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Dr. Schmitt ist Leiter der Bayr. Landesanstalt für Weinbau u. Gartenbau, Würzburg - Veitshöchheim. Der folgende Artikel ist ein Auszug aus seinem Buch "Das neue Buch vom Frankenwein" (1997 Echter Verlag Würzburg) und wird mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor hier veröffentlicht.

So gut wie jedem Weinfreund ist er schon begegnet: der leidige Korkgeist, der die Freude auf den Weingenuß so jäh beenden kann. Sein Auftreten ist um so ärgerlicher, je wertvoller der betreffende Flascheninhalt ist. Der Stopfen aus Naturkork gilt als Ausweis eines guten Weins. Dennoch ist er nicht der ideale Flaschenverschluß; regelmäßig trägt er sogar dazu bei, den Wein, den er in der Flasche bewahren soll, zu verderben: durch den "Korkgeschmack" nämlich.

Dieser Fehler ist nicht eindeutig zu definieren, er kann verschiedene Ursachen haben. Äußerlich sichtbare Ursachen sind Schimmelbefall oder das Eindringen der Korkmotte. Diese tritt heute nur mehr äußerst selten auf, dann vor allem in sehr feuchten, alten Kellern. Sie kann jedoch wirksam bekämpft werden. Kork ist ein natürlicher Stoff. Das Korkgewebe besteht aus Membranen, deren Zellwände aus Zellulose (Stützsubstanz), Korkwachs (weitgehend undurchlässig für Flüssigkeiten und Gase) sowie einer verholzten Schicht (gibt Festigkeit) besteht. Kork (lat. cortex=Rinde) wird aus der Rinde der Korkeiche (Quercus suber) gewonnen, die aus klimatischen Gründen fast nur in den westlichen Mittelmeerländern gedeiht. Ihre Anbaufläche beläuft sich auf rund 2,7 Millionen Hektar. Der Baum schützt sich mit der mehrere Zentimeter dicken, nachwachsenden Rinde vor Austrocknung, Hitze und Schädlingen.

Mehr als 50% der Rinde wird in Portugal gewonnen, etwa 20% in Spanien. Weitere nennenswerte Erzeugerländer sind Algerien,Italien und Marokko. In der Verarbeitung, d.h. in der Herstellung des Endproduktes Flaschenkork, rangiert Portugal mit fast 80% weit an der Spitze. Die Bäume werden acht bis zehn Meter hoch und haben eine Nutzungsdauer von etwa 200 Jahren. Zum ersten Mal kann die Rinde abgeschält werden, wenn der Baum 25 Jahre ist; diese "Jungfernrinde" darf aber noch nicht zur Herstellung von Flaschenkorken verwendet werden. Die weiteren Ernten erfolgen in Abständen von 9 bis 12 Jahren. Nach der Ernte wird die Rinde ein Jahr und länger abgelagert, dann in Wasser gekocht, gepreßt, in Platten von handlichem Maß geschnitten und nach Qualität sortiert. Dann werden aus den Platten Streifen geschnitten, aus den man schließlich die zylindrischen Stopfen ausstanzt. Diese Rohlinge müssen noch an den Stirnflächen geglättet und rundgeschliffen werden. Danach erfolgt das Bleichen, das Sortieren nach Güteklassen, das Imprägnieren mit einer wachsartigen Substanz (um den Stopfen gleitfähig zu machen) und schließlich der Korkbrand (heute meist ein Aufdruck). Je kostbarer der Wein, je länger er gelagert werden soll, um so besser muß der Korken sein, der die Flasche verschließt. Ein hochwertiger Korken darf nur wenige Poren haben, die senkrecht zu den Jahresringen stehen. Selbst der beste Korken aber kann einen "Korkgeschmack" verursachen, den berüchtigten "Muffton".

