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Mysteriös, kapriziös, jahrzehntelang vernachlässigt: Roter Veltliner ist eine seltene, alt-österreichische Spezialität, mit der es seit einigen Jahren wieder bergauf geht. Sie war in Österreich lange fast verschwunden - doch der Trend zu autochthonen Sorten hat bei den Winzern neues Interesse geweckt. Daniela Dejnega beschreibt die aktuelle Entwicklung, Marcus Hofschuster hat die Weine verkostet.

Der Name des Roten Veltliners lässt Gegenteiliges vermuten. Doch wir haben es hier mit einer Weißweinsorte zu tun, die mit dem Grünen Veltliner nicht verwandt ist. Dass die Beerenhäute sich bei Vollreife der Trauben hellrot färben, zählt zu den besonderen Merkmalen der Sorte. Roter Veltliner gilt als die älteste autochthone Rebsorte Österreichs.

ÖWM / Anna Stöcher

Rätselhafte Ur-Rebe

Neben Traminer und Heunisch zählt Roter Veltliner zu den mitteleuropäischen Ur-Sorten, wenn er auch nur regionale Bedeutung besitzt. Ziemlich sicher gelangte er von Norditalien mit den Römern nach Österreich, seine genetische Abstammung aber bleibt bis heute ein ungelöstes Rätsel. In der Genetik anderer Sorten mischt Roter Veltliner dafür kräftig mit. Bei Rotgipfler und Zierfandler, aber auch bei Neuburger und Frührotem Veltliner wirkte er nachweislich als Elternteil.

Seine Blütezeit erlebte der Rote Veltliner unter den Habsburgern, wo er in sämtlichen Weinbaugebieten der österreichischen Monarchie eine Heimat fand. Noch heute zeugen davon einige wenige mit Rotem Veltliner bestockte Weingärten in Ungarn, Tschechien und der Slowakei. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schrumpfte seine Anbaufläche in Österreich auf weniger als 200 Hektar. Erst in den 2000er-Jahren begannen einige Winzer wieder zögerlich mit der Auspflanzung. Roter-Veltliner-Weingärten liegen nun verstreut in Niederösterreich – vor allem am Wagram, dem Paradegebiet der Sorte, aber auch im Weinviertel, im Kremstal und vereinzelt im Kamptal.

Spätreifend, empfindlich und arbeitsintensiv

Generell bevorzugt Roter Veltliner warme Lagen, er reift spät und schwankt im Ertrag. Zudem geraten seine Trauben in der Regel sehr kompakt und Botrytis-empfindlich. Die Gefahr, dass im Herbst die Beeren aufplatzen und die Fäulnis rasch um sich greift, ist groß. Durch die Wüchsigkeit der Reben gestaltet sich der Arbeitsaufwand im Weingarten enorm, intensive Laubarbeit und Ertragsregulierung sind notwendig. Winzer nennen den Roten Veltliner gerne „Diva“. Seine Triebe ranken sich schlecht am Drahtrahmen an, weshalb es mehr Drahtpaare als üblich braucht und das Einstricken eine mühsame Angelegenheit ist.

Aus all diesen Gründen verschwand der Rote Veltliner binnen weniger Jahrzehnte zugunsten von pflegeleichteren Sorten wie Grüner Veltliner aus den meisten Weingärten. Nur wenige Winzer hielten unermüdlich an ihm fest, beispielsweise das Weingut Mantlerhof im Kremstal. Für den Betrieb besaß der Rote Veltliner immer einen hohen Stellenwert. Juniorchef Josef Mantler erzählt mit einem gewissen Stolz: „Als kaum mehr jemand Roten Veltliner kultiviert hat, hielt mein Großvater weiter daran fest. Mein Vater machte ihn dann als Sortenspezialität in Österreich und international bekannt.“

Der Mantlerhof gehört zu einer Vereinigung von zehn Bioweingütern, die durch ihren Zusammenschluss wieder mehr Aufmerksamkeit auf den Roten Veltliner lenken wollen. Sie gründeten die Slow-Food-Community „Roter Veltliner Donauterrassen“ und steckten viel Energie in die Erforschung und Weiterentwicklung der Sorte. Das brachte ihnen 2020 die Anerkennung als „Slow Food Presidio Projekt“. Um die autochthone Rebsorte noch fitter für die Zukunft zu machen, selektionieren und vermehren die Winzer etwa besonders vitale Stöcke in ihren Weingärten. So soll Roter Veltliner unabhängiger von Wettereinflüssen, der Klimaerwärmung und dem Zutun der Winzer werden. Das Ziel lautet: Wissen zu sammeln, es zu teilen und an die nächste Generation weiterzugeben.

Klimakrisengewinner?

Roter Veltliner freut sich über viel Wärme. Das ist noch untertrieben: Er verträgt auch große Hitze und Trockenheit ausgezeichnet. Die rötlich gefärbten, eher dicken Beerenschalen schützen die spätreifende Sorte vor Sonnenbrand. So gilt sie manchen als Hoffnungsträger in Zeiten der Klimakrise. Die Rebsorte mag nährstoffreiche Löss-Böden, wie sie am Wagram typisch sind, kommt aber auch auf gut drainiertem, sandigem bis schottrigem Untergrund bestens zurecht. Und gerade auf den kargen Böden, die sein üppiges Wachstum auf natürliche Weise bremsen, bringt Roter Veltliner sehr spannende Weine hervor. Toni Söllner aus Gösing am Wagram, der den Roten Veltliner ebenfalls zu seiner Lieblingssorte erkoren hat und nun wieder zweieinhalb Hektar bewirtschaftet, bestätigt: „Tiefgründige und zugleich leichtfüßige Weine kommen eher von den schottrigen Böden, da sie den Rebstöcken viel weniger Nährstoffe bieten als der fruchtbare Löss.“

Die Balance hält?

Von Natur aus neigt Roter Veltliner nämlich zu reichlich Schmelz und Kraft. Extrakt und Fülle kennzeichnet die Weine, deren Trauben auf dem richtigen Standort mit passender Pflege über eine ausgesprochen vitale Säurestruktur verfügen. So ist der Säuregehalt von Rotem tendenziell höher als jener von Grünem Veltliner, und die Opulenz allzu extraktreicher Weine unterlegt die lebhafte Säure mit genügend Frische – für Trinkfluss und Balance ist gesorgt.

Auch Josef Fritz ist einer, der sich seit vielen Jahren für den Roten Veltliner einsetzt und ihn sehr früh konsequent zur Leitsorte seines Weinguts aufgebaut hat. Der Wagramer Winzer ortet steigendes Interesse am Markt: „Man kann den Roten Veltliner als regionale Spezialität gerade sehr gut positionieren. Die Weine reifen außerdem hervorragend.“ Stimmt, Roter Veltliner beeindruckt immer wieder durch sein Lagerpotenzial. In der Jugend reicht das typische Aromenspektrum von reifem Kernobst über Honigmelonen, Mandeln und Orangen bis zu exotischen Früchten. Mit Jahren der Reife legen die Weine an Komplexität deutlich zu, kräutrige und florale Noten tauchen auf, die Balance wird immer feiner. Zehn bis zwanzig Jahre im Keller verkraften Top-Weine locker, manche können selbst nach fünf oder sechs Jahrzehnten noch positiv überraschen.

Roter Veltliner

Daniela Dejnega ist Redakteurin beim österreichischen Fachmagazin “Der Winzer” und schreibt seit 15 Jahren als freie Autorin zum Thema Wein. Die Weinakademikerin hat zudem ein Studium an der Wiener Universität für Bodenkultur abgeschlossen.

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