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Utz Graafmann wollte „etwas mit Wein“ machen. Der Diplom-Informatiker aus dem Ruhrpott hatte bereits ein erfolgreiches IT-Systemhaus für Ärzte gegründet und auf Wachstumskurs gebracht. Dabei galt das Anfang der 1980er-Jahre noch als ziemlich aussichtslos. Der modernste Computer war damals der IBM-PC ohne Festplatte, aber mit zwei Diskettenlaufwerken. „Zu dieser Zeit war es völlig verrückt zu glauben, dass man ausgerechnet eine Arztpraxis mit diesen Computern organisieren könnte“, erzählt Utz und lacht. Er bewies das Gegenteil. Es dauerte nur wenige Jahre, und sein Unternehmen arbeitete mit den Größten der Branche zusammen, beispielsweise mit Konzernen wie Nixdorf oder der Datev in Nürnberg.

Schließlich entdeckte er den Wein. Die Erfahrungen damit begeisterten ihn, er wurde zum Weinfreak. Doch die Weinwelt funktionierte damals noch analog. Das modernste Kommunikationsmittel war das Faxgerät, denn die Internetzugänge für Privatleute kosteten ein kleines Vermögen pro Monat. Sämtliche Informationen waren auf Papier gedruckt: Zeitschriften, die ersten Weinführer und Bücher zum Thema. Der junge Digital-Unternehmer dachte aber nicht mehr im Format gedruckter Seiten. Er suchte den Austausch mit anderen Weinfreunden, interessierte sich für Verkostungen und Treffen mit anderen Weinverrückten. 1998 wurden Internet-Zugänge für jedermann erschwinglich, es gab Browser und mehr oder weniger stabile Verbindungen. Und so tat er das, was er am besten konnte: Er konzipierte und programmierte Software. Eine für ganz andere Zwecke geschriebene Internet-Anwendung schrieb Utz in vielen Stunden Nachtarbeit zum ersten deutschen Weinforum um. Es traf den Geist der Zeit: Die Zahl der kostenfreien Anmeldungen schoss buchstäblich durch die Decke.

Unter den vielen tausend Nutzern war der niederösterreichische IT-Profi Norbert Tischelmayer, der wie Utz dem Wein verfallen war. Er füllte seine Wissenslücken mit kleinen Artikeln, die er zu jeder Frage, die sich ihm stellte, recherchierte und aufschrieb. Aus der an Utz gemailten, ersten Sammlung von 800 kleinen Artikeln im pdf-Format entstand so das heute größte Weinlexikon der Welt mit über 23.000 Einträgen, der Weinbaugeschichte von über 100 Staaten der Erde und den Biografien von über 600 internationalen Weinpersönlichkeiten.

Im Forum lernte er zudem den netzaffinen Weinhändler Marcus Hofschuster kennen, der Utz eine Idee einpflanzte: Ein digitaler, stets aktueller Guide deutscher Weine. In Deutschland gab es damals bloß einen Weinführer, die Verlage zeigten kaum Interesse am Thema. Marcus dachte, er könnte mit Utz die Idee in Ruhe durchdenken, zu einem Konzept formen, sie vorbereiten und Schritt für Schritt an den Start zu bringen. Ein, zwei Jahre, das war sein Horizont. Die Digitaluhr von Utz tickte schneller. Zwei Wochen später rief er Marcus an und teilte ihm kurz und bündig mit: „Wir machen das jetzt.“

Zu Beginn finanzierte Utz als alleiniger Eigentümer sein Wein-Startup mit Bannerwerbung, wie es alle anderen Websites auch taten. Doch nach wenigen Jahren funktionierte das nicht mehr, die Banner-Preise sanken rapide. Es wurde ernst für wein-plus.de. Utz spürte diesen Trend sehr früh, er war einer der ersten in Deutschland. Der Digitalunternehmer setzte daher auf ein Abo-Modell, das bis dahin noch niemand in Deutschland erprobt hatte. Später entwickelte er es zur Mitgliedschaft weiter. „Außer der Stiftung Warentest hat damals niemand Geld mit hochwertigen Inhalten verdient. Da kamen wir mit einem Abo. Das hat von Anfang an ziemlich gut funktioniert“, erinnert er sich. Und so schuf Utz aus Leidenschaft zum Wein und zu digitaler Kommunikation mit seinem wachsenden Team von Gleichgesinnten innerhalb von 22 Jahren die größte Weinplattform Europas.

Utz hat Familie, ist Vater von drei Kindern und arbeitet oft zuhause oder im Campingbus, das Team verteilt sich über Deutschland und die Welt. Digitale Tools, Clouds und Plattformen sind für alle so selbstverständlich wie der Traktor dem Winzer. Und doch pflegt Utz mit allen den persönlichen Kontakt, als würde er mit der Kaffeetasse im Türrahmen nebenan stehen. Die digitale Welt ist sein Kosmos. Doch der Wein ist die Umlaufbahn, auf der er sich bewegt. Die intensive Arbeit am Relaunch der Website ist weitgehend beendet, nun kann er den nächsten vorbereiten. Ideen, Konzepte und Ansätze hat Utz schon lange im Kopf. Denn für Utz ist die Zeit nach dem Relaunch die erste Phase vor dem Relaunch.

