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Der Merum-Redaktion ist das Monferrato mit seinen teils eigenwilligen Rotweinen schon länger ans Herz gewachsen. Grignolino und Ruchè gehören zu unserem Verkostungsprogramm fest dazu, und wir berichten seit Jahren regelmäßig über die betuliche Gegend im östlichen Piemont. Warum es uns immer wieder dorthin zieht? Weil die Landschaften wunderbar abwechslungsreich, die Menschen liebenswert bescheiden, die Weine und Restaurants gut und erschwinglich sind. Anders als in den betriebsamen Langhe, wo sich Nebbiolo- und Trüffelfreunde tummeln, steckt der Tourismus hier noch immer in den Kinderschuhen, aber gerade das macht den leicht verschlafenen Charme der Gegend aus. In der Tat verirrten sich ins Monferrato bisher vor allem Eingeweihte.

Romina Tacchino (Luigi Tacchino) aus Castelletto d’Orba im Süden von Alessandria sagt: „Noch vor wenigen Jahren gab es bei uns so gut wie keine Übernachtungsmöglichkeiten. Es hat sich in letzter Zeit allerdings viel getan, das touristische Angebot ist besser geworden, auch weil die neuen Generationen das Zepter übernommen haben. Trotzdem ist der Tourismus hier deutlich weniger gut organisiert als in den Langhe, wo es sogar geführte Touren durch die Weinberge gibt. Im Monferrato benötigt der Besucher ein Auto und muss die Gegend auf eigene Faust erkunden.“

Die berühmten Winzer-Stars in den Dörfern der Langhe, die großen Weine Barolo und Barbaresco sind wirkungsvolle Magneten für Weinreisende und Journalisten. Derlei Appeal geht dem Monferrato ab. Beatrice Gaudio (Bricco Mondalino): „Bei uns sind nur wenige bekannte Weingüter ansässig, die mit einer starken Marke im Ausland das Gebiet fördern könnten. Der Großteil sind kleine Familienbetriebe.“

Landschaft im Monferrato (Quelle: Merum)

Barbera statt Barolo

Wie überall hat die Wirtschaftskrise auch die Winzer des Monferrato getroffen. Kleinere Bestellmengen, verzögerte Zahlungen, davon können sie alle ein Lied singen. Verzweifelte Situationen und übervolle Keller allerdings haben wir bei unseren Besuchen keine angetroffen. Mauro Pavia (Agostino Pavia) schätzt die Situation der Weingüter folgendermaßen ein: „Alles in allem geht es den Winzern im Monferrato zufriedenstellend. Die Krise äußert sich nicht dramatisch. Ich selbst habe sogar einige Kunden dazu gewonnen, die früher ihre Autos mit Barolo und Barbaresco vollgeladen haben. Heute kaufen sie in den Langhe nur noch wenig ein und kommen dafür bei uns vorbei, um sich mit Barbera einzudecken.“

Auch Mauro Gaudio (Bricco Mondalino), der in den letzten beiden Jahren seinen kompletten Weinkeller renoviert und einen wunderschönen Verkostungsraum gebaut, äußert sich positiv: „Wer noch immer Fasswein verkauft und wem es nicht gelungen ist, seine Flaschen auf dem Markt zu positionieren, der muss sich in der Tat Sorgen machen. Alle anderen durchleben zwar nicht gerade einfache Zeiten, aber man kommt über die Runden. Wir verkaufen unsere Weine jedenfalls nach wie vor.“

Das ist angesichts der Leidenschaft, mit der die Familie Gaudio ihre Winzer-Berufung lebt, auch nicht weiter erstaunlich. Zu unserem Gespräch mit Mauro gesellten  sich nach und nach seine Frau Gabriella, die beiden Kellerarbeiter aus der Toskana und Australien sowie Tochter Beatrice hinzu. Im Nu waren die zur Degustation bereitgestellten Flaschen geöffnet – und der Vorsatz dahin, wegen unserer Verspätung sofort weiterzuziehen und auf Grignolino, Grissini, Salami und Parmesan zu verzichten...

Der DOC-Bereich Monferrato umfasst über 280 Gemeinden. (Quelle: Merum)

Anders die Situation der rund 5.000 Bauern des Monferrato, die nur wenige Hektar Reben pflegen und ihre Trauben nicht selbst vinifizieren können, sondern den Kellereigenossenschaften überlassen müssen. Erfreulicherweise zeigte sich hier in den vergangenen zwei Jahren eine deutliche Entspannung. Während die Preise 2010 auf einem Tiefpunkt angelangt waren, geht es seitdem langsam wieder bergauf. Für ein Kilo Barbera-Trauben bekam ein Bauer damals rund 30 Cent.

