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In Spanien beginnt die größte randomisierte, kontrollierte Studie zu den Auswirkungen von moderatem Weinkonsum auf viele Erkrankungen sowie auf die Gesamtsterblichkeit. Laut Studienleiter Miguel Martinez-Gonzalez, Professor für öffentliche Gesundheit an der Universität Navarra, sollen daran 10.000 Probanden teilnehmen, die von rund 500 Ärzten in Spanien betreut werden. Das Forschungsprotokoll sieht vor, dass eine Teilnehmergruppe vollständig auf Alkohol verzichtet, während die andere mindestens drei Gläser pro Woche konsumiert – vorzugsweise Rotwein. Die Zuteilung in die beiden Gruppen erfolgt per Zufallsprinzip. „Das ist genau die Referenzmethode in der Medizin, um die Wirkung eines neuen Medikaments zu ermitteln. Es ist sozusagen das ‚letzte Wort‘, das man in der Medizin bekommen kann“, so Martinez-Gonzalez. Nach seinen Angaben umfasste die bislang größte vergleichbare Studie lediglich 224 Personen und untersuchte ausschließlich abstinente Personen.
Teilnehmen werden ausschließlich Frauen im Alter von 55 bis 75 Jahren sowie Männer zwischen 50 und 70 Jahren. „Das Alter ist ein großes Streitthema bei der Erforschung der Auswirkungen von Alkohol auf die Gesundheit“, erklärt Martinez-Gonzalez. „In der öffentlichen Gesundheit herrscht weitgehend Konsens, dass eine Null-Alkohol-Politik die gesündeste Option für Menschen unter 35 oder 40 Jahren ist. Aber für Personen mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Diabetes ist die Balance zwischen Abstinenz und moderatem Konsum weniger eindeutig. Genau dieses Gleichgewicht wollen wir erforschen.“ Er reagiert damit auf die zunehmende Infragestellung der früher oft betonten gesundheitlichen Vorteile eines moderaten Konsums. „Warum wird jetzt behauptet, dass Alkohol ab dem ersten Tropfen schädlich ist, ohne neue Beweise vorzulegen?“
Die Studie wird nicht von der Alkoholindustrie, sondern unabhängig durch ausschließlich staatliche und europäische Budgets finanziert. Sie erhält 2,5 Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat. Weitere institutionelle Fördermittel sollen aus Spanien und den USA kommen. Das spanische Ärzteteam wird durch Spezialistinnen und Spezialisten aus den USA, Kanada, Großbritannien, Deutschland und Israel unterstützt.
Die Ergebnisse werden Ende 2028 oder Anfang 2029 erwartet. Martinez-Gonzalez, der bereits groß angelegte randomisierte Studien zum Thema Mittelmeerdiät geleitet hat, gibt sich völlig neutral im Hinblick auf das mögliche Ergebnis. „Ich setze auf keine Hypothese. Ich bemühe mich, die Studie so streng und gut durchdacht wie möglich durchzuführen – mit den besten Forschern der Welt. Nie zuvor wurden so viele Daten zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Alkohol an einem Ort gesammelt. Das Ergebnis könnte zeigen, dass es besser ist, völlig auf Alkohol zu verzichten, oder dass ein bis zwei Gläser Wein am Tag zum Essen die beste Option darstellen – oder auch, dass beides gleichwertig ist. Dann könnten die Menschen frei entscheiden.“
(al / Quelle: vitisphere)
Moderater Alkoholkonsum schützt das Herz-Kreislauf-System