment zeichnet sich durch eher höhere Bildungsabschlüsse und intensive Internet- und Mediennutzung aus. Die Liebhaber gehobener Rotweine sind verstärkt in Hessen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Bayern zu finden. Nachhaltigkeit hat für sie eine mittlere bis hohe Glaubwürdigkeit und eine mittlere Wichtigkeit, die Trinkhäufigkeit ist höher als das fachliche Interesse am Wein. Auch diese Kundengruppe kauft oft im Fachhandel und im Weingut selbst und hat von allen Segmenten den geringsten Einkaufsanteil im Discounter.
  • Für die preissensiblen Biokonsumenten steht der Preis beim Weinkauf sehr stark im Vordergrund; 94 Prozent der Entscheidung macht dieses Kriterium aus. Danach folgen mit jeweils zwei Prozent die Nachhaltigkeit und der sensorische Stil vor der Rebsorte mit einem Prozent. Dieses Kundensegment ist in allen Altersschichten vertreten, wobei ältere Menschen von mindestens 60 Jahren leicht überrepräsentiert sind. Die Verbraucher dieses Typs haben überwiegend ein mittleres Einkommen und einen Berufsabschluss, sie sind internetaffin und wohnen zu einem großen Teil in den neuen Bundesländern. Nachhaltigkeit hat für sie – wie bei den Liebhabern gehobener Rotweine – eine hohe Glaubwürdigkeit und eine mittlere Wichtigkeit, und die Trinkhäufigkeit ist höher als das fachliche Weininteresse. Im Einkaufsmix dominieren Supermarkt und Discounter, im Fachhandel oder im Weingut kaufen die preissensiblen Biokonsumenten selten ein.

Weinerzeuger bekennen sich zu gesellschaftlicher Verantwortung

 

Weinreben bei Carcassonne (Quelle: InterOc)

Zusammengefasst ergibt sich anhand der drei betrachteten Verbrauchersegmente, dass Nachhaltigkeit für die deutschen Konsumenten relativ wichtig ist. Knapp die Hälfte aller befragten Weintrinker bezieht den Aspekt der Nachhaltigkeit in ihre Kaufentscheidung mit ein, für 16 Prozent spielt er sogar die wichtigste Rolle. Für die Mehrheit der deutschen Weinkäufer hat der Nachhaltigkeitsaspekt eine höhere Bedeutung als die Herkunftsregion. Die französischen Regionen werden bislang eher schwach mit Nachhaltigkeit assoziiert, so dass InterOc hier eine Chance sieht, sich mit nachhaltig produzierten Weinen der IGP Pays d’Oc auf dem deutschen Markt zu profilieren, zumal Deutschland international der wichtigste Markt für Bioprodukte ist.

Die Studie zeigte auch, dass viele deutsche Verbraucher bereit sind, für nachhaltige Weine mehr Geld auszugeben als für konventionelle. Dabei hat das Siegel “Ökologischer Weinbau” in Deutschland ebenso wie weltweit die höchste Bekanntheit und die höchste Wertschätzung. Die befragten Weinkonsumenten der relevanten Segmente würden für einen so gekennzeichneten Wein einen Preisaufschlag zwischen 20 und 30 Prozent akzeptieren. Ressourcenbasierte Siegel erfahren dagegen eine eher geringe Wertschätzung. Am stärksten umkämpft ist für die Distribution nachhaltig erzeugter Weine der Vertriebskanal Fachhandel, Potenzial besteht jedoch auch im LEH und bei den Discountern. Laut einer Umfrage unter internationalen Handelsunternehmen bekennen sich die weltweit größten Lebensmittelmarkt-Betreiber (SuperValue, Société des Alcools du Québec, Groupe Carrefour und Système U) ebenfalls zur gesellschaftlichen Verantwortung und wollen künftig spezifische CSR-Klauseln in ihre Lastenhefte aufnehmen. Auch einzelne Weinbaugebiete wie Kalifornien, Australien und Südafrika engagieren sich bereits in Sachen Nachhaltigkeit.