Patrizia Barreri, Direktorin des Konsortiums Asti-Monferrato: „Das war ein dramatisches Jahr, zum Glück ist dieses tiefe Niveau aber nicht mehr erreicht worden. 2012 lagen die Traubenpreise fast doppelt so hoch. Doch das sind durchschnittliche Angaben. Etwa ein Drittel der Trauben für den Barbera d’Asti DOCG sind Superiore-Qualität und erzielen noch höhere Preise.“

Noch vor drei Jahren gab es beim Barbera eine massive Überproduktion, die sowohl die Trauben- als auch die Fassweinpreise in die Tiefe fallen ließ. Barbera in allen Variationen standen in Italien, aber auch im Ausland zu Billigpreisen im Supermarkt, die Nachfrage nach Qualitätsweinen war überschaubar. Heute ist dies laut Konsortium kein Problem mehr. Patrizia Barreri: „Die beiden mageren Weinlesen 2011 und 2012 haben das Gleichgewicht zwischen Weinerzeugung und Konsum wieder hergestellt. Dadurch haben sich 2012 auch die Traubenpreise wieder erholt. Damit wurde der Teufelskreis durchbrochen, der die Bauern zum Sparen zwingt und damit quasi zur Vernachlässigung ihrer Weinberge. Denn nur in gepflegten Weinbergen kann gute Traubenqualität entstehen, für die die Bauern angemessen entlohnt werden.“

Auch die Änderungen der Produktionsvorschriften ließen die Nachfrage steigen. So konnte der Piemonte Barbera DOC in den letzten vier, fünf Jahren bedeutend zulegen, weil die Weine auch in Bag-in-Box abgefüllt werden können. Die Barbera-Winzer deklassierten einen Teil der Überproduktion zu Piemonte Barbera DOC und erschlossen damit neue, weniger traditionsbewusste Märkte wie beispielsweise Skandinavien.

Mit der Aufhebung der Naturkork-Pflicht bietet sich diese Chance jetzt auch dem Barbera d’Asti DOCG: Aktuell werden 40 Prozent der knapp 24 Millionen Flaschen exportiert, vor allem nach Deutschland und in die USA. Das könnte sich mit der Einführung des Schraubverschlusses ändern, der Export könnte weiter anziehen.

Barbera-Traube (Quelle: Merum)

Null-Holz-Barbera

Barbera verkostete die Merum-Redaktion letztmals für die Ausgabe 5/2008 – mit mäßiger Begeisterung: „Barbera ist ein einfacher Wein. Er bleibt das auch dann, wenn nur eine Traube pro Rebstock belassen wird und der Wein in teuren Barriques ausgebaut wird. Der Stiefelknecht wird auch dann nicht zum Nobelmann, wenn man ihn in das teure Mäntelchen seines Herrn steckt.“

Unausgewogen und holzgeprägt, das ließ sich von den meisten Weinen damals sagen, für lange Zeit war das Bedürfnis der Redaktion nach Barbera gestillt. Nach fast fünfjähriger Pause wagten sich die Verkoster für das Heft 1/2013 wieder an den Barbera heran. Mit überraschendem Ergebnis: Eine ganze Reihe von trinkigen, fruchtigen und sortentypischen Weinen sind dabei, marmeladige Biberweine hingegen selten. Ein Grund für uns, die Situation des Barbera wieder einmal näher unter die Lupe zu nehmen.

Und tatsächlich, es hat sich etwas getan im Barbera-Universum, die Stilistik vieler Winzer hat sich geändert, der Trend geht wieder hin zu fruchtbetonten Weinen, Barbera für jeden Tag. Dies bestätigen auch Winzer und Konsortiumsdirektorin Patrizia Barreri. Sie sagt: „In der Tat haben viele Produzenten die herrliche Fruchtigkeit des Barbera wiederentdeckt. Meiner Meinung nach ist das einer der Schlüssel zum Erfolg. Dahinter steckt ein Lernprozess, der zu einem besseren Bewusstsein für den Wert und die Vielseitigkeit der Barbera-Traube geführt hat.“

Mauro Gaudio glaubt ebenfalls, dass der Barbera in der fruchtigen Version mehr Erfolg hat: „Wir produzieren bereits seit 1999 unseren Barbera Zerolegno (‚Nullholz’), der ausschließlich im Stahltank ausgebaut wird. Auch andere Winzer sind mittlerweile vom übertriebenen Barrique-Ausbau weggekommen und erzeugen fruchtige Weine mit wenig oder gar keinem Holz.“

Auf der Piazza (Quelle: Merum)

Barbera d’Asti oder Barbera del Monferrato?

