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Ab und zu muss man zurückkehren zu seinen eigenen Wurzeln, vielleicht auch um sich selber zu beweisen, dass man nicht immer nur ein Getriebener ist, sondern durchaus auch treiben kann. Meine beruflichen Wurzeln liegen nicht beim Wein, sondern in der Kommunikation, genauer gesagt, in der audio-visuellen Vermittlung von journalistischen Inhalten. Liest sich etwas kompliziert, ist aber nichts anderes als das, was man bisher mit Fernsehschaffen bezeichnet hat. Ich war ein Berufsleben lang Fernsehjournalist, später zusätzlich Dozent an der Universität für Bild- und Tongestaltung. Kein Wunder, dass mich Fernsehsendungen über Weine und Winzer ganz besonders interessieren. Wein und Fernsehen, zwei Bereiche, die in einem ganz entscheidenden Punkt verwandt sind: in ihrem emotionalen Gehalt. Wein ist nicht einfach ein Getränk, das mehr oder weniger schmeckt, und in Bild und Ton können nicht nur Informationen verbreitet werden, immer werden auch – ob beim Wein oder beim Fernsehen – Emotionen geweckt, ob man will oder nicht.

 

Fernsehaufnahmen im Rebberg (Foto: P. Züllig)

Wein liefert nicht nur Geschmacksinformationen und -signale, er weckt immer auch Emotionen und führt zielstrebig und rasch zu Erlebnissen, zu guten und schlechten, zu schönen und hässlichen. Wer den Wein ernst nimmt und ihn genießt – nicht einfach nur hinunterschüttet –, bei dem wird immer auch eine Palette von Gefühlen geweckt, denn Genuss ist eine Sinnesempfindung – ein Wohlbehagen –, die das Gefühl – die Emotion – voraussetzt und nur im subjektiven Erleben überhaupt stattfinden kann. Doch genau das ist unendlich schwer, anderen zu vermitteln, wiederzugeben oder verständlich zu machen. Aufzählen von Fakten und Informationen, Bewerten, Loben oder Tadeln genügen nicht, um der Wirkung und der Macht der Gefühle gerecht zu werden. Es bleibt bei einer Hilfskonstruktion, die oft lächerlich und unbeholfen ist , meist alles andere als überzeugend und fast immer weit weg von der emotionalen Realität.

Es gibt aber auch Methoden, mit denen Gefühle zwar nicht erklärt, aber durchaus adäquat vermittelt werden können. Dazu gehört das Erzählen von Geschichten, vor allem, wenn es in Bild und mit Ton geschieht, zum Beispiel im Kino oder im Fernsehen. Darin liegen Stärke und Macht der filmischen Gestaltung. Es ist die Unmittelbarkeit des Erlebens. Im Kino und im Fernsehen (heute auch am Computer) geschieht das virtuell, beim Weinkonsum ganz real beim genussvollen Trinken. Doch es sind die gleichen Gefühle, sie unterscheiden sich nicht, ob virtuell oder real.

 

Produktionsstätte des Fernsehens – von hier aus werden Informationen verbreitet und an das Gefühl der Zuschauer appelliert (Foto: P. Züllig)

Was liegt also näher, als die Kraft von Bild und Ton voll zu nutzen, um Informationen auf den Bildschirm oder die Leinwand zu bringen, vor allem auch, wenn man über das Genusspotenzial des Weins informieren will. Genau das aber findet kaum statt. Es gibt zwar immer wieder Filme (Videos) über Weingebiete, Weingüter und ihre Weine, über Konsumenten und ihre Erlebnisse. Doch darin wird meist so „erzählt“, als handle es sich da um ein Bilder-Potpourri, um ein Bilderbuch, in dem fast beliebig geblättert werden kann. Da wird alles, was auch nur ansatzweise optisch attraktiv ist, aneinandergereiht und mit pausenlos dahinplätscherndem Kommentar zusammengepappt. Um trotzdem noch etwas Emotionen zu erzeugen, unterlegt man das Bild – ebenso pausenlos – mit Musik. Der Originalton wird – außer bei Statements oder Interviews – zurückgenommen, ausgeblendet oder schlicht vernachlässigt. So kommt es, dass ein schwerer Traktor gleichsam schwerelos durchs Bild schwebt, begleitet von irgendeiner dramatisierenden Hintergrundmusik; dass sich das Arbeiten im Weinberg geräuschlos vollzieht und Weintrinken als Bildteppich für mehr oder weniger bedeutungsschwere Kommentare herhalten muss. Kein Wunder, dass ich mich ärgere, nahezu immer, wenn im Fernsehen über Wein und die Weinwelt berichtet wird, in der Regel so, als handle es sich um eine Dokumentation der vergessenen Emotionen.

