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Das Pilgern von Weingut zu Weingut ist zum Sport vieler Weinliebhaber geworden. Man möchte schließlich wissen, wo die Lieblinge herkommen, die man im Keller lagert; man möchte das Gelände kennenlernen, wo sie aufgewachsen sind, ihr Mutterhaus besuchen. Ich rede da nicht von den Kontakt- und Einkaufstouren der Weinhändler und -vermittler, für sie gehören Winzerbesuche zum Geschäft, zum Beruf. Ich rede auch nicht vom Verkauf der Weine direkt ab Hof, der vor allem für kleinere Weingüter (ohne großes eigenes Vertriebssystem) wichtig, ja, notwendig ist, um leben (oft auch überleben) zu können. Ich denke da an die ritualisierten Prozessionen zu den bekanntesten Namen und Größen in allen prestigeträchtigen Weinregionen. Bordeaux mit seinen repräsentativen Châteaux dient wohl als Vorbild. Da gehört – seit Jahrhunderten – das Zeigen von Erfolg und Wohlstand zum Geschäft mit dem Wein. Dagegen ist eigentlich nichts einzuwenden. Auch der Wein darf ein prunkvolles, ein historisch interessantes, ein schönes, oft auch ein ruhmreiches Zuhause haben.

 

Besuch auf dem berühmten Château Cheval Blanc% St-Émilion% vorbei am Wahrzeichen des Weinguts (Foto: P. Züllig)

Es stellt sich aber die Frage: Welche Informationen können bei der Präsentation eines Weinguts vermittelt werden? Und wie wichtig ist diese Präsentation? Sie gehört zweifellos zum Image eines Weins und des damit verbundenen Weinguts, zumindest im Kreis der Weinliebhaber. Davon zeugt der rege Verkehr der Weintouristen im Umfeld der bekanntesten und berühmtesten Weingüter. Man macht „Heimbesuche“ und hofft dabei „Homestories“ zu erleben. In der Presse – in Illustrierten und vor allem in den Boulevardblättern – sind „Homestories“ heimisch und seit vielen Jahren ein sicheres Erfolgsrezept, weil damit das Gefühl vermittelt wird, möglichst nahe dran zu sein, mit eigenen Augen zu sehen, vor Ort direkt zu erleben, hinter die Kulissen und Mauern schauen zu dürfen... Warum soll das im Geschäft mit dem Wein nicht genau so funktionieren? Schließlich geht es nicht nur darum, wie ein Wein schmeckt, nach dem Kauf, zu Hause, im Glas. Es geht auch darum – vor allem unter Weinenthusiasten –, erzählen zu können, woher ein Wein kommt, wie er entstanden ist, man möchte seine Erzeuger und Erzieher kennen lernen; selber sehen, wie ein Wein behandelt (oder misshandelt) wird.

 

Führung durch einen Weinkeller in China: Dragon Seal (Foto: P. Züllig)

Dazu sollen die Besuche auf Weingütern, bei Winzern und in weinverarbeitenden Betrieben dienen. Vor allem im Ausland, in Weingebieten, zu denen man als erklärter Weinliebhaber – zumindest einmal im Leben – pilgern muss, zum Beispiel ins Burgund, Bordelais, Napa Valley, Barossa Valley, in die Toskana oder gar nach Stellenbosch. Findet man aber da – mitten im Weintouristenstrom –, was man eigentlich sucht oder zu suchen vorgibt? Zum Beispiel einen intimen Blick hinter die Kulissen (oder Mauern) der Weingüter, oder landet man nicht unweigerlich vor Kulissen, bei geschäftlich-netten Empfangsdamen und -herren, in Showräumen und bestenfalls in einem Vorzeigekeller, wo die Barriques in Reih’ und Glied aufgebahrt sind?

Es ist erlaubt, ein paar Fotos zu machen, an denen man später wenig Freude hat, weil der Keller zu dunkel oder der Blitz zu schwach war. Die dienstbeflissenen Damen und Herren – Vertreter des Hausherrn, des Kellermeisters oder des Weinmachers (denen man in der Regel nie begegnet) – sind jederzeit bereit, Besucher einzeln oder in Gruppen zu knipsen (natürlich mit Hintergrund des Weinkellers oder eines Emblems des Weinguts), und sie erzählen (besser gesagt sie zählen auf), was man eigentlich schon weiß, gelesen hat oder später – bei der obligaten Verkostung – nochmals zu hören bekommt. „Ausbau in Barriques, zwei Drittel neue Fässer, französische Eiche, Lagerung 18 Monate...“, so oder ähnlich klingt die gekonnt abgespulte Information. Auf besonders beliebten (deshalb oft besuchten) Weingütern verzichtet man sogar auf dieses Ritual. Man hat Schaufenster eingebaut, die den Blick zum Fasslager freigeben, wo Barriques ruhen, meist eingetaucht in magisch-geheimnisvolles Licht, oder die Sicht in einen modernen Keller, der sich nur durch die hohen, eleganten, silberglänzenden Gärtanks als Kelterei zu erkennen gibt . Die vermittelte Botschaft: Da also wird unser Wein gemacht, in hochmodernen Anlagen und romantischen Kellern. Die alten Werkzeuge, Zeugen der Weinbereitung wie Presse, Kelter, Fuder etc. stehen als Schaustücke draußen im gepflegten Park oder im angegliederten Museum.

