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Er hat das größte Weinlexikon der Welt verfasst: Norbert Tischelmayer ist der Autor des Lexikons auf wein.plus. Aktuell umfasst es inzwischen rund 23.000 Stichworte, 50.000 Synonyme und mehr als 155.000 Querverweise, dazu fast 8000 Audiodateien zur richtigen Aussprache. Ein Ende? Nicht in Sicht.
Norbert Tischelmayer Norbert Tischelmayer

Geschaffen hat es Norbert Tischelmayer aus dem österreichischen Weinviertel. Hier wurde er 1945 geboren und hat seine Kindheit verbracht, ehe es ihn nach Wien zog. Doch Norbert ist kein Wissenschaftler, kein Lektor für Nachschlagewerke oder Redakteur eines Fachverlags. Sein Berufsleben hat er in der IT verbracht, die zu seinem Start im Jahr 1965 noch „Datenverarbeitung“ hieß. Zum Lexikon kam er in der ihm eigenen Mischung aus unstillbarer Neugier, systematischem Denken und seiner Liebe zu Literatur und Geschichte. In seiner Bibliothek zuhause stehen 3.000 Bände, von denen er nur einige noch nicht gelesen hat. Zu seinen Lieblingsautoren gehören Richard Dawkins, Yuval Noah Harari und Stephen King – und von dieser Mischung ist im Lexikon eine Menge zu finden. Denn es sind nicht nur Fachbegriffe, die er aufgenommen hat. Den Eintrag „Wein und Speisen“ hat er inzwischen weit über hundertmal geändert und aktualisiert. Darin findet sich beispielsweise nun auch der passende Wein zu gerösteten Heuschrecken. Norbert Tischelmayer will Antworten geben.

1999 ist er „rein zufällig“ auf Wein-Plus aufmerksam geworden. Die damalige Wein-Plus-Website war zu dieser Zeit noch recht überschaubar – und er hatte ein paar Monate zuvor damit begonnen, Weinfachwörter zu sammeln. Norbert schlug dem ihm unbekannten Utz Graafmann vor, auf Wein-Plus doch diese Weinbegriffe mit Erklärungen zu publizieren. Utz fand die Idee interessant, Norbert mailte ihm seine Sammlung im Word-Format mit 800 Stichwörtern. Publiziert wurde es auf der Website im PDF-Format. Zu dieser Zeit gab es noch keine Datenbank, und so fand Utz alle zwei bis drei Wochen eine neue Version in seiner Mailbox.

Wer Norbert Tischelmayers Neugier kennen lernen will, sollte in die Suchmaske des Lexikons den Begriff „Weinlexikon“ eingeben. Da erfährt man, mit welcher Faszination er am Thema arbeitet: Da versammelt er die Lieblingsweine von Leonardo da Vinci, Napoleon, Tut-Ench-Amun und William Shakespeare, lernt sämtliche 40 Flaschengrößen kennen, die es weltweit gibt - und erfährt alles über Bikiniwein, den möglichen Einfluss von Mondphasen auf die Weinbereitung sowie Zitate von Persönlichkeiten wie Salvador Dali: „Wer genießen kann, trinkt keinen Wein mehr, sondern kostet Geheimnisse.“

Warum hast du begonnen, ein Weinlexikon aufzubauen?

Ich bin spät zum Wein gekommen, erst im Alter von 45 Jahren. Bis dahin hatte ich kaum Wein getrunken. Der Grund war ein „traumatisches“ Kindheitserlebnis: Im Alter von etwa 12 Jahren hatten mein Bruder zwei Freunde und ich aus dem Weinkeller meines Vaters einen sogenannten „Doppler“ entwendet, das ist in Österreich eine Zweiliterflasche. Und den tranken wir als Mutprobe in kürzester Zeit aus: Jeder von uns zwei Viertel Wein. Man kann sich vorstellen, wie es uns ging und ich deshalb jahrzehntelang Wein nicht einmal riechen konnte, ohne dass mir schlecht wurde. Anfang der 1990er-Jahre nahm ich auf Einladung eines Kollegen an einer Weinverkostung teil – und so wurde mein Interesse geweckt. Ich hatte ja relativ wenige Kenntnisse über Wein, obwohl ich in einer Weingegend geboren wurde und inmitten von Weingärten aufgewachsen bin.

Deshalb begann ich, Weinbegriffe schriftlich zu erklären, nur für mich persönlich. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich nicht im Traum daran, sie zu publizieren. Den ersten Begriff erinnere ich genau: Es war die „malolaktische Gärung“ – auch „biologischer Säureabbau“ oder „BSA“ genannt. Ich hatte bis dahin keine Ahnung, dass dies ein normaler Vorgang bei der Rotweinbereitung ist. Ich kaufte mir also einige Weinbücher und surfte im damals im noch sehr schlanken Internet. Dabei begegneten mir viele weitere, für mich unbekannte Begriffe – etwa Tannin, Anthocyan oder Barrique-Ausbau. Mein Ziel war, mehr über das Thema Wein zu erfahren. Wein gehört schließlich zu jenen drei Themen, bei denen Männer niemals zugeben würden, davon nichts zu verstehen. Die anderen beiden sind Fußball und Autofahren.