Die zweite Stufe des Nachhaltigkeitsplans von InterOc war eine Befragung der Weinproduzenten zu Ökologie und Sozialverantwortung. Verbandspräsident Jacques Gravegeal: “Die Weinbaubetriebe der IGP Pays d’Oc wurden zu ihrem Standpunkt und zu ihrem Engagement befragt, um das gemeinschaftliche Handlungspotenzial unseres Anbaugebiets einschätzen zu können. Insgesamt zeigten 129 Betriebe Interesse an diesen Themen und/oder berichteten von vorbildlichen Maßnahmen. Zusammen bewirtschaften diese Betriebe mit etwa 10.000 Menschen ungefähr 51.000 Hektar Rebfläche.” Das entspricht gut der Hälfte der Rebfläche des Anbaugebiets. Das Votum zugunsten der Nachhaltigkeit war auch auf Seiten der Erzeuger eindeutig: Gesellschaftliche Verantwortung begreifen sie als Zukunftsperspektive. 39 von ihnen haben ihren Betrieb bereits auf verschiedene Nachhaltigkeitsaspekte prüfen lassen, 44 nehmen an Pilotprojekten oder gemeinschaftlichen Programmen teil, 38 Weingüter haben bereits ein Sortiment nachhaltig produzierter Weine im Programm oder planen dies. Auch nachhaltiges Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft sind der Studie zufolge für viele Betriebe ein Thema.

ISO 26000 auf die Weinwirtschaft übertragen

Die dritte Stufe des InterOc-Nachhaltigkeitskonzepts ist ein Aktionsplan, der, so der Verband, “weltweit anerkannten Maßstäben entspricht”. Dafür arbeitet InterOc mit der französischen Normierungsbehörde AFNOR zusammen, denn als Basis soll die Norm ISO 26000 für gesellschaftlich verantwortliches Handeln dienen. Diese wurde 2010 geschaffen und ist von 99 Mitgliedsländern der Internationalen Organisation für Normung (ISO) anerkannt.

Drei Schritte sollen die Produzenten von Weinen der IGP Pays d’Oc in ihrem gesellschaftlichen Engagement unterstützen:

  • Damit die Weinerzeuger einfacher geeignete Lieferanten auswählen können, wurde im ersten Schritt ein Leitfaden für den verantwortungsvollen Einkauf erarbeitet, der vorbildliche Lösungen für die Weinwirtschaft und Einkaufsempfehlungen für bestimmte Warengruppen umfasst. Zudem will InterOc gemeinsam mit AFNOR eine auf der Norm ISO 26000 basierende Dialogplattform schaffen, die alle Akteure der IGP Pays d’Oc anregen soll, sich selbst im Hinblick auf CSR-Aspekte zu analysieren und einen entsprechenden Entwicklungsplan zu erstellen. Darüber hinaus soll die Plattform dabei helfen, das CSR-Engagement der Lieferanten der Weinbranche zu beurteilen und diese in ihrem Engagement zu unterstützen.
  • Als zweiten Schritt planen die Partner eine Interpretationshilfe für die Zertifizierung durch den französischen Verband für Qualitätssicherung (AFAQ), die speziell auf den Weinsektor ausgerichtet ist. Damit sollen die Weinbaubetriebe der IGP Pays d’Oc in die Lage versetzt werden, die Norm ISO 26000 sowie ihre möglichen Anwendungsgebiete genau zu erfassen und sie in Maßnahmenpläne umzusetzen.
  • Im dritten Schritt soll die Norm ISO 26000 auf die Weinbranche übertragen werden. Dazu koordinieren InterOc und AFNOR die Abstimmung aller beteiligten Unternehmen und Institutionen auf nationaler Ebene. Ziel ist es laut InterOc-Präsident Gravegeal, “gemeinsam mit den Akteuren der französischen Weinwirtschaft ein Regelwerk zu entwickeln, das im Einklang mit den Herausforderungen des Berufsstands steht”.

Gravegeal sieht diesen Aktionsplan als ein “Regionalprojekt mit nationaler und internationaler Wirkung”. Er betont zunächst vor allem wiederum die ökologische Dimension. Respekt vor der Umwelt und eine durchdachte Krankheits- und Schädlingsbekämpfung im Weinberg seien der Weg zur Nachhaltigkeit. Insofern bejaht er die Weinbergsbehandlung, doch diese müsse “im Sinne der Umwelt und des Planeten” stattfinden. Das VIP-Projekt von InterOc sei ein Qualitätskonzept, um “alles Beherrschbare bei der Behandlung für das Ziel der Nachhaltigkeit zu nutzen”.