Die Voraussetzung zur Entstehung der dafür verantwortlichen Stoffe ist überaus kompliziert, es sind sowohl biologische als auch chemische Vorgänge beteiligt. Von wesentlichem Einfluß auf die Bildung solcher Fremdnoten sind die Lagerbedingungen der Korkplatten in den Produktionsstätten. Denn dort überziehen sich diese mit einer von Mikroorganismen verursachten Schimmelschicht. Das Vorhandensein dieser verschiedenen Schimmelkulturen kann dann zu Problemen beim späteren Flaschenwein führen. Denn die chemische Verbindung "Trichloranisol", die den typischen Korkmuffton im wesentlichen verursacht, kann von eben diesen Mikroorganismen während der Lagerphase und auch später erzeugt werden. Schon bei einem Gehalt von 50 Milliardstel Gramm Trichloranisol (entsprechend

der Lösung eines Stücks Würfelzucker in einer Menge Wasser, die in 3000 Tankwagen enthalen ist), kann damit gerechnet werden, daß eine Flasche Wein ungenießbar wird. Daneben können noch andere Verbindungen, die sich geruchlich und geschmacklich erst in wesentlich höherer Konzentration bemerkbar machen, daß Geschmacksbild des Weines negativ beeinflussen.

Heute steht der Korken in der Weinbranche in Konkurrenz zu anderen Verschlüssen, die den eigentlichen Anforderungen, nämlich den Wein vor Verdunstungsverlusten und Luftauerstoff zu schützen sowie geschmacksneutral zu sein, voll entsprechen. Gemeint sind hier der Schraub- oder Drehverschluß und der Kronenkork.

Es ist übrigens eine irrige Meinung zu glauben, der Wein benötige den Naturkorken, um "atmen" oder sich entwickeln zu können. Gerade das Gegenteil ist der Fall, jeglicher Zugang von Sauerstoff zum Wein über den Verschluß ist von Nachteil. Vergleichende Lagerversuche haben dies eindeutig bestätigt. Sie haben auch zur Erkenntnis geführt, daß weinbauliche Versuche nur dann glaubwürdige Ergebnisse liefern können, wenn die besagten Weine mit einem neutralen Verschluß, keinesfalls mit dem Naturkorken, verschlossen waren.

Es sei hier nur daran erinnert, daß man noch vor Jahrzehnten hochwertige, mit hohem Lagerpotential ausgestattete Weine am Korken mit Siegellack überzog, um dem Luftsauerstoff den Zugang zu verwehren. Hier konnte der Wein auch nicht "atmen", und wie prächtig haben sich diese Weine entwickelt!

Naturkork oder Schraubverschluß? Eine Frage, die beim Verbraucher sofort Emotionen weckt. Er will den Schraubverschluß nicht akzeptieren, schon gar nicht beim Bocksbeutel. Für ihn gehören guter Wein und Naturkork zusammen, auch wenn das weiß Gott mit Qualität überhaupt nicht in Verbindung zu bringende "Plopp" als Hauptargument bei "pro Naturkork" herhalten muß. Die Ratio versagt hier. Ist ja auch in Ordnung, nur...ja nur, wenn das Problem "Korkschmecker" eben nicht währe. Sehr fatal ist es für den Naturkork-Anwender, wissen zu müssen, daß es nicht genügend erstklassig Korken gibt - die Natur läßt nicht mehr zu - und daß noch so gute (und teure) Korken nur ein gutes Abdichten garantieren, bei den Korkmufftönen den anderen aber keineswegs nachstehen. Eine andere Alternative

zum Naturkork herkömmlicher Art, der sogenannte Preß- oder Agglomerat-Korken, der aus Abfallprodukten hergestellt wird, ist gar keine, denn das Fehlton-Risiko ist hier ungleich höher, ist gerwissermaßen schon vorprogrammiert.

Solange Weinflaschen mit Naturkorken verschlossen werden, muß der Weintrinker mit dem Korkgeschmack rechnen. Selbst wenn bei der Herstellung eine größere Sorgfalt geübt würde, völlig zu vermeiden wäre er nie.

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