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„Scheiden tut weh“, sagt man. Mann oder Frau haben gar nicht so unrecht. Jede Veränderung enthält beides, das Alte, das abstirbt, weggeht, meist auch bald in der Vergessenheit versinkt. Und das Neue, das man zuerst erfahren, kennenlernen muss, an das man sich wohl auch rasch gewöhnt. Warum soll es mir und dieser – meiner – Kolumne anders ergehen? Es ist die letzte, die ich bei Wein-Plus schreibe, schreiben kann, schreiben darf. Das Magazin – so wie es sich heute präsentiert – wird verschlankt, abgespeckt, aufs Kerngeschäft getrimmt. Vor nahezu neun Jahren – am 6. Dezember 2005 – habe ich die erste Kolumne geschrieben und von da an alle 14 Tage ein neues Thema aufgegriffen. 226 sind es geworden. Alle subjektiv, sehr subjektiv, aus der Sicht eines Weinliebhabers, eines Sammlers, eines Umtriebigen in Sachen Wein.

 

Bild aus einer der ersten Kolumnen; Thema: „Große Verkostungen oder Staatsbegräbnisse erster Klasse“ (Foto: P. Züllig)

Utz Graafmann, der Gründer und Geschäftsführer von Wein-Plus, hat mir vertraut, mir die Möglichkeit gegeben, im größten europäischen Wein-Netzwerk „über den Rand hinaus zu denken“ und festzuhalten, was an Gedanken, Fragen, Erlebnissen, Erfahrungen im Alltag so aufgetaucht ist. Er hat nie etwas zensiert, in Frage gestellt oder abgelehnt. Die Kolumne erschien so, wie ich sie geschrieben habe, auch wenn sie unter oder neben dem Kerngeschäft gelegen hat. Für diese Meinungs- und Narrenfreiheit bin ich dankbar, unglaublich dankbar. Vielleicht war es auch diese eher seltene, unkonventionelle Offenheit, außerhalb des routinierten Geschäftsgangs, welche Wein-Plus ein kleines Stück Einmaligkeit, Besonderheit, Anderssein gegeben hat. Kürzlich war ich eingeladen bei einem renommierten Winzer zu einer Präsentation seiner Weine, verbunden mit einem hervorragenden Essen – fünf Gänge – und einer Kellerbesichtigung. Am Schluss wollte ich doch noch wissen, warum ich zu dieser Ehre gekommen bin, denn ich existiere nicht auf seiner Kundenliste, und als Journalist bin ich längst nicht mehr tätig. Er meinte lachend: „Wissen Sie, ich lese immer Ihre Kolumne bei Wein-Plus, weil sie so wohltuend anders ist, so ganz anders, als die normierte Weinpublizistik.“ Dies hat mich im sonst so routinierten Weinbetrieb (wie viele Besichtigungen von Weinkellern und wie viele Wein-Präsentationen habe ich doch schon erlebt!) wieder einmal nachdenklich gestimmt und angeregt zu eigenen Gedanken, Überlegungen, Einsichten, die ich in meiner nächsten Kolumne einbringen wollte. Soweit ist es nicht mehr gekommen. Die Kolumne wird eingestellt, jetzt.

 

Bild der letzten (geplanten) Kolumne; Thema: Cicero war nicht nur ein römischer Politiker% Philosoph und berühmter Redner. Cicero ist auch eines der besten Weingüter in der Schweiz. (Foto: P. Züllig)