 

Jacques Gravegeal% Präsident von InterOc (Quelle: InterOc)

Dabei geht es laut Gravegeal darum, die “Leistung” des Weinbergs zu messen und die Risikofaktoren zu überprüfen. Dies bedeute eine Analyse des Bodens und auch die Berücksichtigung von Sonne und Niederschlag, denn die Kombination von Feuchtigkeit und Wärme erhöht die Fäulnisgefahr. Eine Behandlung gegen Krankheiten und Schädlinge erfolge nur dann, wenn und dort, wo Risiken auftreten, nicht flächendeckend prophylaktisch nach Plänen der Chemieindustrie. Auch gedüngt werde mit möglichst wenig chemischen Mitteln. “Die Trauben müssen bis zur Lese gesund bleiben”, so Gravegeal. Dies alles seien freiwillige Maßnahmen, die nach dem Willen der Erzeuger und dem Wunsch der Verbraucher durchgeführt würden.

Zusammenspiel von Rebsorte, Boden und Klima ist Teil der Nachhaltigkeit

Gravegeal macht darauf aufmerksam, dass weltweit ein offener Wettbewerb herrsche: “In Südamerika oder Australien kennt der Weinbau keine Grenzen.” Der Schlüssel zur Qualität liege auch in der Ertragsregulierung. Für die Weine der IGP Pays d’Oc sei der Ertrag auf maximal 90 Hektoliter pro Hektar beschränkt, im Durchschnitt liege er sogar nur bei 72 Hektoliter pro Hektar. In anderen französischen Regionen sei es möglich, bis zu 120 Hektoliter Wein pro Hektar Rebfläche herzustellen, erläutert Gravegeal. “Das Pays d’Oc macht aus 110.000 Hektar Reben sechs Millionen Hektoliter Wein, Australien macht aus 130.000 Hektar Reben elf Millionen Hektoliter Wein”, veranschaulicht er. Die Hälfte der Weinmenge der IGP Pays d’Oc (das sind 53 Millionen Hektoliter) werde als “lose Ware” in Bag-in-Box verkauft. “Das ist ganz genau dieselbe Weinqualität wie in Flaschen, aber die Verpackung ist umweltfreundlicher, weil verbrennbar, so dass weniger Müll und Verschmutzung entstehen”, erklärt Gravegeal.

Der InterOc-Präsident vertritt die Nachhaltigkeitsinitiative seines Verbands mit großer Leidenschaft. “Die Weine der IGP Pays d’Oc stehen im globalen Wettbewerb den eigenen Rebsorten gegenüber”, führt er aus. Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah, Sauvignon Blanc, Chardonnay und Viognier – die Hauptrebsorten des Pays d’Oc werden längst in aller Welt angebaut, doch sie haben “ihren Ursprung und ihre authentische Heimat in Frankreich”, so Gravegeal. Das Mittelmeerklima mit trockenen Sommern und ausreichend feuchten Wintern biete den Reben die besten Voraussetzungen für die Traubenreife.

Das große Angebot an Rebsortenweinen aus Übersee betrachtet Gravegeal als “wirtschaftlichen Angriff auf die Wiege des Weinbaus” und schlägt wieder den Bogen zur Nachhaltigkeit: Diese werde bestimmt durch die “Einzigartigkeit von Rebsorte, Boden und Klima”, und dabei gehe es auch um “Glaubwürdigkeit und Transparenz”. Da blitzen Patriotismus und Kulturstolz auf, doch der Verbandspräsident erweitert seinen Blickwinkel sofort wieder: Die Weltbevölkerung wachse, die Ressourcen schwänden, doch der Planet ertrage nicht mehr als neun Milliarden Menschen. Daher beschwört Gravegeal seine Winzerkollegen in der Region und in allen Ländern der Erde, jetzt mit nachhaltigem Wirtschaften zu beginnen, denn: “Wer, wenn nicht Bauern und Winzer, ist als erster berufen, die Landschaft zu erhalten?”

Die aktuell verkosteten Weine aus dem Pays d'Oc im Weinführer

Zum Artikel "Ökowein in Europa - Teil 2: Wahlweise besiegelt"

Zum Artikel "Ökowein in Europa - Teil 3: Über die Grenzen hinaus"

Zum Artikel "Ökowein in Europa - Teil 4: Die Schleusen sind offen"

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