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Die Zeit, in der selbst standhafte Rotweintrinker zum Äußersten schreiten und zum Weißen greifen, ist da, lange schon angekündigt durch  massive Werbung: „Der ideale Sommerwein“ oder „So schmeckt der Sommer“ oder – immer häufiger – in englischer Sprache: „Summer in the City“. Klingt doch ganz poetisch, verführerisch, ja geradezu melodiös. Ich erinnere mich an einen Song der späten 1960er Jahre: „Summer Wine“, eine Liebesgeschichte, die nicht ganz harmonisch endet. Sinnbild für den Sommerwein?

Rund 30 Jahre später ist das Lied wieder auferstanden. Roland Kaiser und Nancy Sinatra singen das Lied im Duett. „Man trinkt ihn langsam und am besten eisgekühlt, mein Sommerwein ist wie die Liebe süß und wild...“ Ich weiß nicht so recht: süß und wild? Dies mag in der Liebe stimmen. Aber beim Wein?

Mein Weinhändler meint dazu: „Drei Bedingungen muss er erfüllen, der gute Sommerwein. Wenig Alkohol darf er haben, aromatisch, dicht und frisch muss er sein.“ Da fallen die schweren Rotweine, die ich sonst oft trinke, von vornherein weg; selbst die leichten Rotweine haben es schwer, allein schon wegen ihrer Farbe. Liebe und Wein, eine schöne  Begegnung, doch ihre Farbe soll nicht rot wie Blut,  schon eher rosa sein. „Sie stand so da und fragte: Bist du auch allein? Komm mit und trink ein Glas Sommerwein..." Natürlich komm ich mit auf ein Glas Sommerwein, auch wenn ich jetzt schon weiß, wie die Fast-Moritat ausgehen wird. Man hat sie mir in den letzten Jahren oft genug vorgesungen, in vielen Variationen und mit unterschiedlichen Interpreten: „...Oh – Sommerwein...“ 

 

Mein Sommerwein ist natürlich rosarot, charmanter ausgedrückt: rosé. Jeden Sommer entfacht sich meine Liebe aufs neue. Rosé, am liebsten zu einem aus der Provence. Ist auch das ein Klischee, wie jenes vom Sommerwein? Muss es Rosé sein und muss er aus der Provence kommen, als ob es nicht in vielen Weingebieten gute Sommerweine gäbe? Zum Beispiel im Bordelais den Clairet, in Spanien den Rosado, in der Schweiz den „Oeil de Perdrix“  (Rebhuhnauge)… Mein Liebling aber schlummert – ich gebe es zu – in einer bauchigen und trotzdem eleganten Flasche von den Côtes de Provence, vom Château De Seil in Taradeau. „Ich sah sie an [in meinem Fall die Flasche] und hoffte, dass noch mehr passiert, dass sie vielleicht heut Nacht ihr Herz an mich verliert...“ –  (oder umgekehrt). Doch die Nacht bricht noch lange nicht an; Abende sind jetzt lang, Nächte kurz geworden. Und plötzlich plagt mich das schlechte Gewissen. Darf ein „leichter Wein“ so viel kosten? Sind 39 „Schweizerfränkli“ nicht doch zu viel für ein sommerliches Kurzvergnügen?  „Erdbeeren, Kirschen und der Kuss eines Engels im Frühling, das sind die Zutaten für meinen Sommerwein.“

„Coeur de Grain“ („Herz des Korns“) nennt sich mein Sommerwein, hat also doch etwas mit dem Herzen zu tun: „Ich würd so gern mit dir heut Nacht noch zärtlich sein, doch du willst ständig mehr vom Sommerwein.“ Man ahnt schon das Verhängnis. Mein Weinhändler aber meint: „Es ist ein gehaltvoller Rosé fürs ganze Jahr.“ Nicht nur für einen lauen Sommerabend, viel zu finessenreich und im Abgang lang, unendlich lang. Im Sommer aber sind die Nächte kurz; zu kurz für einen langen Abgang?

„Man trinkt ihn langsam und am besten nicht zuviel, mein Sommerwein lässt mich oft tun, was ich nicht will.“ Eigentlich will ich jetzt nicht noch zu einem Weißen greifen, nicht zu einem Riesling oder Chardonnay, den Königinnenen unter den weißen Rebsorten. Etwas Unverbindliches soll es sein, trotzdem leicht, spritzig und würzig. Ich denke an Zitrusfrüchte. Allein der Gedanke bringt schon Labung. Ein weißer Bordeaux, vielleicht vom Château du Cros, ein Sauvignon. Den Wein hat mir mein Händler irgendwann mal „angedreht“. Er – der Wein – soll rassig und trocken sein, gerade richtig für einen Sommerabend.

„Ich sagte: Hey, ich würd jetzt doch ganz gerne gehn. Doch als ich aufstand, konnte ich schon nicht mehr stehn.“ Oh nein, so soll es mir nicht ergehen. Darum stell ich die Flasche weg und wende mich mit den Anpreisungen zu, die in den letzten  Wochen – ungefragt – täglich in meinem Briefkasten landen. Da beherrschen – schon fast eintönig – immer wieder die gleichen Eigenschaften das sensorische Feld:  frisch, offen, saftig, leichtfließend, fruchtbetont, belebend, aromatisch, leicht, leicht, leicht… „Sie hat mich zugedeckt und ich schlief sofort ein und träumte lange noch vom Sommerwein. Oh... Sommerwein.“

Der Song endet aber nicht ganz so friedlich, wie der Traum erhoffen lässt. „Als ich wieder erwachte, schien mir die Sonne in die Augen. Meine silbernen Sporen waren weg und mein Kopf fühlte sich an, als wäre er doppelt so groß.Sie hatte meine silbernen Sporen gestohlen, einen Dollar und mein letztes 10-Cent-Stück, und sie ließ mich zurück mit meinem Verlangen nach noch mehr Sommerwein“, so in der Urfassung. In späteren Versionen wurde diese Strophe weggelassen oder abgeändert. Verständlich. Ein Sommerwein soll doch kein enttäuschendes Abenteuer sein. In vielen Fällen ist er es aber, leider… Der Trost der geheimnisvollen Lady (auch nur in der Urfassung): „Nimm deine silbernen Sporen ab und hilf mir die Zeit zu vertreiben, dann bekommst du auch etwas von meinem Sommerwein.“ 

Herzlich
Ihr/Euer

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