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Sepp Muster, Weingut Maria & Sepp Muster

Über die  Kuppe, auf dem das Haus Graf, das Weingut der Musters steht, bläst der Wind. Wieder sind wir – wie schon bei Andreas Tscheppe – ganz oben, um uns herum legen sich, teilweise steil abfallend und in diversen Expositionen die Weingärten. Terrassen sind in der Steiermark unüblich, und so öffnet sich der durchgehend bepflanzte Weingarten in all seiner Weite. Tausende Rebstöcke liegen vor uns, und Sepp Muster kennt sie alle. Glaube ich zumindest, und je länger ich ihm zuhöre, desto sicherer bin ich mir diesbezüglich.

Die nächsten 90 Minuten sind eine Lehreinheit in Naturbeobachtung und zudem spannender als Dortmund gegen die Bayern oder, um in der Region zu bleiben, unterhaltsamer als Sturm gegen Kapfenberg.

25.000 Stöcke stehen hier in den Rieden. Ein paar junge, „für die nächsten Generation“, und vielmehr alte, an denen Sepps Herz hängt. „Alte Stöcke haben mehr Substanz, alles was über 20 Jahre alt ist, wirkt kompakter, vielschichtiger. Diese Substanz muss in den Keller mitkommen, und dazu gilt es die Weinstöcke, ihre Umgebung, kurz das komplette natürliche System im Blick zu haben.“

Gleich am Anfang also tauchen in Musters Erklärungen die schon am Vortag betonten Grundprinzipien wieder auf: Zeit und exakte Beobachtung sind auch hier, am Leutschacher Schlossberg, maßgebliche Faktoren.

Wir streifen abwärts durch die Weingärten. An wuchtigen Stöcken vorbei, allesamt in ungewohnter und eigenwilliger Erziehung eingedrahtet. Fast auf Augenhöhe spannt sich der Draht, und bis dahin wachsen die Triebe erstmal ein wenig nach oben, ehe sie sich in einem Bogen nach unten ziehen werden (dafür ist es jetzt im April noch zu früh). Diese so genannte Umkehrerziehung, die auch das Weingut Werlitsch praktiziert, ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten und hat den Vorteil, dass sich im Laufe des Jahres der Saft am Rebstockende staut. Muster glaubt dadurch vor allem den Bodencharakter besser in den Wein bekommen zu können, räumt allerdings ein, dass die Umkehrerziehung nur dann Sinn hat, wenn man das Wachstum in den Griff kriegt. Die Rebstöcke werden daher eher stark angeschnitten. „Wenn der Schnitt passt, dann geht der Trieb in den Raum, der Natur nachempfunden. Jeder Trieb sucht sich folglich selbst seinen Raum für eine möglichst perfekte Photosyntese“, so der Winzer.

Winzer Sepp Muster (Foto: Mario Zalto)

Die restliche Zeit verbringt Sepp damit, mir zu erklären, was man alles nicht tun muss, um einen lebendigen Weingarten gedeihen zu lassen. Er düngt nicht, auch nicht mit Kompost (natürliche Ertragsreduktion), er begrünt  nicht („Die Natur kommt ohnehin von selbst. Das was wächst, wächst dann ohnehin stark.“), biodynamische Präparate verwendet er selten und gezielt. Er fährt so selten wie möglich mit dem Traktor durch die Weingärten (Bodenverdichtung), mäht so gut wie nie, mulcht zweimal im Jahr.

Das erfordert zum einen eine kaum mehr erlebbare Akzeptanz und ein immenses Vertrauen in die Abläufe der Natur, zum anderen auch eine Gelassenheit, die selbst geerdete Biodynamiker nicht oft an den Tag legen. „Ich  strebe gar nichts an“ und „Ich nehme das, was kommt“, sind dann auch Sätze, die Musters Selbstverständnis und Selbstbewusstsein in seine Arbeit bestens demonstrieren.

Was da kommt, nehmen dann aber auch die mitunter besten Gastronomen der Welt. Sepps Weine in Wien zu bekommen, ist alles andere als einfach, ganz sicher findet man sie allerdings im Le Ciel und im Steirereck, Wiens (Österreichs?) bestem Restaurant, und sollte es einen nach Kopenhagen verschlagen, dann kann man Musters Weine auch im Noma trinken, vor kurzem zur Nummer 1 der kulinarischen Weltrangliste aufgestiegen.