 

Show-Fenster zum Barrique-Keller auf dem Weingut Thelema% Südafrika (Foto: P. Züllig)

Nach einem eher beiläufigen Rundgang – wenn er überhaupt stattfindet – kommt der Höhepunkt: die Verkostung. Auch sie ist längst geregelt, perfekt organisiert: „Dies ist unser Basiswein, dies unsere Spezialität, dieser Wein stammt von lehmigen-mineralischen Böden und dies...“ So geht es munter weiter, vier bis sechs Weine werden eingeschenkt – meist in Rekordzeit –, dann ist Schluss. Bei den teuersten Weinen hört die Verkostung in der Regel auf. Wenn man trotzdem danach fragt, folgt zuerst ein verlegenes Zögern, dann ein prüfender Blick und: „Sie haben Glück, es ist gerade eine Flasche offen...“ Nach einem knapp bemessenen Schluck (es handelt sich da schließlich um eine besondere Gunst des Hauses) das erwartungsvolle „Na – und?“, weniger als Frage, vielmehr als ultimative Aufforderung, den hervorragenden Wein auch gebührend zu loben. Es folgt das Bestellformular, 15 Prozent Rabatt, Lieferung frei Haus, in welchem Land man auch immer wohnen mag. Eine Homestory ist das wahrlich nicht, vielmehr eine gut eingespielte Begegnung – ein munteres Ausloten – des Weingeschäfts, mit Argwohn auf beiden Seiten: „Ist ein Interesse an unseren Weinen überhaupt vorhanden?“, so die unausgesprochene Frage auf der einen Seite und auf der anderen die fast schon dreiste Erwartung, unentgeltlich und ohne Verpflichtung zu einem guten Schluck zu kommen. Der Spucknapf (etwas eleganter ausgedrückt: der „Crachoir“) – untrügliches Kennzeichen professioneller Verkostung – wird gar nicht erst aufgestellt. Es wird ja nur selten gespuckt, eigentlich viel eher getrunken, weniger andächtig, doch mit hohen Erwartungen. Immer mehr Weingüter wehren sich gegen diese Art von Weintourismus, indem sie für eine Degustation einen fixen Preis verlangen: etwa 10 Euro eine Vierer-, 15 Euro eine Sechserrunde.

 

Weinprobe im gepflegten Rahmen auf dem Weingut Lanzerac% Stellenbosch (Foto: P. Züllig)

Zum ersten Mal bin ich – vor vielen Jahren – dieser Art von Weintourismus in Bordeaux begegnet. Da war ich noch stolz, auch dabei zu sein, merkte nicht, was ich da treibe und was mit mir getrieben wird. Ich wollte einfach nur erfahren, wo die Weine herkommen, wollte ihnen in ihrer Heimat begegnen. Allmählich lernte ich aber diesen Weintourismus, dem ich mich bis heute nicht entziehen kann, etwas besser kennen, auch in seiner Hierarchie: Da gibt es Weingüter, die empfangen keine Weintouristen, oder nur jene mit gutem Namen und guten Geschäftsbeziehungen. Andere wiederum verlangen Voranmeldung, damit selektiert werden kann. Weine werden da kaum verkauft und wenn, dann nur in Kleinstmengen, sozusagen als Souvenirs – meist zu überteuerten Preisen. Die „kleinen“ Châteaux, die durchaus für Besuche und Verkäufe offen wären, erscheinen kaum auf den Touristenlisten. Da stehen nur die großen Namen, die ihr Ansehen zu zelebrieren wissen. Dies ist in fast allen berühmten Weinregionen ähnlich, sei es Kalifornien, Australien, der Toskana oder – soeben erlebt – Südafrika. Allerdings hat man da gelernt, mit den Besuchern aus aller Welt umzugehen: Verpflegung, Souvenirshops, und – entgegen dem Usus im BordelaisWein wird da auch verkauft. Nicht direkt – flaschenweise – als Mitbringsel, vielmehr über weltweite Vertriebskanäle, kistenweise, in beliebigen Mengen.

Ein geübter Weintourist schafft so fünf bis acht Weingüter am Tag (je nachdem, wie weit diese auseinanderliegen), in der Woche können es also gut 30 sein. Und mit jedem Tag wächst das Bewusstsein: das besuchte Weindorado zu kennen und erlebt zu haben. Es werden sogar Rangordnungen erstellt, von „schönen“ und weniger „schönen“ Gütern, als ob sich Glanz und Vornehmheit einer Präsentation unmittelbar auf die Qualität des Weins übertragen würden. Und doch, wer ein berühmtes Weingebiet wo immer auch besucht, kann sich dem Sog des Weintourismus’ kaum entziehen. Er wird einfach mitgenommen, getrieben, und lässt sich noch so gerne treiben. Zu Hause dann, später, wächst die Erkenntnis: Auch Weingüter gehören „zu jenen Dingen, die man gesehen haben muss, weil andere sie auch gesehen haben“, wie es der Schauspieler Hans Söhnker einst treffend formuliert hat.

Herzlich
Ihr/Euer

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