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Andrea Pala Steigende Temperaturen, ausbleibende Niederschläge, alkoholreiche und konzentrierte Weine: Der Klimawandel macht sich auch auf Sardinien bemerkbar. Gleichzeitig entdecken immer mehr Investoren die Insel und stecken Geld in neue Weingüter. Raffaella Usai hat vor Ort mit dem Önologen Andrea Pala über die Zukunft des sardischen Weinbaus gesprochen.

Herr Pala, Sie arbeiten als beratender Önologe für mehrere Weingüter auf Sardinien und auch auf dem italienischen Festland. Sie sind dadurch zwar viel unterwegs, aber dank der Arbeit in unterschiedlichen Appellationen sammeln Sie bestimmt viele Erfahrungen, die Sie wiederum in anderen Gebieten anwenden können.

Andrea Pala: Ja, absolut. Ich arbeite vorwiegend auf Sardinien, aber auch auf Sizilien, in Kalabrien, Kampanien, in der Franciacorta, den Marken und der Toskana. Das heißt, ich habe mit den verschiedensten Terroirs, Rebsorten und Stilistiken zu tun, was den Job extrem spannend macht.

 

Welche Weine liegen Ihnen besonders am Herzen?

Andrea Pala: Ich stamme aus der Gallura, der Heimat des Vermentino. Daher lege ich mein Augenmerk tendenziell mehr auf Weißweine und da vor allem auf autochthone Rebsorten. Ich arbeite neben dem Vermentino zum Beispiel mit der sehr seltenen weißen Sorte Arvisionadu, die laut aktueller Studien die älteste Rebsorte Sardiniens ist. Sie wird auf nur 17 Hektar angebaut. Solche Projekte treiben mich an.

 

Sprechen wir über die sardischen Weine im Allgemeinen. Mein Eindruck der vergangenen Jahre ist, dass viele Weine immer alkoholreicher und üppiger geworden sind und gleichzeitig an Eleganz und Feinheit verloren haben. Was sagen Sie dazu?

Andrea Pala: Was den Alkohol betrifft, gebe ich Ihnen recht. Das ist den veränderten klimatischen Bedingungen geschuldet. Es gab Jahrgänge, da konnten die Trauben wegen der hohen Temperaturen die phenolische Reife nicht vollständig erreichen. Im vergangenen Jahr war die Ernte wegen Spätfrösten sehr klein. Auch das merkt man den Weinen an. Aber generell hat sich die Qualität der sardischen Weine, vor allem der kleinen und mittelgroßen Betriebe, spürbar gesteigert. Die großen Kellereien produzieren wie überall das, was der Markt nachfragt. Und da setzen viele auf Restsüße und Konzentration, weniger auf Eleganz und präzise herausgearbeitete Frucht.

 
Vermentino-Trauben ©123rf.com

Es gibt einige Vermentino di Gallura mit 14,5 Volumenprozent Alkohol, bei denen mir persönlich die Trinkigkeit fehlt. Ist das die Zukunft des Vermentino?

Andrea Pala: (lacht) Keine Frage, von solchen Weinen kann man keine ganze Flasche trinken. Es gibt beim Vermentino verschiedene Philosophien, den mineralischen Stil des Vermentino di Gallura und den einfacheren, fruchtigeren Stil des Vermentino di Sardegna. Für mich liegt ein perfekter Weißwein zwischen 12,5 und 13,5 Volumenprozent Alkohol. Dann findet auch der Vermentino seine Harmonie zwischen seiner griffigen Struktur und seinem Säuregerüst.

Einige Produzenten übertreiben es allerdings und heraus kommen dann solche Alkoholbomben, von denen man nach einem Glas schon genug hat. Aber viele Konsumenten wollten lange Zeit genau das. Ich suche in den Weinen, die ich mache, etwas anderes. Sortentypizität und Eigenständigkeit, die aber nie dem Trinkspaß im Weg stehen dürfen. Was produziert wird, entscheidet am Ende der Winzer. Er kennt seine Kunden und weiß, was sie wollen. Ich kann nur beraten.

 

Ist es auf Sardinien überhaupt noch möglich, Weine mit ausgeprägter Säure zu erzeugen?

Andrea Pala: Auf den Granitböden der Gallura hatten wir in den vergangenen Jahren sehr mit Säureverlusten zu kämpfen, während zum Beispiel die Kalkböden rund um Sassari im Westen der Insel den Weinen mehr Säure verleihen. Ein von mir betreutes Weingut hat zehn Hektar dort auf einer kleinen Hochebene gepflanzt und die Ergebnisse sind erstaunlich. Die Böden machen den Unterschied. Auf der anderen Seite zeigen die Weine nicht die aromatische Komplexität, die in der Gallura erreicht wird.

 

Sardinien ist wie Sizilien eine Region, die klimatisch bedingt für Bio-Weinbau prädestiniert ist. Wie populär ist Bio hier?

Andrea Pala: In der Tat setzen auf Sardinien immer mehr Winzer auf Bio. Auch weil es im Vergleich zu anderen Regionen viel leichter ist, auf Chemie zu verzichten. Ein konventionell bewirtschafteter Weinberg muss hier zwischen vier und fünf Mal im Jahr mit systemischen Pflanzenschutzmitteln gespritzt werden. Ein Bio-Winzer muss fünf bis sechs Mal raus. Also ist der Aufwand wirklich nicht viel größer. Es gibt viele Weingüter, die sich auch Bio-zertifizieren lassen, aber auch einige, die aus Mentalitätsgründen kein Bio-Label wollen. Vor allem kleinere Weingüter fürchten sich vor der Bürokratie, die die Zertifizierung mit sich bringt.

