Das Weingut Tement gehört zu Österreichs bekanntesten Weinbaubetrieben und ist seit 2022 biodynamisch zertifiziert. Alexander Lupersböck hat mit Armin Tement über seinen Weg zur Biodynamie und ihre Zukunft gesprochen.
Armin Tement begann 2006 mit der Umstellung auf Bioweinbau.
Herbert LehmannIhr habt zwei sehr herausfordernde Jahre hinter euch. Hast du dir jemals gedacht, ob Biodynamie eine Hilfe oder ein Hemmnis ist?
Armin Tement: Die Arbeit in den Weinbergen war so intensiv, dass man gar nicht groß zum Nachdenken gekommen ist. Manchmal hatte ich Zweifel, ob wir das alles schaffen. Aber dann haben wir zwar wenige, aber lupenreine, gesunde Trauben geerntet. In Erinnerung bleibt die gute Qualität, über die Anstrengung denkt man dann nicht mehr nach.
Also keine Zweifel?
Armin Tement: Nein. Der Hauptgrund, warum wir uns für diesen Weg entschieden haben, war, dass wir damit unsere Identität herausarbeiten und so unsere Herkunft eindeutig schmeckbar machen wollen. Das gelingt uns immer besser. Mein Vater sagte bei der Verkostung vor der Abfüllung unseres wichtigsten Weines, des Sauvignon Blanc „Kalk&Kreide“ 2023: „Jetzt schmeckt der Wein so, wie ich ihn mir vor zwanzig Jahren vorgestellt habe.“ Also sind wir am richtigen Weg.
Wie hat der Weg begonnen?
Armin Tement: Als wir 2006 und 2007 die ersten Erfahrungen mit Bioweinbau gemacht haben, hatten wir noch nicht so ein Netzwerk und persönlichen Austausch mit Kollegen wie heute. Wir waren uns innerhalb der Familie einig, diesen Schritt zu gehen. Mein Bruder Stefan und ich wollten am liebsten gleich alles umstellen, aber da haben uns – und dafür bin ich dankbar – unsere Eltern gebremst. Sie sagten: „Macht es Schritt für Schritt.“ Wir haben also mit zehn Hektar Bio-Bewirtschaftung begonnen. Es war für uns später kein Thema mehr, keine synthetischen Spritzmittel zu verwenden, weil wir das schon lange vorher so gemacht hatten.
Die Südsteiermark ist anders
Hattet ihr Berater?
Armin Tement: Ja. Aber wir haben bald gemerkt, dass unser Gebiet so speziell ist, dass die Beratungen, die offenbar auf der ganzen Welt Resultate zeigen, hier nicht funktionieren. Die Südsteiermark ist anders. Uns wurde klar, dass biologisch arbeiten nicht einfach heißt, die Spritz- und Düngemittel auszutauschen. Man muss seine Böden, seine Anlagen behutsam und sukzessive aufbereiten und aufbauen. Man muss das Bodenleben fördern, die Böden gesünder machen. Man muss für jede einzelne Lage herausfinden, was funktioniert. Man muss sich eingestehen, dass nicht jede Sorte an jedem Standort optimal wächst. Im konventionellen Weinbau fällt das in vielen Jahren wohl nicht so stark auf, aber der Bioweinbau deckt solche Unzulänglichkeiten brutal auf. Wenn eine Sorte am falschen Standort steht, merkt man nach spätestens drei Jahren, dass da etwas fundamental nicht passt. Solche Dinge muss man lernen. Wir haben zehn Jahre lang gelernt und lernen heute noch jeden Tag dazu. Aber 2015 waren wir so weit zu sagen: Jetzt machen wir es offiziell.
Trotz herausfordernder Bedingungen passt für Armin Tement die Biodynamie gut zur Steiermark.
Herbert LehmannWann kam der Schritt zur Biodynamie?
