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Eine neue Untersuchung des Pesticide Action Network (PAN Europe) legt besorgniserregende Daten offen: In europäischen Weinen steigt die Konzentration der schwer abbaubaren Chemikalie Trifluoressigsäure (TFA) drastisch an. Die Studie namens „Message from the Bottle – The Rapid Rise of TFA Contamination Across the EU“ zeigt, dass Weine, deren Trauben nach 2010 geerntet wurden, TFA in bisher ungekannten Mengen enthalten – mit Medianwerten von 110 µg/l und Höchstwerten bis zu 320 µg/l. Das ist rund hundertmal mehr als bisher in Oberflächen- und Trinkwasser gemessen wurde.
Im Gegensatz dazu wiesen Weine aus der Zeit vor 1988 keinerlei TFA-Spuren auf. Die Daten zeigen einen sprunghaften Anstieg der TFA-Kontamination seit 2010. PAN Europe testete insgesamt 49 Weine (10 alte, 39 aktuelle) aus zehn Ländern. Parallel dazu wurden Rückstände von bis zu acht Pestiziden in 94 Prozent der konventionell hergestellten Weine festgestellt – darunter zwei PFAS-Fungizide (Fluopyram und Fluopicolid). Während vier von fünf Bioweinen frei von messbaren Pestizidrückständen waren, enthielten dennoch alle Bioproben TFA. Dies ist ein Hinweis auf die Allgegenwart der Substanz.
Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker bei Global 2000 und Initiator der Studie, spricht von einem doppelten Alarmzeichen: Zum einen sei die nachgewiesene Konzentration beunruhigend hoch, was auf eine starke Bioakkumulation von TFA in Pflanzen hindeute. Zum anderen sei die rasante Zunahme seit 2010 besonders alarmierend: „Wir nehmen vermutlich deutlich mehr TFA über die Nahrung auf als bislang angenommen. Wir brauchen jetzt dringend Schritte, um weitere TFA-Emissionen zu stoppen.“
Der Freiburger Pharmazeut Prof. Michael Müller bestätigt die Ergebnisse der PAN-Studie unabhängig mit eigenen Analysen. Auch er beobachtete in Weinen nach 2020 eine große Bandbreite an TFA-Konzentrationen (20–300 µg/l). Die niedrigsten Werte fanden sich in Bioweinen von Anbauflächen, die seit Jahrzehnten chemiefrei bewirtschaftet werden. Er sieht darin einen deutlichen Zusammenhang zu PFAS-haltigen Pestiziden.
Ein Vergleich mit offiziellen Daten des EU-Referenzlabors CVUA Stuttgart unterstreicht die Brisanz: Die bislang einzige offizielle EU-Studie aus dem Jahr 2017 ergab in europäischen Weinen einen Medianwert von 50 µg/l, mit Spitzenwerten von 120 µg/l. Diese Werte wurden 2025 in mehr als doppelter Höhe gemessen.
Salome Roynel, politische Referentin bei PAN Europe, fordert deshalb ein sofortiges Verbot aller PFAS-Pestizide und fluorierter Gase: „Diese Substanzen sind eine direkte und vermeidbare Quelle von TFA-Belastung. Im Mai stimmen die EU-Mitgliedstaaten über ein Verbot des PFAS-Pestizids Flutolanil ab – eine wegweisende Entscheidung für unsere Umwelt, unsere Lebensmittel und unsere Gesundheit.“
TFA entsteht als langlebiges Abbauprodukt anderer PFAS-Verbindungen, die in Kälteanlagen oder Pestiziden zum Einsatz kommen. Laut dem deutschen Umweltbundesamt stammen rund 76 Prozent der TFA-Grundwasserbelastung aus PFAS-Pestiziden, weitere 17 Prozent aus Niederschlägen mit Fluorgasen, drei Prozent aus Kläranlagen und drei Prozent aus Gülle.
Die Chemikalie galt lange als toxikologisch unbedenklich. Doch eine 2021 durchgeführte Studie zeigte schwerwiegende Fehlbildungen bei Kaninchenföten. Seither steht TFA im Verdacht, die menschliche Fortpflanzung zu gefährden.
Wissenschaftler bezeichnen die rapide TFA-Zunahme im Wasserkreislauf und in der Biosphäre als Gefahr für die planetaren Belastungsgrenzen. Die vorliegende Studie von PAN Europe unterstreicht die Dringlichkeit für ein umfassendes Umdenken in der europäischen Agrar- und Chemikalienpolitik.
(ru / PAN Europe)