Der Barbera ist mengenmäßig der wichtigste Wein des Monferrato. Die vier Ursprungsbezeichnungen Barbera d’Asti DOCG, Barbera del Monferrato DOC, Barbera del Monferrato Superiore DOCG und Piemonte Barbera DOC machen fast drei Viertel der Gesamtproduktion der beiden Provinzen Asti und Alessandria aus, über 50 Millionen Flaschen Barbera werden erzeugt.

Paradoxerweise sind die Anbaugebiete für Barbera d’Asti DOCG und Barbera del Monferrato Superiore DOCG weitgehend deckungsgleich, die Winzer können selbst entscheiden, welchen Namen sie ihrem Barbera geben wollen, der erlaubte Hektarertrag ist identisch (9.000 kg/ha). Da sich der Barbera d’Asti DOCG aufgrund seines Namens allerdings besser verkaufen lässt, entscheidet sich der Großteil der Winzer gegen den Barbera del Monferrato Superiore DOCG.

Wir fragten die Konsortiums-Chefin, weshalb derselbe Wein unter zwei Ursprungsbezeichnungen auf den Markt kommen kann, Patrizia Barreri: „Der Barbera d’Asti war schon immer ein Stillwein, im Monferrato wurde der Barbera in den 1950er- und 60er-Jahren aber traditionellerweise als Perlwein mit der Bezeichnung vivace erzeugt. Noch heute ist ein Barbera del Monferrato DOC in den meisten Fällen ein Perlwein. Für Stillweine wird daher eher Barbera d’Asti DOCG in Anspruch genommen, seltener auch Barbera del Monferrato Superiore DOCG. Auch die lokale Verwurzelung spielt eine Rolle: Barbera del Monferrato Superiore DOCG wird vorwiegend in der Provinz Alessandria verwendet, Barbera d’Asti DOCG eher in der Provinz Asti. Es sind also die Produzenten selbst, die ihrem Wein eine bestimmte Identität zuweisen.“

Marco Canato aus der Provinz Alessandria ist einer der wenigen Winzer, die sich für die Appellation Barbera del Monferrato Superiore DOCG entschieden haben: „Dass es zwei sich zum größten Teil überlappende Appellationen gibt, stiftet bei den Konsumenten nur Verwirrung. Sie denken, es gäbe eine Qualitätspyramide, insbesondere weil der Barbera d’Asti die DOCG-Zertifizierung hat und der Barbera del Monferrato nur, wenn er die Bezeichnung Superiore trägt. Das alles ist bürokratischer Unsinn.“

Im Keller (Quelle: Merum)

Unverstandener Dolcetto

Der Barbera ist nicht mehr das Sorgenkind der Monferrato-Winzer, Probleme bereiten ihnen vielmehr die Weißen und der Dolcetto. Patrizia Barreri: „Die Weißweine aus der Sorte Cortese (Cortese dell’Alto Monferrato DOC und Piemonte Cortese DOC) hatten noch nie großen Erfolg. Der Dolcetto d’Asti DOC, von dem allerdings nur sehr wenig erzeugt wird, leidet wie die anderen Dolcetto im Piemont seit ein paar Jahren trotz guter Qualität unter schwindender Aufmerksamkeit.“

Dass es der Dolcetto wesentlich schwerer hat als der Barbera, bestätigt auch Romina Tacchino, die hauptsächlich Dolcetto di Ovada erzeugt: „Wir sind in den letzten Jahren viel in der Welt herumgereist und haben den Dolcetto di Ovada probieren lassen. Das hat zwar geholfen, aber im Vergleich zum Barbera läuft es immer noch schleppend mit der Nachfrage. Er ist und bleibt ein Nischenprodukt. Dies bestätigen mir auch andere Winzer. Der Dolcetto bleibt unser Sorgenkind, obwohl er preislich auf dem Niveau des Barbera liegt.“

Warum das so ist, warum der Dolcetto im ganzen Piemont so träge im Keller festhängt, ist kaum zu verstehen. Was fehlt dem Dolcetto zu mehr Absatzglück? Sicher, der Trend zum überkonzentrierten, konfitürigen und verholzten Stil sowie die entsprechenden Preise führten dazu, dass sich viele von der Sorte abgewendet haben. Aber im Monferrato gibt es sehr wohl trinkige, mit ihrer Frucht und dem kräftigen Traubentannin überaus erfreuliche Dolcetto.