Arbeit steht trotzdem viel an. Denn um mit Boden und Pflanze kooperieren zu können, muss man erst einmal ein Gefühl dafür entwickeln. Und um das zu bekommen, muss man die Abläufe der Umgebung verstehen lernen, Erfahrungen machen und experimentieren, um letztlich dem Rebstock ein möglichst perfektes und ausbalanciertes Umfeld zu bieten.

Man würde durchaus erwarten, dass Muster ein wenig gegen die Großwinzer des steirischen Südens und deren Größenwahn stichelt, doch liegt ihm nichts ferner. „Jeder soll tun, wie er will. Ist ja auch alles legitimiert. Die Leute können im Keller machen, was sie wollen. Solange es erlaubt ist.“ Ist halt nicht sein Weg – nebenbei setzt er auf die Jungen, die wiederum oft auf ihn setzen. Nicht nur aus der Steiermark, aus der ganzen Weinwelt gehen Anfragen von Absolventen diverser Weinbauschulen ein, die nach Jahren konventioneller Lehre ihr Wissen auch im Alternativbereich des Weinbaus erweitern wollen.

Wieder oben am Weingut schauen wir kurz in den Keller und suchen die Flaschen für die Verkostung und das Mittagessen zusammen. Muster fährt mit seiner Erzählung über Minimalintervention fort, die auch hinter der Kellertür ihre Fortsetzung findet.

„Im allgemeinen rebeln und quetschen wir und dann fallen die Trauben durch eine Dachöffnung direkt in die Presse. Nach dem Pressen wird der Most in sein Gärgebinde transferiert, und da bleibt er dann ungefähr für ein Jahr. In diesem einen Jahr tue ich eigentlich nichts, außer, dass ich den Wein von Zeit zu Zeit koste.“ Danach wird der Wein einmal umgezogen, minimal geschwefelt (10 bis 15 Milligramm pro Liter), und dann passiert ein weiteres Jahr nichts. Außer, dass Sepp vermutlich wieder gelegentlich kostet. Nach zwei Jahren werden die Weine im allgemeinen gefüllt, ohne davor gefiltert worden zu sein. Rotweine – auch davon hat Muster ein paar – bleiben eventuell etwas länger im Fass. Und Fässer sind es immer. Stahltanks werden nur als Gebinde für die Assemblage verwendet. Und die Geräte zur Temperaturkontrolle, die an der Decke hängen? Die, lacht Muster, verwendet er, um Traubensaft herunterzukühlen. Und um Weine, die Gärtemperaturen über 30 Grad haben, eventuell kurz zu beruhigen (das sind Temperaturen, bei denen den meisten Winzern der Angstschweiß auf der Stirn stehen würde).

Weingut Muster (Foto: Mario Zalto)

Wärme tut auch uns ganz gut, und so gehen wir ins Haupthaus, vorbei an einer vergrabenen Amphore, von der Muster nicht mehr ganz so überzeugt ist. Letztlich war sie stets eine Randgeschichte in seinem Sortiment, ein Experiment, dass seiner Ansicht nach nicht ganz aufgegangen ist. Er habe, meint er, seine subjektive Grenzlinie dabei zu oft überschritten. Der Versuch, den Wein so natürlich wie möglich zu produzieren, habe nicht so funktioniert, wie er wollte. Er hat das Gefühl dafür verloren. „Und letztlich“, sagt Muster, „hat die Amphore hier ohnehin keine Tradition. Wie arbeiten eigentlich seit jeher mit Holz.“

Wir knacken die erste Flasche, seinen Sauvignon vom Opok, voller gelber Frucht und feiner Erdigkeit, während Maria Muster neben uns Gemüse hackt. Musters Weine sind famose Essensbegleiter, und nachdem es auch keine einfachen Weine sind, empfiehlt er speziell Neukunden, sie zum Essen zu trinken. Er gibt auch noch mehr Ratschläge mit, und für alle gibt es auch eine nachvollziehbare Erklärung. So sollte man seine Weißweine bei 12 bis 14 Grad trinken, da bei niedrigeren Temperaturen der Gerbstoff den Wein verschließt, oder aber sie auch über Tage trinken, da sich die Weine (aufgrund des ohnehin beabsichtigt oxidativen und auf der Feinhefe ablaufenden Ausbaus) über mehrere Tage entwickeln. Am extremsten, und da war selbst Sepp überrascht, konnten wir das bei seinem ungeschwefelten (!) Morillon vom Opok feststellen. Drei Wochen lang stand der Wein im Kühlschrank, und was sich dann im Glas abspielte, war weit davon entfernt, entweder Essig oder, schlimmer, tot, zu sein: feinfruchtig, animierend und lebendig traf es vielmehr.