Armin Tement: Da haben wir die ersten Versuche 2008 und 2009 gemacht. Ich war anfangs etwas skeptisch. Aber wir haben uns im kleinen Maßstab immer weiter angenähert. Die Umstellung von Bio auf biodynamisch war also nicht so ein großer Schritt. Wir hatten einen enormen Startvorteil, weil unsere Eltern uns großartig gepflegte Weinberge übergeben haben. Die richtigen Sorten an den richtigen Standorten, das Alter der Reben war mit 15 bis 20 Jahren schon perfekt.
Was gab den Ausschlag, umzustellen?
Armin Tement: Alle unsere 50 Mitarbeiter und die gesamte Familie wollten das. Und wir werden jeden Tag dafür belohnt: Du siehst es in den Weinbergen, du siehst es an den Böden, an den Trauben und auch am Produkt selbst, dem Wein. Damals war der Humusgehalt der Böden fast bei Null. 20 Jahre später haben wir einen Humusanteil von vier bis fünf Prozent. Die Böden sind heute gesünder als damals.
Das klingt ja schon fast idyllisch.
Armin Tement: Naja, ich muss ehrlicherweise sagen: Wir sind erst am Anfang. Aber es verändert sich noch immer viel: in der Produktion, im Weinberg, in unseren Zugängen. Wir versuchen das zu optimieren. Andere Weingüter machen das wesentlich länger und haben ihren Kreislauf gefunden. Wir haben auch einen Kreislauf gefunden, aber wir wollen ihn noch verbessern. Wir arbeiten an sehr vielen Details. Nur biologisch oder biodynamisch zu sein, ist ja nicht genug. Das sagt nichts über die Qualität der Weine aus. Beide Arten von Weinen können grandios sein, beide können furchtbar sein.
Biodynamie passt sehr gut zur Steiermark!
Die Steiermark ist ja nicht das einfachste Gebiet, um biodynamisch zu arbeiten. Hohe Luftfeuchtigkeit, viele Niederschläge, Frost, Hagel und trotzdem gibt es hier sehr viele Bio-Betriebe.
Armin Tement: Ich sehe das so: Wir sind zwar mit den Voraussetzungen am Limit, aber die Natur fühlt sich hier wohl, es gibt eine große Vielfalt. Hier herrscht eine ganz besondere Energie. Vielleicht bringt die Biodynamie das alles noch stärker zum Ausdruck. Wasser ist die Grundlage allen Lebens. Und wir haben hier genug Wasser, also passt Biodynamie sehr gut zur Steiermark.
Das Weingut Tement mit der Ried Zieregg, einer der bekanntesten Steillagen der Südsteiermark.
Herbert LehmannHast du die Texte von Rudolf Steiner gelesen oder Dich mit der Anthroposophie näher beschäftigt?
Armin Tement: Zum Teil. Steiner hat verschiedene Ansätze, von denen sich jeder die Aspekte raussuchen kann, die für seine Situation passen und praktikabel sind. Ich kann zum Beispiel nicht immer mit den kosmischen Rhythmen arbeiten, ich muss mich auch nach dem Wetter richten.
Dynamisierst du die Präparate selber?
Armin Tement: Stefan und ich machen das selber. Früher haben wir sogar alles händisch gerührt. Aber bei den Mengen, die wir brauchen, würde das zu viel Zeit beanspruchen. Das ist auch körperlich anstrengend. Und wenn ich dann negative Energie verbreite, weil ich Schmerzen habe, nutzt das auch nichts. Ich soll dem Präparat ja positive Energie mitgeben. Also haben wir einen automatischen Rührkessel. Ich spritze auch rund zehn Hektar noch selber mit der Hand und mache das gerne, das ist eine schöne Arbeit. Aber rein qualitativ können Geräte das heute besser. Wir setzen auf die qualitativ hochwertige Methode. Trotzdem machen wir beides, um den Bezug nicht zu verlieren.