 

Kann sich das mit der kommenden Generation ändern?

Andrea Pala: Auf jeden Fall. Man spürt schon heute sehr stark, dass ein Generationswechsel im Weinbau stattfindet. Viele Weinberge, die früher im Nebenerwerb bewirtschaftet wurden, sind von den Nachfolgern übernommen worden. Diese verkaufen ihre Trauben nicht mehr an die Kellereigenossenschaften, sondern bauen sich eine Zukunft als Selbstvermarkter auf. Sie legen Wert auf Qualität und nachhaltigen Anbau und pflegen ihre Reben mit einem anderen Anspruch.

 

Stichwort Klimawandel: Hat sich die Weinlese auf Sardinien signifikant verschoben?

Andrea Pala: Die Unterschiede zwischen den Jahrgängen sind sehr deutlich, viel größer als früher. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Vor drei Jahren habe ich die Trauben eines Weinbergs hier in der Gallura Ende Oktober gelesen. Im Jahr davor begann die Lese desselben Weinbergs Ende August. Die Weine beider Jahrgänge hatten denselben Alkoholgehalt. Mein Großvater hat früher immer am 5. Oktober geerntet, zum Erntefest unseres Dorfes. Alle haben zu diesem Termin ihre Trauben gelesen. Heute beginnt die Lese in der Regel in der ersten oder zweiten Septemberwoche, in extremen Jahren bereits im August.

 

Wie gehen Sie mit den klimatischen Veränderungen um?

Andrea Pala: Es ist eine große Herausforderung. Auch dieses Jahr war wieder extrem. Es hat im Winter und Frühjahr kaum bis gar nicht geregnet, die Temperaturen waren schon im Juni sehr hoch. Ich versuche generell, einen Teil der Trauben sehr früh zu lesen, um später eine Teilmenge zu haben, die nicht zu alkoholreich ist. Am Ende geht es immer um ein Gleichgewicht, eine Harmonie in den Weinen. Der hohe Alkohol braucht genügend Gegenspieler, die ihm Paroli bieten können. Der Konsument ist von einem Weißwein, der 14 oder 14,5 Prozent Alkohol auf dem Etikett führt, abgeschreckt, vor allem im Ausland. Deswegen ist es immer das Ziel, die Zuckerwerte schon im Weinberg in Schach zu halten. Und dafür braucht es gute Agronomen.

 

Welche Strategien verfolgen die Agronomen im Weinberg?

Andrea Pala: Zum einen experimentieren sie mit Unterlagsreben, die besser an das veränderte Klima angepasst sind. Zum anderen wird an Klonen geforscht, die für das jeweilige Terroir geeignet sind. In einem Weingut, das ich berate, wurden elf verschiedene Vermentino-Klone gepflanzt. Nun beobachten wir, welche der Klone die besten Resultate ergeben. Ich suche Salzigkeit in den Weinen. Und die finde ich in letzter Zeit vor allem in Weinbergen in Küstennähe.

 

Ich suche Salzigkeit in den Weinen.

 

Das ist interessant. Früher war der Weinbau auf Sardinien mehr im Landesinneren zu finden, weniger an der Küste. Gibt es dort jetzt viele neue Weinberge?

Andrea Pala: Ja, viele Unternehmer aus Deutschland und England haben in Weinberge an der Küste investiert. Es sind neue Weingüter entstanden, von denen ich einige betreue. Man kann schon von einem kleinen Boom in den vergangenen fünf Jahren sprechen.

 

Unberührte Natur und eine wunderschöne Küste machen Sardinien zu einem beliebten Urlaubsziel

123rf.com

Warum investieren diese Unternehmer gerade auf Sardinien?

Andrea Pala: Das positive Image der Insel als beliebtes Urlaubsziel mit seiner unberührten Natur trägt seinen Teil dazu bei. Zudem sind die Hektarpreise vergleichsweise niedrig. Die meisten kaufen keine bestehenden Weinberge, sondern pflanzen neue Reben an. Während in anderen Regionen die Weingüter mit ihren Neupflanzungen in höhere Lagen gehen, ist auf Sardinien das Gegenteil zu beobachten. Hier suchen sie die Nähe des Meeres. Und das könnte auf lange Sicht die richtige Entscheidung sein. Die Weinberge profitieren von der ständigen Brise, die Trauben sind gesund und haben eben genau diese Salzigkeit, die sie so interessant macht.

 

Welche Rolle spielen auf Sardinien die aktuellen Trends der Weinwelt? Haben Rosé- und Schaumweine an Bedeutung zugenommen?

Andrea Pala: Fast jedes sardische Weingut hat mittlerweile einen Roséwein im Programm, aber der heimische Markt fragt keine Rosés nach. Die wenigen Mengen werden fast ausschließlich für den Export erzeugt. Bei uns werden traditionell sehr wenige Schaumweine produziert. Der Großteil davon sind keine flaschen-, sondern tankvergorene Weine. Obwohl Schaumweine ein wichtiges Marktsegment sind, können wir mit unseren Weinen nicht wettbewerbsfähig sein. Wir müssen unsere Weine teurer als Prosecco verkaufen – ohne jedoch sein Image zu haben. Heute haben es alle Schaumweine schwer, die nicht Prosecco heißen. Nichtsdestotrotz steigt der Anteil an sardischen Schaumweinen. Ich bin jedoch der Meinung, dass jede Region sich auf das konzentrieren sollte, wofür sie besonders geeignet ist. Und Sardinien ist nicht bekannt für Schaumweine, sondern für charaktervolle und unverwechselbare Weiß-und Rotweine aus autochthonen Rebsorten.

 

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