Worauf man sich bei den Muster-Weinen einlässt, kann man auch schon anhand der Etiketten ablesen. Für die Opok-Linie wählten sie einen grünen Hintergrund, da die Weine von Kräutern dominiert sind. Die Graf-Linie hat warme Brauntöne, ein Verweis auf die Erdigkeit und Gelbfruchtigkeit der Weine. Die mazerierten Weine haben ein rotes Etikett – Ausdruck, der Orangen- und Beerenaromen und letztlich auch der Farbe der Weine.

Verkostet man Sepps Weine konzentriert, ergibt sich zudem ein weiteres Grundmuster: Von den einfacheren Opok-Weinen bis zum Amphorenwein hat man es mit feingliedrigen, vielschichtigen, eleganten, langen und langlebigen Weinen zu tun. „20 Jahre”, meint auch Muster, angesprochen auf das Potenzial seiner Weine.

Zwei bis drei Minuten. So lange hängt in der Zwischenzeit der Sauvignon Blanc Graf in all seiner Kalkigkeit und Erdigkeit am Gaumen. Zum Schluss begleiten ihn auch noch reife Fruchtaromen. Die Textur im Mund war kompakt, die Säure ebenso, und wenn es Muster im Weingarten vor allem um Harmonien geht, dann spiegelt das sein Wein im Glas analog wieder. Holunderblüten und Primäraromen sollte man hier nicht erwarten.

Opok, Graf und Sgaminegg sind übrigens Fantasienamen: Da auch Musters Weine als Landweine deklariert sind, darf er den Lagennamen, in diesem Fall die Großlage Schlossberg, nicht darauf schreiben. Muster hat damit kein Problem, und auch den Gästen des Noma scheint es egal zu sein. Die Situation ist trotzdem ein wenig absurd. Im besten Restaurant der Welt reißt man sich um seinen Wein, in Japan, Deutschland und Skandinavien genauso, in Österreich selbst reduziert sich seine Kundschaft auf zwei, drei Händler und eine immer größere werdende Anhängerschaft, die direkt bei ihm kauft. „Natürlich würde ich lieber in Leibniz als in London verkaufen“, aber dafür bedarf es auch Kunden, die bereit sind, das Konzept des Winzers mitzutragen.

Dazu gehört auch ein oranger Wein (die “Gräfin” liegt zwei bis vier Wochen in ihrem Maischebett), den Muster persönlich ähnlich schätzt wie seinen ungeschliffenen, radikalen, erdigen Amphorenwein “Erde”. Nicht nur aufgrund seiner balsamischen, erdigen und Orangennoten, sondern auch aufgrund seiner Bekömmlichkeit und Lebendigkeit. Orange Weine sind rustikaler als klassische Weißweine (denen Muster letztlich dann auch den Vorzug gibt), doch offerieren sie an manchen Tagen ein perfektes Trinkgefühl und zu manchen Speisen die perfekte Symbiose.

Vielleicht ist genau dieses Wort dann auch das, das Musters Ambitionen am besten auf den Punkt bringt: Symbiose – das ausbalancierte Zusammenspiel zwischen Mensch, Boden und Rebstock im Gesamtgefüge Natur manifestiert in Weinen, die zwar eigenwillig und besonders sein mögen, jedoch jeder Monotonie den Kampf ansagen.

Weinberg (Foto: Mario Zalto)

Wein- und Sektmanufaktur Strohmeier

Quert man von Leutschach die Steiermark in Richtung Westen, landet man 45 Minuten später in Stainz und ein paar Minuten später in St. Stephan. Schilcherland. Doch ist das beim Weingut Strohmeier nur die halbe Wahrheit. Schilcher ist zwar ihr kommerziell wichtigstes Produkt – und da vor allem der Sekt –, doch sind den Experimenten und Ideen bei den Strohmeiers kaum Grenzen gesetzt. Innovation und Grenzüberschreitungen scheinen an diesem Ende Österreichs symbiotische Mottos zu sein.