Es ist selten, dass ein Betrieb gleichzeitig bei den Verbänden Demeter und respekt-biodyn ist. Warum bist du bei beiden Mitglied?
Armin Tement: Demeter ist eine Institution, die weltweit als der biodynamische Verband schlechthin anerkannt ist. Das ist ein toller Zusammenschluss von Landwirten, nicht nur Weinbauern. Wir haben einen sehr guten Austausch. Unterschiedliche Ansichten werden diskutiert. Schön sind die regionalen Gruppen und die Hofgespräche, wo Bauern aus allen Sparten zusammenkommen. Da gibt es eine Präparate-Gruppe mit Obstbauern aus der Oststeiermark, von denen wir viel lernen konnten. Dieses weite Spektrum gefällt mir. respekt-biodyn ist eine sehr dynamische Weinbau-Gruppe. Mittlerweile sind es rund 40 Mitglieder aus vier Ländern. Das sind einerseits Freunde, aber auch die Weiterbildungen sind wirklich toll. Jetzt geht es darum, wie der Klimawandel die Rebsorten verändert, wie weit man sie verändern kann. Darüber diskutieren wir, da lerne ich sehr viel.
Auch eure Domaine Ciringa in Slowenien ist biodynamisch zertifiziert. Ist das ein anderer bürokratischer Aufwand?
Armin Tement: Grundsätzlich ist es gleich. Die Kontrollstelle in Slowenien ist nicht privat, sondern verstaatlicht. Aber die Anforderungen sind die gleichen, auch wenn wir die Dokumentation zwei Mal brauchen. Aber die Daten hat man, und der Mehraufwand ist dann nicht mehr so hoch, auch zwischen respekt und Demeter.
Wir brauchen besseres Handwerk und Werkzeug
Armin Tement: “Biologische Betriebe suchen ständig nach Innovationen
Herbert LehmannWie siehst du die Zukunft der Biodynamie im Hinblick auf den Klimawandel in deinem Gebiet?
Armin Tement: Es ist unglaublich, wie intensiv sich der Klimawandel auswirkt. Wir beschäftigen uns jeden Tag mit der Frage, wie man gewisse Dinge verbessern kann, oder wie man Einfluss nehmen kann, damit wir selber, die Böden und die Pflanzen damit umgehen können. Auf der anderen Seite ist die Steiermark in einem Bereich, wo wir qualitativ noch wachsen können. Wir haben – noch – keine Probleme mit Überreife, mit zu viel Zucker, zu viel Alkohol, zu wenig Säure. Wir haben unseren Peak noch nicht erreicht, glaube ich. Gleichzeitig suchen biologische Betriebe nach Innovationen. Ich bin überzeugt, dass es nur mit besserem Handwerk funktionieren wird. Dafür braucht man besseres Werkzeug. Mehr Daten, zielgerichtetere Ausbringung, präzisere Bewirtschaftung.
Nutzt ihr Künstliche Intelligenz?
Armin Tement: Wir beginnen damit. Wir haben gemeinsam mit den STK-Weingütern viele Messstationen errichtet. Heute müssen wir fast noch alle Weinberge spritzen, wenn ein Problem auftritt. Wahrscheinlich spritzen wir auch Flächen, die es gar nicht nötig hätten. Mit Drohnen und KI könnten wir gezielter dort arbeiten, wo es wirklich notwendig ist. Ich denke auch, dass autonome Geräte viel mehr Arbeiten übernehmen können. Wir haben seit vier Jahren einen Spritzroboter. Wir werden weiterhin viele Menschen brauchen, aber die müssen vielleicht nicht mehr am Traktor sitzen, sondern können was anderes, wertvolleres machen: In die Reben gehen, schauen, überwachen. Es gibt viele Aspekte, die uns helfen werden. Je mehr Leute sich mit Biodynamie beschäftigen, umso besser werden die Techniken und umso besser die Lösungen.