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Für uns liegt es wirklich in weiter Ferne: etwa 10.000 Kilometer entfernt, das Weinland ganz im Süden Afrikas, wo die Seefahrer einst Halt gemacht haben, auf ihrem langen Schiffsweg nach und von Indien. Hier haben sie sich nicht nur mit Proviant eingedeckt, auch mit Wasser und noch viel lieber mit Wein. Wein, der seit dem 17. Jahrhundert auch hier gekeltert wird, eingeführt vom Schiffsarzt, Kaufmann und Expeditionsleiter Jan van Riebeeck, der die ersten Reben aus Frankreich kommen ließ und 1659 hier den ersten Wein kelterte. Doch das ist Historie, 355 Jahre alte Geschichte, die nachzuschlagen ist, in jedem guten Weinlexikon. Viel interessanter ist hingegen der Stellenwert, welchen die Weine aus Südafrika – nach vielem Auf und Ab – heute haben. Meist werden sie zur „neuen“ Weinwelt gezählt, was stilistisch durchaus stimmen mag, historisch gesehen aber falsch ist.

 

„Grand Constance“ – ein Süßwein% den schon Napoleon getrunken hat (Foto: P. Züllig)

Schon Napoleon und Friedrich der Große – so ist verbürgt – ließen Süßweine (die noch heute unter dem Namen „Grand Constance“ angeboten werden) vom ältesten Weingut Südafrikas – Groot Constantia – an ihre Höfe bringen. Auch Großbritannien, das mit Frankreich (Napoleon) zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Krieg war, bezog den größten Teil des Weinbedarfs aus Südafrika, wo die Briten inzwischen die Kolonialherren geworden waren. Diese Blütezeiten für den Weinhandel sind aber längst vorbei. Im 20. Jahrhundert hat das Apartheid-Regime (bis 1994) das Land weitgehend isoliert. Auch der Weinhandel, der dringend  auf Exporte angewiesen ist (heute zu fast 50 Prozent), kam zum erliegen. Südafrikanische Weine sind erst in den 1990er Jahren wieder in die „alte“ Weinwelt – nach Europa – zurückgekehrt. Vor allem die Preise machten sie attraktiv, weniger ihre Qualität. Doch die südafrikanischen Weinproduzenten haben die Chance genutzt. Sie investierten in die Produktion, setzten vermehrt auf international beliebte Rebsorten, und sie haben schnell begriffen, was heute „internationaler“ Geschmack ist. Die Weine wurden in kurzer Zeit viel besser. Die alte Weinbautradition (am Ende des 17. Jahrhunderts brachten die aus Frankreich geflohenen Hugenotten ihr Wissen und Können nach Südafrika) lebte wieder auf.

 

Ältestes Weingut in Südafrika: Groot Constantia (Foto: P. Züllig)

Das günstige Klima (Sonne, aber auch kühle Winde vom Meer), genügend Niederschläge, sanfte Hügel und eher magere, aber durchlässige Böden sind gute Voraussetzungen für den modernen Weinbau. So entstehen immer mehr körperreiche, kräftige, oft auch sehr alkoholische, tanninreiche Rotweine, immer häufiger als Cuvée im Bordeaux-Stil vinifiziert. Weine, die sich auch in der Gastronomie gut verkaufen lassen. Ähnlich ist es bei den Weißweinen. Der traditionelle Chenin Blanc, die meist angebaute Rebsorte – hier auch „Steen“ genannt – muss dem modischen Chardonnay immer mehr weichen, und der Holzeinsatz macht so manchen Terroir-Ansatz zunichte. Vielleicht ist es gerade dieses Streben nach Mainstream, das dem südafrikanischen Wein bei uns – in Europa – angelastet wird.

 

Estate Lanzerac% wo 1959 der erste Pinotage verkauft wurde (Foto: P. Züllig)

Die Gegend um Stellenbosch – Zentrum der südafrikanischen Weinregion – ist inzwischen auch ein beliebtes Touristenziel, nicht nur (aber auch) für Weinliebhaber. Parkanlagen, historische Bauten im kap-viktorianischen Stil, interessante Kulturangebote, Cafés und Restaurants, in denen man gut essen kann und natürlich – das wichtigste – mehr als 100 Weingüter, die auch für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Es ist nicht unbedingt der Wein, der die Touristen zu den Weingütern lockt; es sind weit mehr die Atmosphäre, die herrlichen parkähnlichen Anlagen, die historischen Gebäude, die ganze Gegend, die Wein zu atmen scheint, und zwar einen leichten, frischen, süffigen Weißwein, nicht den schweren, erdigen Roten. Vielleicht ist es gerade die Diskrepanz zwischen den gekelterten Weinen (vor allem den modernen Cuvées) und der offenen, fröhlichen – vielfach auch vornehmen – Stimmung, die die Skeptiker auf den Plan ruft. So hat zum Beispiel mein Schwager – durchaus dem Wein zugetan – nach einer Südafrika-Reise Bilanz gezogen: „Ich bin nicht einem einzigen wirklich guten Rotwein begegnet.“ Und mein Schwager ist nicht der Einzige, der mir Ähnliches gesagt hat.