Allerdings kann man nicht gerade behaupten, dass sich die Dolcetto-Winzer ein Bein ausreißen würden, um an dieser Situation etwas zu ändern. Denn wenn eine Weinzeitschrift wie Merum Muster eines schwerverkäuflichen Weins anfordert, dann sollten schon mehr als neun Winzer reagieren...

Grignolino-Traube (Quelle: Merum)

Grignolino – treue Fans

Auch wenn der Barbera die wirtschaftlich Basis der Monferrato-Winzer ist, baut doch jeder von ihnen auch lokale Spezialitäten an, die zusammen nur wenig mehr als ein Viertel der Weinbergsfläche ausmachen. Von diesen haben es uns vorab der Ruchè und mehr noch der Grignolino angetan.

In seinem Artikel über den Grignolino schrieb Merum-Redakteur Jobst von Volckamer 2006: „Im Mund ist Grignolino elegant und trotz einer gewissen fruchtigen Herbe auch sehr geschmeidig. Bemerkenswert ist sein langer Nachhall, der beispielsweise jenen des Barbera oft übertrifft. Eine seiner schönsten Eigenschaften schließlich ist die besondere Art seines Tannins: Es ist wunderbar, wie ein Schluck Grignolino während des Essen den Gaumen säubert und so die Lust auf den nächsten Bissen steigert.“ Eine Liebeserklärung an einen damals noch unbekannten Wein, der nach und nach auch die Herzen mancher Merum-Leser erobern konnte.

Mauro Gaudio aus Vignale Monferrato ist einer der Grignolino-Winzer, die seit Jahren mit ihrer Qualität überzeugen: „Wir gehören zu den wenigen Weingütern, die genauso viel Grignolino wie Barbera erzeugen. Er ist unser Aushängeschild, wir lieben ihn. In den letzten zehn Jahren haben wir die Verkaufszahlen des Grignolino aber leider nicht spürbar steigern können, die Nachfrage bleibt konstant. Der Grignolino ist ein besonderer Wein, er ist hell, aber extrem tanninreich, er hat ein zartes, elegantes Aroma. Hat er einmal seine Liebhaber gefunden, bleiben sie ihm treu, aber er ist kein Wein für jedermann.“

Typisch Monferrato: Grignolino und Salami (Quelle: Merum)
Im Ausland hatte der Grignolino bisher wenig Erfolg, obwohl sich heute eine große Zahl von gut gemachten Weinen auf dem Markt befindet. Zu eigensinnig sein Tannin, zu spitz seine Säure vielleicht, zu hell seine Farbe. Für uns jedoch gehört der Grignolino zu den elegantesten Weinen, die Italien zu bieten hat. Unser Engagement, ihn auch außerhalb der Grenzen des Monferrato bekannt zu machen, ist daher ungebrochen. Anders als der Grignolino bekundet der aromatische, nach Aprikosen duftende Ruchè derzeit wenig Mühe, aus dem Schatten der berühmteren Piemonteser Weine herauszutreten. Seit 2000 hat sich die Anbaufläche des winzigen Anbaugebietes um Castagnole Monferrato von 26 auf 103 Hektar vervierfacht. Für die weitere Entwicklung wird bestimmt auch die Zuerkennung der DOCG ab Jahrgang 2010 eine Rolle spielen. Heute wird rund eine halbe Million Flaschen DOC-Ruchè abgefüllt, 58 Prozent mehr als noch 2009.

Die Monferrato-Weine sind originell, durch ihre ausgeprägten Charaktereigenschaften sehr unterschiedlich und – wenn man so sagen möchte – gewöhnungsbedürftig. Ja, gewöhnungsbedürftig vielleicht, aber gleichzeitig enorm liebenswert. Weine, die schmecken wie Ruchè oder Grignolino, die gibts nur hier. Und selbst der Barbera besinnt sich offenbar immer mehr seiner ursprünglichen Bestimmung, der des preiswerten, trinkigen Alltagsweins nämlich.

Dieser Beitrag wurde uns von der Merum-Redaktion zur Verfügung gestellt. Mehr über Merum, die Zeitschrift für Wein und Olivenöl aus Italien, erfahren Sie hier:
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Zum "BEST OF Piemonteser Nebbiolo"

Die Herkunftsbezeichnungen des Monferrato im Wein-Plus-Weinführer

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