 

Medienausbildung an der Universität; hier wird nicht das Handwerk gelernt% sondern die Wirkung des Bildes erforscht (Foto: P. Züllig)

Ein aktuelles Beispiel für diese Art von Bilderbuchabfolge und einfallsloser Filmgestaltung, von geschwätziger Informationsvermittlung und vergessener Tongestaltung, von schönen Bildern ohne dramaturgische Funktionen, finden wir in der dreiteiligen Reihe „Weindynastien“ des Bayrischen Fernsehens (BR). Wer sich die drei Videos hintereinander anschaut, der spürt – auch wenn er nichts von Filmtheorien weiß – wie unterschiedlich solche Dokumentationen sein können. Das eine Mal sind es Bild- und Textinformationen, aneinandergereiht, wie schlafende Hühner auf einer Stange, bei der andern Produktion ist es ein Wirrwarr, vergleichbar mit aufgeschreckten pausenlos gackernden Hühnern, die im Hof umherirren und da und dort etwas aufpicken. Und schließlich, bei der besten der drei Produktionen, eine Abfolge von kleinen Episoden, die weitgehend durch Ton und Bild (oft mit wenig Text) Informationen zu vermitteln versuchen. Um beim Hühnervergleich zu bleiben: ein Hof, auf dem viele Hühner vereint sind und doch jedes der Hühner sein eigenes Leben (und seine eigene Geschichte) hat und die trotzdem zusammen ein Ganzes, einen Hühnerhof bilden.

 

Zu jedem Bild gehört ein Originalton: er vermag mehr Emotionen auszulösen als das Bild selber (Foto: P. Züllig)

Dies ist kein Plädoyer für Einfallslosigkeit und Langeweile, vielmehr ein Anstoß zur Zurückhaltung, Beobachtung und Dokumentation, in der das Erlebnis – das Gefühl – auch Platz hat. Rein handwerklich kann der Unterschied in diesen – und vielen anderen – Fernsehbeiträgen über Wein immer wieder festgemacht werden. So kommt – zum Beispiel – der beste der drei Beiträge, verglichen mit der geschwätzigsten der drei Produktionen, mit der Hälfte an Kommentar aus, dafür enthält er etwa dreimal so viel Statements (Aussagen der Beteiligten, die nicht mit beliebigen Bildern unterschnitten sind), verzichtet weitgehend auf unterlegte Musik und lässt dafür die Originaltöne (episodische Kommunikation unter den Protagonisten und charakteristische Geräusche) wirken, ohne sie sogleich wieder mit Text zuzudecken.

Da trifft sich der Weinliebhaber mit dem Filmgestalter. Ich erlebe das an mir selber. Wo immer ich – bei der Filmgestaltung oder beim Weinkonsum – nicht pausenlos zu beschreiben und zu erklären versuche, wo die Wirklichkeit nicht dauernd in Schemata und Analogien verpackt wird, sondern für sich stehen bleibt, als Erlebnis, als ein Kern der Wirklichkeit (der virtuellen oder realen), da entstehen Geschichten; da formt sich ein Kosmos, in dem sich Information, Erlebnis und Kommunikation verbinden und das mitteilen, was der so genannten Realität letztlich doch am nächsten kommt. Denn Realität besteht nicht einzig aus Fakten, Zahlen, Abläufen, Beschreibungen, physikalischen Größen und messbaren Dimensionen.

Gerade beim Wein nimmt das Erlebnis, der Genuss, das Gefühl eine dominierende Funktion ein, mit der die Qualität definiert und das Handwerk des Weinmachens bestimmt wird. Wenn das im Film (Video) in Bild, Ton und Bewegung festgehalten wird, darf das Erleben nicht zu kurz kommen oder gar fehlen. Film und Wein sind viel enger verwandt, als wir glauben, man muss diese Verwandtschaft nur erkennen und sie auch nutzen.

Herzlich
Ihr/Euer

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