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Merum: Paul Pontallier von Château Margaux hat vor einigen Wochen darüber nachgedacht, seinen Zweitwein, den Pavillon Rouge, möglicherweise schon bald mit Schraubverschluss auszustatten. Wird der Drehverschluss in den nächsten Jahren den Naturkork weiter verdrängen?

Jung: Ich glaube nicht, dass der Drehverschluss den Naturkork jemals ganz ersetzen wird. Insbesondere für hochwertige Weine werden die Winzer nach wie vor Naturkork verwenden, weil er ganz spezielle physikalische Eigenschaften besitzt, mit denen man Flaschen gut verschließen kann. Ein weiterer Vorteil ist seine Natürlichkeit. Er ist aus einem ökologisch wertvollen Rohstoff, der heute nicht mehr so verwendet wird wie noch vor vielen Jahren, als er eine Art Monopolstellung hatte.

Merum: Kork-Befürworter argumentieren, dass man dank Hygiene und neuester Techniken das TCA-Problem immer besser in den Griff bekommt. Stimmt das? Sind Flaschen mit Korkfehler in den letzten Jahren spürbar zurückgegangen?

Jung: Früher hat man jegliches Korkmaterial zu Flaschenverschlüssen verarbeitet, auch die minderwertigste Qualität. Heute werden dank der vielen Alternativen nicht mehr alle Korkpartien zur Flaschenkorkproduktion gebraucht. Das hat unter anderem zu einer allgemeinen Qualitätsverbesserung bei Naturkorken geführt.

Das Problem des Korkgeschmacks ist tatsächlich in den letzten Jahren signifikant geringer geworden. Wenn man einen guten Naturkork verwendet und keine Probleme damit hat, muss man auch nicht unbedingt nach einer Alternative suchen. In Geisenheim beschäftigen wir uns übrigens gerade damit, woher dumpfe, muffige Fehltöne kommen, die nicht vom Naturkorken stammen. Das TCA (Trichloranisol) wird durch Schimmelpilze gebildet und kann überall entstehen, wo es feucht wird. Bei Versuchen mit alternativen Verschlüssen wiesen einige Weine trotzdem Mufftöne und Korkgeschmack auf.

Nachdem wir den Dingen auf den Grund gegangen sind, haben wir die Quellen identifizieren können. Es waren unter anderem verseuchte Dichtungen, schmutzige Schläuche, verschimmelte Holzpaletten. Das ist ein immenses Problem in vielen Kellereien.

Merum: Warum tun sich Ihrer Meinung nach die Winzer in Frankreich, Italien und Spanien so schwer mit dem Schraubverschluss?

Jung: Das ist eine Mentalitätsfrage. Diese Länder hängen viel mehr an ihren Traditionen und sind bei solchen Entscheidungen weniger sprunghaft. Nehmen wir hingegen die Österreicher, die gingen auf eine extreme Weise weg vom Naturkork, erst zum Plastikstopfen, mittlerweile zum Schraubverschluss. Die deutschen Winzer sind bei ihren Verschlüssen flexibel, aber das Thema wird heiß diskutiert, und es herrscht nach wie vor große Unsicherheit.

Merum: Wie erklären Sie sich, dass heute noch so viele Weine mit minderwertigen Agglomeratkorken bzw. Zwei-scheibenkorken verschlossen werden?

Jung: Es ist schade, dass viele Winzer noch immer auf minderwertige Korken zurückgreifen, vor allem weil bei Agglomeratkorken meist nicht nur eine Flasche, sondern eine ganze Charge betroffen ist. Das können schnell hunderte von Flaschen sein, die man mit schlechten Korken verseucht. Viele Kellereien scheuen sich vor den Investitionen, die eine Umstellung auf Drehverschluss mit sich bringt. Manchmal ist es sehr schwierig, die Winzer davon zu überzeugen.

Einige Produzenten wollen aber auch aus ökologischen Gründen beim Naturkork bleiben, da die Aluminiumherstellung sehr energieaufwendig ist. Die Aufbereitung des Aluminiums für die Drehverschlüsse ist eine große Umweltbelastung. Ich selbst finde den Drehverschluss sehr gut, er funktioniert wunderbar, ist aber sicher nicht in jeglicher Hinsicht ideal.

 

Professor Dr. Rainer Jung ist seit 2005 Stellvertretender Leiter des Fachgebiets Kellerwirtschaft an der Forschungsanstalt Geisenheim. Er studierte Weinbau und Önologie in Geisenheim und Gießen und promovierte über "Untersuchungsmethoden zur Beschreibung der Korkqualität". An der Forschungsanstalt Geisenheim ist er seit 1995 tätig. (Foto: Merum)

Merum: Worauf muss der Winzer vor bzw. während der Abfüllung achten, wenn er einen Drehverschluss verwenden will?