Seit wann interessierst du dich für Wein, Utz?

Das ist eine lange Geschichte. Als ich in den 1990er-Jahren nach Erlangen gekommen bin, habe ich mich schon für Wein interessiert, aber das Trinken hat mir völlig genügt. Mein IT-Systemhaus hatte damals dort eine Filiale gegründet. Bei der Eröffnungsfeier schenkte mir ein Gast, den ich nicht näher kannte, eine Flasche Weißwein. Was es war, weiß ich nicht mehr. Sie stand lange im Regal, bis ich beschloss: Die probiere ich jetzt. Hat mir echt gut geschmeckt! Also habe ich die leere Flasche genommen, bin zu einem Weinhandel gefahren, und habe ihm gesagt: Sowas in der Art will ich probieren. Tja, und bald habe ich zweimal pro Woche vor seinen Regalen gestanden. Das Thema wurde für mich immer spannender. Bald darauf habe ich die Weinzeitschrift „Alles über Wein“ abonniert und jede Seite gelesen. Aber das hat mir nicht gereicht. Ich konnte nichts über Termine und Verkostungen in der Umgebung erfahren, ich konnte mich auch nicht mit anderen Weinfreunden austauschen. Wie hätte ich sie finden sollen? Im Jahr 1998 wollte ich beruflich etwas Neues beginnen. Meine erste Idee war, eine Plattform zu schaffen, mit der ich mit Weinfreunden zusammenkommen und Erfahrungen austauschen konnte. Das war das Weinforum. Ich habe es 1998 gestartet, daraus ist wein.plus entstanden.

Wie und wann hast Du Marcus Hofschuster kennengelernt?

Wir sind uns online im Weinforum begegnet! Damals hatte ich eine Idee: Wir tauschten uns oft und intensiv über Weine aus, aber es gab ein Problem: Jeder debattierte über Weine, die alle anderen Nutzer nicht kosten konnten. Dieses Dilemma wollte ich mit dem „Weinstammtisch“ lösen, den wir viele Jahre in geänderter Form mit dem Weinpaket weitergeführt haben. Wir haben zentral interessante Weine eingekauft und an alle Interessierten verschickt, damit alle ihre Eindrücke austauschen konnten. Jemand musste sie aber auswählen! Daher haben sich einige Nutzer des Forums regelmäßig getroffen und darüber beraten. Häufig fand das privat bei mir zuhause statt. Einer, der immer am Tisch saß, war der damalige Weinhändler Marcus Hofschuster, den alle “Sam” nennen. Er verfügte über eine beeindruckende, präzise Sensorik. Bei einem dieser Treffen erzählte er mir von der Idee eines deutschen Weinführers. Damals gab es in Deutschland ja nur den damals kontrovers diskutierten Gault Millau. Mich hat diese Idee völlig begeistert. Da habe ich ihn angerufen und gesagt: „Das machen wir jetzt“.

Gab es eine Idee in der Entwicklung von wein.plus, die überhaupt nicht funktioniert hat?

Das war meine erste Geschäftsidee zum Thema Wein. Ich hatte das Weinforum gestartet und dazu eine Business-Idee entwickelt, die man heute „Marktplatz“ nennen würde. Weinhändler und Winzer konnten einen Shop mieten und ihn eigenständig betreiben. Wir wollten zudem dafür sorgen, dass weininteressierte Internetnutzer diese Shops im Netz schnell finden. Das kam aber nie ans Laufen. Wir waren damit viel zu früh dran, es war völlig illusorisch. Was sich aber vom Start rasant entwickelt hat, war das Weinforum. An dessen hitzige Debatten werden sich noch viele langjährige Mitgliederinnen und Mitglieder erinnern. Damit haben wir uns auf den Weg zum heutigen wein.plus gemacht.

Könntest du dir vorstellen, dass die Bewertungen von wein.plus irgendwann auch in Buchform erscheinen?

Ganz sicher nicht. Wir nutzen den grandiosen Vorteil, wenn man online arbeitet: Es gibt eine Menge Weine, deren Bewertungen Du bei wein.plus über 20 Jahrgänge hinweg verfolgen kannst. Oft sind sie ergänzt mit Sams Wertungen, die er mit einigen Jahren Reife immer wieder ergänzt. Das ist in der Weinszene einmalig, so etwas kannst du in Buchform niemals realisieren! Der Slow Food-Gründer Carlo Petrini hat mir mal gesagt, Wein-Plus sei ein gewaltiges Weinarchiv. Deswegen liebt er uns sehr. Unsere Jahrzehnte reichende Informations- und Bewertungstiefe in Kombination mit unserer Aktualität kann kein Buch der Welt abbilden.

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