Wobei es erst mal Schilcher-Sekt gibt, nach der Champagnermethode produziert, ein Teil davon im Stahltank ausgebaut, der Rest im Holzfass. Und wobei Franz Strohmeier auch gleich ausholt und die zukünftige Konzeption in den Verkostungsraum projiziert. „Künftig soll das alles in Holzfässer – ich glaube, dass die Weine dadurch nerviger werden. Und trotzdem stoffiger.“ Franz Strohmeier würde seine Neugierde und seine Experimentierfreudigkeit aller Wahrscheinlichkeit nach verleugnen, hätte er nicht längst damit begonnen, erste Chargen in Holzfässern abzufüllen. Es gibt Jahrgangssekte aus dem Jahr 1999 oder 2004, allesamt in Holz vergoren, doch räumt er ein – so gut und komplex die Produkte auch sein mögen – dass es in Österreich noch schwierig ist, gereiften Schilchersekt an den Mann zu bringen.

Wie ernst es Strohmeier mit seinen Basissekten meint, kann man auch daran ablesen, dass er sie in Burgundergläsern ausschenkt. Sie öffnen den Wein besser, geben ihm die notwendige Luft und betonen auch flüchtige Aroma-Nuancen. „Sektflöten benutzen wir schon lange nicht mehr”, erklärt Christine Strohmeier, „und die Idee, die Aromaausprägung in unterschiedlichen Gläsern zu vergleichen, scheitert dann auch daran, dass wir die Flöten nicht finden.”

Kein Problem, wir machen mit Schilcher in der Stillweinvariante weiter, und hier tut sich ein ähnliches Phänomen wie schon bei ihren Sekten auf. „Eigentlich gehören die Weine länger auf die Feinhefe. Doch wir können Schilcher nicht erst im Herbst auf den Markt bringen, wenn alle schon auf den neuen Jahrgang warten.“ Doch Strohmeier wäre nicht Strohmeier, hätte er nicht auch hier eine Alternativantwort parat.  So hat er auch einen Schilcher aus dem Jahrgang 2008, den er erst vor kurzem ungeschwefelt abgefüllt hat und der sich als erster großer Höhepunkt des Nachmittags präsentieren soll. Was sich hier im Glas befindet, sprengt die Ketten, in die Schilcher so gern gelegt wird, und gibt der klassisch rustikalen Textur eine feine, weiche und subtile Antwort: Der Wein ist pfeffrig, weich, fleischig, saftig und beerig, und würde man es nicht besser wissen, wäre man mitten auf einem Holzweg in das Burgund.

Diese unglaubliche Neuinterpretation in Sachen Schilcher (und letztlich Rosé) gehört in Strohmeiers Trauben-Liebe-Zeit-Linie (TLZ), die den eigentlichen Hort seiner Innovationen darstellt, und steht naheliegenderweise für die Farbe Rosa. Ergänzt wird die Linie nicht nur mit rot und weiß, sondern auch mit gelb, orange und schwarz, und jede Farbe steht für einen eigenen Weintypus. Während wir uns erst mal mit der weißen Variante, einer Kombination aus Weißburgunder und Chardonnay, beschäftigen, erzählen Franz und Christine von Anfängen, Ideen und Zaungästen.

Reben am Schloss Stainz (Foto: ÖWM / Anna Stöcher)

Die stehen gerne mal an ihren Rieden und kommentieren die Tatsache, dass da nichts gemäht ist, die Blätter im Herbst früher gelb sind und manche auch mit Peronospora zu kämpfen haben. „Verständnis ist nicht wirklich da, und aus dem Dorf kommt auch niemand und kauft bei uns Wein.“ Dass diese scheinbaren Defizite auf dezidiertem Bioweinbau basieren und sich solche Weingärten eben anders entwickeln, bleibt den meisten dann auch verborgen. „Wir arbeiten mit Humus und versetzen ihn mit biodynamischen Präparaten, wir bringen Tees aus und versuchen die (in der Biodynamie erlaubten) Kupferspritzungen gegen potenzielle Pilzkrankheiten auf einem Minimum zu halten. Ab Juli spritzen wir gar nicht mehr.” Wenn dann doch noch Peronospora oder Oidium (Falscher oder Echter Mehltau) auftritt, greifen die Strohmeiers wiederum gerne in die persönliche Trickkiste. Letztes Jahr wusch Franz die Rebstöcke mit einem Molke-Wasser-Gemisch, und weil er ungern halbe Sachen macht, bekamen gleich sämtliche elf Hektar diese eigenwillige Dusche ab. „Ich hatte einfach ein gutes Gefühl“, lacht er. Dieses Gefühl wird meist durch die Lektüre von tonnenweise Literatur bestätigt. Und durch die Qualität seiner Weine. Der TLZ Weiß ist elegant und weich, fast samtig, voller Finesse und Feinheit.