 

Das Delaire Graff Estate steht für Luxus und Einzigartigkeit in einer der schönsten Weinregionen der Erde – so die Werbung (Foto: P. Züllig)

Zum Beispiel zu Hause auf einer Weinveranstaltung meinte mein Tischnachbar: „Ich war bei einer Präsentation südafrikanischer Weine hier in der Schweiz, nicht einen einzigen guten Wein habe ich gefunden“; doch er ergänzte rasch, „dann aber war ich in Südafrika und fand die Weine plötzlich gut, ja, großartig.“ Was soll ich von solchen gegensätzlichen Aussagen – sie stehen für viele ähnliche Urteile – halten? Wem soll ich beipflichten, wem widersprechen? Jetzt bin ich selber wieder da gewesen, eine ganz Woche im Weingebiet. Beim Wetteifern der Weingüter um die Internationalität ihrer Weine habe auch ich meine liebe Mühe (nicht nur in Südafrika). Beim heutigen riesigen Angebot genügt es einfach nicht, nur gute Weine zu machen, sie müssen auch etwas von der Eigenart eines Landes, eines Weingebiets, der Rebsorten, der Tradition erlebbar machen; sie müssen so etwas wie ein Unikat sein, sonst sind und bleiben sie austauschbar. Deshalb ist mir wohl der einheimische Pinotage – übrigens auch in grandioser Qualität (zum Beispiel von Lanzerac) – so ans Herz gewachsen. Ich habe – obwohl ich kein Weißweintrinker bin – auch den Chenin Blanc bewundert sowie den eleganten, würzigen, bittersüssen Shiraz (Syrah), den ich so noch in keinem andern Weingebiet (auch nicht an der Rhône) angetroffen habe.

 

Typisch für den Neuaufbau in den letzten Jahren: Neubepflanzung auf dem Weingut Tokara (Foto: P. Züllig)

Immer dann, wenn im Wein etwas an Eigenständigkeit, Originalität, Stimmigkeit durchschimmert, – so beobachte ich mich selber – scheint er mir zu gefallen, und immer dort, wo ich rasch einmal versinke im Meer der Gefälligkeit (des Gefallen-Wollens!), kommen mir nicht nur die 10.000 Kilometer Luftlinie in den Sinn, auch die Kulturunterschiede und ein Rest von Kolonialmentalität: Alles so machen (oder einrichten), wie „alle“ es machen oder sind und wie wir es uns längst eingerichtet haben. Symptomatisch dafür ist: Der Pinotage (in Stellenbosch gezüchtet) befindet sich im Rückgang, der „Steen“ genau so, dafür sind Cabernet, Merlot, Chardonnay und sogar der schwierige Pinot Noir (für den es eigentlich in Südafrika zu warm ist) im Kommen. Unglaublich viele neue Assemblagen – meist in Barriques ausgebaut und trotzdem früh trinkbar – wetteifern um die Gunst der Weinkonsumenten. Es liegt nicht an den Rebsorten, an der Kunst (oder dem Können) der Winzer, guten Wein zu machen oder gar an Klima und Boden, dass der Durchbruch in die internationale Weinwelt – trotz Verdoppelung des Exports in den letzten zehn Jahren – einfach nicht ganz gelingen will. Es liegt wohl eher am Selbstverständnis der Weinmacher und an der südafrikanischen Weinkultur, die so lange Zeit isoliert war. Man versucht es jetzt in allen oder zu vielen Sparten und Stilen.

 

Blick vom Weingut Ammani über das große Weingebiet von Stellenbosch (Foto: P. Züllig)

In der einflussreichen Liste der besten 100 Weine des Landes („Top of SA Wines“), die jedes Jahr durch eine Fachjury erstellt wird, finden sich dieses Jahr – zum Beispiel – gerade mal drei Pinotages, während der modische Cabernet Sauvignon (vor allem in Cuvées) mehr als ein Viertel der prämierten Weine ausmacht. Aber auch „Exoten“ (für Südafrika) tauchen da auf, wie Viognier, Gewürztraminer, Grenache (Garnacha) oder Muscadelle. John Platter (eine Art Robert Parker für Südafrika) verteilt seine Gunst fast auf alle Güter, Rebsorten und Weinstile, quer durchs Land. Es gibt sicher wunderschöne moderne Weine in Südafrika, zum Beispiel auch Bordeaux-Blends, aber es gibt anderswo weit bessere; es gibt wunderschöne Viogniers, aber andernorts weit bessere, und von Chardonnay,  Pinot Noir und Co. ist das gleiche zu sagen. Warum sollen wir dafür in die Ferne schweifen? Für die so genannten Cape-Weine aber – meist mit viel Pinotage –, oder allgemeiner gesagt: Weine, die es nur in Südafrika gibt (oder so gut gibt) schweife ich gerne in die Ferne, denn da liegt das Bessere nicht so nah.

Herzlich
Ihr/Euer

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