Weder der Winzer noch ich ahnten, dass damit so etwas wie das Schlusswort in dieser Kolumne gesprochen wurde. Nicht präzise ausformuliert, einfach aus dem Alltag gegriffen, hingeplaudert, aus Höflichkeit, aus Verlegenheit, aus der eigenen Erfahrung. Wer weiß es schon so genau? Für mich war dies aber das schönste Lob, das ich in all den Jahren – in Bezug auf die Kolumne – erfahren habe. Ein Stück Alltag, Weinalltag, einzubringen in das oft schmucklose Kerngeschäft, das wollte ich, und oft – so scheint es – ist es mir auch gelungen. Ich musste mich nie kümmern um Einschaltquoten, Marktanteile, Unkosten und das berühmte Verhältnis von Aufwand und Ertrag. Die einzige Routine war der Termin, alle 14 Tage musste er kommen, der zündende Gedanke. Oft kam er, oft auch nicht, oft lag ich gut im Trend, oft auch nicht. All das beschäftigte mich wenig, ich notierte, dachte, schrieb und fotografierte. Es waren an die 20.000 Aufnahmen, mit denen ich meine Gedanken zu illustrieren versuchte. Meine Kamera war immer mit dabei, wenn ich – wo und wie auch immer – beim Wein war. Etwa 1.000 Bilder davon habe ich in meine Kolumne eingebaut: Bilder rund um das Thema Wein. Weitaus die meisten habe ich also „auf Vorrat“ geschossen, sie ruhen jetzt in meinem Archiv. Trotzdem war ich immer wieder in Bildnotstand. Gedanken und Worte lassen sich oft nur schwer in Bildern erfassen. Bilder haben immer ihr Eigenleben, nicht viel anders als es meine Kolumne hatte. Wichtig war für mich das „Bild hinter dem Bild“, oder eben die „Geschichte hinter der Geschichte“.

 

Links: ich im Weinberg – vor neun Jahren% als ich beschloss% diese Kolumne zu schreiben. Rechts: ich heute – mit der Kamera auf Weingütern in Südafrika unterwegs. (Fotos. P. Züllig)

Und die passt nicht immer ins Kerngeschäft eines Unternehmens. Da hilft alles nichts, auch nicht ein wunderbares Glas Wein, auch nicht die leichte Wehmut des Abschiednehmens und schon gar nicht trübe Gedanken über all das, was noch zu tun (oder sagen) wäre und das man nicht getan (oder gesagt) hat. Es bleibt mir der Dank an alle, die mich gelobt und getadelt haben, in all den Jahren, die ausgehalten und mich wahrgenommen haben, neun Jahre lang, hier bei Wein-Plus, die mir (meist privat) geschrieben haben und die – es sind viele – zu guten Freunden wurden. Auch ein paar „Feinde“ habe ich mir geschaffen, ihnen bin ich besonders dankbar. Für mich sind es keine „Feinde“, vielmehr Menschen, Leser und Leserinnen, die mich gezwungen haben „über den Rand hinauszudenken“, vieles von dem, was ich als gesichert betrachtet habe, zu hinterfragen, neu zu definieren, mich neu zu finden.

 

Wümmle 2014 – Weiß- und Grauburgunder-Beeren an der gleichen Traube (Foto: P. Züllig)

In meiner ersten, der Kolumne 1, habe ich geschrieben: „Ich weiß vieles (noch) nicht, aber das, was ich hier schreibe, habe ich immer selber erfahren. Erfahrungen sind subjektiv, deshalb aber nicht weniger wahr! Wir können eben Welt – auch die Weinwelt – zwar definieren, beschreiben, aber nur subjektiv erleben.“ Dieser einfache, aber grundlegende Gedanke kam mir bei der Weinlese in den Rebbergen der Bündner Herrschaft (Ostschweiz), wo wohl die besten Pinot Noirs der Schweiz wachsen und wo ich im Augenblick wieder beschäftigt bin, Jahr für Jahr: „Wimmlen, sagt der Bündner – und meint nicht bloß die Traubenernte, sondern verbindet damit auch seine ganze Liebe zur Rebe und zum Wein. Wimmle ist nicht nur Lese, es ist Auslese.“ So habe ich meine Kolumne verstanden. „Die guten Beeren werden von den schlechten getrennt. Traube um Traube, Beere um Beere. Nur so kann schließlich jener Pinot werden, der zu den besten gehört.“ In der Kolumne war das nicht viel anders. Auslese: Gedanke um Gedanke, Erlebnis um Erlebnis, Bild um Bild. Ob daraus das Beste geworden ist, das habe nicht ich, das haben Sie zu entscheiden.

Herzlich
Ihr/Euer

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