Es ist fast überflüssig zu sagen, dass die Weine quasi interventionslos ihre Kellerzeit durchlebten. Und dort ihre Höhen und Tiefen durchmachten. Strohmeier findet es selbst immer wieder aufs Neue erstaunlich, was sich im Keller ereignet. Weine verschließen sich, verstecken sich hinter ihren Gerbstoffen, öffnen sich langsam, ziehen sich wieder zurück und manchmal, wenn man selbst schon Geduld und jede Hoffnung verliert, sind sie plötzlich da. Das kann oft ein paar Jahre dauern, doch weiß er um den Faktor Zeit und dessen eminente Wichtigkeit für seine Weine. Und erzählt nebenbei eine nette Geschichte über einen alten Keller in Stainz, dessen Weine auf jener Riede wuchsen, die die Strohmeiers vor kurzem wiederbelebt haben. Dort finden sich Weine aus den 1930er und 40er Jahren, naturbelassene Schilcher, Traminer und Muskateller. Aus Zeiten also, als man mit systemischen Mitteln Soldaten niedermachte und nicht Rebstöcke. Manchmal probiert die Gruppe dort, und was sie dann in den Gläsern finden, muss zuweilen spektakulär sein. „Die Weine sind lebendig, bekömmlich, filigran und noch immer von Aromen getragen.“ Dorthin möchte Franz zurück, ohne jedoch den Blick für die Gegenwart zu verlieren.

Die manifestiert sich für uns gerade im TLZ Gelb, einem reinsortigen, spontan vergorenen, ungeschwefelten und ungefilterten Chardonnay. Das neue Holz ist bestens integriert, Frucht und Würze ebenso. Salzige Noten gesellen sich dazu, und eingebettet ist das alles in ein Ping-Pong aus Power und Eleganz. Immer wieder hat Franz den Wein abgezogen, für zu üppig befunden, ihm noch mehr Luft gegeben, Probefüllungen in verschiedenen Phasen im Vergleich zur Fassentwicklung als unharmonisch erachtet, und erst nach drei Jahren sein finales OK zum Abfüllen gegeben.

Impressionen in der Weststeiermark (Foto: ÖWM / Egon Mark)

Das OK und noch mehr Lob hat er auch von vielen seiner Kollegen bekommen, vor allem von Winzern aus dem Ausland. Die Fünferbande ist umtriebig und sucht den gegenseitigen Austausch auf den großen Naturweinmessen im Ausland – in Montpellier, Vicenza oder London. Dort trifft man sich mit Gleichgesinnten und hat sich im Laufe der Zeit eine Nische erarbeitet, die speziell von Sommeliers, Fachleuten und Freaks extrem geschätzt wird. Man kennt sich also, besucht sich, lernt voneinander, und so verwundert es nicht, dass Franz mit großer Begeisterung auch von seinen Kollegen in anderen Weltweinregionen spricht. Vom Roussillon zum Beispiel, wo die Winzer, ebenso wie er, stark eisenhaltigen Gneis als Grundlage für ihre Rebstöcke haben und somit auch sensorische Ähnlichkeiten auftauchen.

Strohmeiers Interesse an der Ideenwelt anderer paart sich mit einem ungeheuren Enthusiasmus für die eigene Sache. Und man lernt schnell, diese Begeisterung mit ihm zu teilen. Für seinen Orange, den er über sechs Monate mazeriert, für den Schwarz, ein dunkles Meisterwerk aus Blauem Wildbacher, kraftvoll und kompakt, saftig und dicht, und zu guter Letzt natürlich auch für seinen Wein der Stille: Der stellt die Quintessenz seiner großen Weißweine dar, ein Sauvignon Blanc (mit wenig Chardonnay und noch weniger Muskateller) mit samtiger Textur, feinem Tannin, Druck und Mineralität – kurz: die spielerische Interpretation eines komplexen Weins.

Um die Winzer im südlichsten Winkel der Steiermark selbst sollte es in den nächsten Jahren freilich eher lauter werden. Denn im Grunde ist ihr Ansatz eines nachhaltigen, auf exakter Naturbeobachtung beruhenden und doch überaus individuellen und hochqualitativen Weinbaus wegweisend für eine Monokultur, die sich in den letzten Jahren eher durch Vereinheitlichung als durch Originalität, durch permanente Intervention als durch bewusste Kooperation, vor allem aber auch eher durch Masse statt Klasse ausgezeichnet hat.

Das Weingut Sepp Muster im Weinführer

Das Wein- und Sektmanufaktur Strohmeier im Weinführer

Zu Teil I der Artikelserie: "Das Leben schmecken"

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