Jung: Er muss sich in erster Linie bewusst sein, dass er dadurch einen größeren Kopfraum hat, das heißt, er hat mehr Sauerstoff in der Flasche. Er muss überlegen, was er mit diesem Kopfraum macht.

Viele inertisieren den Raum mit Kohlendioxid, was die Weinqualität aufgrund der geringen Mengen nicht beeinträchtigt. Der Winzer muss auch wissen, dass bei einem Drehverschluss weniger Sauerstoff während der Lagerung an den Wein dringt. In den meisten Fällen gibt er daher weniger SO2 (Schwefeldioxid) bei der Abfüllung zu als bei einem Wein, der mit Naturkork verschlossen wird.

Insbesondere bei Rotweinen arbeiten viele Winzer außerdem mit Mikrooxidation, das heißt, sie bereiten bereits während der Vinifikation den Wein auf die Abfüllung mit dem Drehverschluss vor. Die Weine, die mit Drehverschluss versehen sind, werden sich mit Sicherheit anders entwickeln, sie reifen langsamer als diejenigen mit Naturkork.

Merum: Für welche Weine würden Sie Drehverschlüsse verwenden? Gibt es Weine, für die Sie bevorzugt Naturkorken verwenden würden?

Jung: Ich würde den Drehverschluss für frische Weiß- und auch Roséweine verwenden, also für Weine, die relativ jung konsumiert werden, auch wenn Drehverschlüsse sich durchaus auch für einen längeren Lagerzeitraum eignen. Wir lagern zum Beispiel in Geisenheim seit den 70er-Jahren unsere Versuchsweine mit Drehverschluss, weil wir da eben keine Variationen akzeptieren, die vom Korken her kommen könnten.

Der Nachteil von Naturkork ist nämlich neben dem Risiko von Korkgeschmack vor allem, dass es von Flasche zu Flasche große Unterschiede in der Weinentwicklung gibt. Wenn man sich als Winzer auf Naturkork einlässt, muss man diese Schwankungen akzeptieren. Diese Sorge hat man mit Drehverschlüssen nicht, da bleibt die Weinqualität konstant.

Letztendlich ist es oft eine Image-Entscheidung, die der Winzer trifft. In Württemberg, wo man relativ früh begonnen hat, mit Drehverschluss zu arbeiten, haben die Winzer auch zunächst nur die 1-Liter-Flaschen damit versehen, um zu schauen, wie die Konsumenten reagieren. Sehr schnell hatte der Drehverschluss ein „Billig-Image“. Mittlerweile hat sich das in Deutschland dank einer Reihe junger Winzer, die Drehverschluss auch für hohe Qualitäten verwenden, wieder etwas gewandelt.

Merum: Gibt es den einen perfekten Verschluss für alle Weintypen überhaupt?

Jung: Nein, den gibt es nicht. Jeder Verschluss hat seine Vor- und Nachteile. Ich habe zum Beispiel gute Erfahrungen mit DIAM gemacht, einem Korken aus Feingranulat, das mit überkritischem Kohlendioxid gereinigt wird. Dieses Verfahren kennt man auch aus der Entkoffeinierung von Kaffee. Der DIAM-Korken ist für mich eine gute Kombination aus nachwachsendem Rohstoff und moderner Technologie.

90 Prozent aller Weine, die heute auf den Markt kommen, werden innerhalb von zwei Jahren getrunken. Für diesen Lagerzeitraum ist eigentlich jeder Verschluss geeignet. Diskutiert wird aber immer über die restlichen zehn Prozent. Für die längere Lagerung sind sowohl Natur- und Glaskorken als auch Drehverschlüsse geeignet. Und dann stellt sich oft nicht die Frage, welcher technische der beste, sondern welcher der imageträchtigste Verschluss ist und welcher am besten zum Wein und zum Weingut passt. Es ist selbstredend, dass man bei jeglicher Entscheidung immer auf die beste Qualität achten sollte.

Das größte Risiko droht dem Wein von minderwertigen Agglomeratkorken, die ja aus Abfallprodukten mit Klebstoff zusammengesetzt sind. Dort ist die Gefahr groß, dass der Wein sowohl nach TCA als auch nach einem vom Klebstoff hervorgerufenen Plastikton schmeckt. Bei hochwertigen Naturkorken gibt es immer weniger Ausfälle. Kronkorken verschließen ähnlich gut wie Drehverschlüsse, haben aber beim Verbraucher ein noch schlechteres Image. Der Vino-Lok ist im Vergleich zu den anderen Verschlüssen wesentlich teurer. Daher hat er einen sehr kleinen Marktanteil.

Zum Magazinartikel "Drehverschluss wird salonfähig"

Zum Magazinartikel "Die häufigsten Verschlüsse"

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