Das erste Werk ließ ich von einem Kollegen lesen, der sich mit Wein auskannte. Der nickte: „Gar nicht so schlecht – mach weiter“. Ich schrieb rund 60 Verlage an und erhielt nur Absagen. Doch dann meldete sich ein Verlag, den ich gar nicht kontaktiert hatte. Im Jahre 2001 wurde „Tischelmayer´s Weinglossar – 2.777 Begriffe rund um den Wein“ gedruckt und in den folgenden Jahren rund 8.000 mal verkauft. Parallel dazu entwickelte ich das bei Wein-Plus veröffentlichte Lexikon weiter. Heute umfasst es rund 22.500 Stichwörter. Das ist gegenüber dem ersten Wein-Plus-Umfang mit 800 Stichwörtern das 28-fache.

Welcher Eintrag war für dich der schwerste und aufwendigste, den Du verfasst hast?

Schwierig war schon der allererste („Malolaktische Gärung“). Ich habe an diesem Begriff viele Jahre lang immer wieder gearbeitet. Aber der aufwändigste bezüglich Zeit und Quellen war das Stichwort „Reben-Systematik“. Hier gibt es bis heute keine hundertprozentig gültige Definition, sondern unterschiedliche bis widersprüchliche Aussagen auch von Fachleuten. Dieses Stichwort hat zudem auf zumindest 150 weitere Stichwörter einen Bezug. Sie muss ich nach jeder Änderung des Hauptstichwortes alle prüfen und korrigieren. Für das Stichwort selbst habe ich rund drei Monate gearbeitet. Nicht täglich acht Stunden, aber regelmäßig - bis heute.

Arbeitest Du systematisch, alphabetisch oder nach Interesse und Laune?

Ich bin - nicht selten zum Leidwesen meiner Umgebung - ein sehr systematisch und strukturiert vorgehender Typ. Kriterien für Änderungen sind: Erstens weingesetzliche Änderungen, zweitens Anregungen von Usern. Mein persönliches Ziel ist dabei die Beantwortung jedes Nutzerkommentars innerhalb von 24 Stunden. Das habe ich in den vergangenen 20 Jahren zu 99 Prozent geschafft. Drittens von mir gesetzte Schwerpunkte – zum Beispiel die Aktualisierung aller Rebsorten auf Grund von veröffentlichten DNA-Analysen zur Abstammung sowie die Integration von Bildern ins Lexikon. Das war mein Schwerpunkt der vergangenen zwei Jahre – in über 2.700 Stichwörtern ist nun zumindest ein Bild oder eine Grafik eingebaut.

Ein guter Geist gibt Dir zwei Wünsche frei: Du darfst eine Flasche Wein Deiner Wahl ohne jede Beschränkung mit einer Person Deiner Wahl trinken. Die Sprache spielt keine Rolle, dafür sorgt der Geist. Wen würdest Du mit welchem Wein treffen?

Richard Dawkins. Der britische Evolutionsbiologe und Religionskritiker ist mein Lieblingsschriftsteller, ich habe alle seine Bücher gelesen. Dawkins hat die Gabe, komplizierteste Sachverhalte anschaulich zu erklären. Unter anderem, warum man kein höheres Wesen oder ein Wunder benötigt, um die vielen in der Natur vorkommenden Phänomene zu verstehen und zu erklären. Etwa, warum eine Zikadenart in den USA nur alle 17 Jahre auftritt. Mit ihm würde ich eine Flasche Pingus des spanischen Weinguts Dominio de Pingus trinken, weil ich neugierig bin, wie ein mit extremster Ertragsbeschränkung hergestellter Wein wohl schmecken mag. Die besten Beeren werden einzeln aus jeder Traube händisch heraus gepflückt, jeder Rebstock erbringt maximal ein halbes Glas Wein. Deshalb ist er auch extrem teuer (Jg. 2016 € 1.500).

Welche Rolle spielt Wein in deinem Leben außerhalb der Lexikon-Arbeit?

Wein spielt für mich seit 20 Jahren eine große Rolle – und zwar in erster Linie nicht als Genussmittel, sondern weil die Beschäftigung damit viele meiner Interessen abdeckt: schreiben, recherchieren, Rätsel lösen, dazu mein ausgeprägtes Faible für Geschichte. Aber ich genieße ihn auch gerne. Am liebsten einen Weißwein, bevorzugt Frühroter oder Roter Veltliner aus meiner Heimat, dem Weinviertel in Niederösterreich.

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