
Drei Önologinnen prägen die Handschrift von Plaimont, dem größten Weinproduzenten im französischen Südwesten. Eine von ihnen ist Élodie Gassiolle, die hier faszinierende Einblicke in ihre Arbeit gibt.
Immer mehr Frauen arbeiten in der Weinbranche – als Winzerinnen, Önologinnen, Kellermeisterinnen oder Sommelièren. Ob Frauen bessere (oder andere) Weine machen als Männer, können wir hier nicht beantworten. Vielmehr stellen wir drei Frauen vor, die bei der südwestfranzösischen Kellerei Plaimont das „Sagen“ im Keller haben.
Da ist zum einen die Chef-Önologin Christine Cabri, die für die gesamte Planung von Ernte, Produktion und selbstverständlich für die finale Assemblage der zahlreichen Cuvées verantwortlich ist. Die Önologin Nadine Raymond leitet die drei Kellereien in Saint-Mont, Plaisance und Aignan, in denen vor allem die Weine der Appellation Saint-Mont kreiert werden.
Die Dritte im Bunde ist Élodie Gassiolle, die mit gerade einmal 30 Jahren den neuen Experimentalkeller von Plaimont, das Atelier des Cépages, leitet. Nach ihrem Studium der Agrarwissenschaften in Toulouse ging sie ans Institut für Rebe und Wein der Region Südwest. Aus Leidenschaft für den Weinbau und die Önologie wechselte sie zu Plaimont und wurde Projektkoordinatorin im Forschungs- und Entwicklungsteam (F&E). Seit 2021 managt sie das Atelier des Cépages und beaufsichtigt Forschungsprojekte über autochthone Rebsorten in Zusammenarbeit mit den technischen Teams von Plaimont.
Als Projektkoordinatorin im F&E-Team von Plaimont ist Élodie Gassiolle im Atelier des Cépages in ihrem Element.
PlaimontÉlodie, du leitest mit gerade einmal 30 Jahren das Atelier des Cépages und gestaltest so die Zukunft des Weinbaus aktiv mit. Ist das eine große Verantwortung für dich?
Élodie Gassiolle: Ja, die Verantwortung ist schon ziemlich groß. Es gibt nur eine Weinlese im Jahr, daher darf man keine Fehler machen. Unsere Winzer:innen arbeiten hart, um qualitativ hochwertige Trauben zu erzeugen. Die Herausforderungen der Branche sind ebenfalls groß. Deshalb brauchten wir das Atelier des Cépages, das mit modernster Technik ausgestattet ist. Nur so können wir vorankommen und uns dem Weltmarkt stellen.
Wie sieht dein Arbeitsalltag im Atelier des Cépages aus?
Élodie Gassiolle: Meine Arbeit ist sehr vielfältig. Ich betreue unsere Experimente mit alten, in Vergessenheit geratenen Rebsorten und Mikroterroirs. Zudem bin ich für die Entwicklung der Experimente zur Vorbereitung des Jahrgangs verantwortlich. Meine Tätigkeiten sind natürlich von der Jahreszeit abhängig. Ab dem Sommer konzentrieren wir uns auf die Vorbereitung des neuen Jahrgangs (Auswahl der Parzellen etc.), danach folgt die Weinlese. Den Rest des Jahres über bauen wir die Weine aus und fassen unsere Forschungsergebnisse zusammen.
Warum ist das Atelier des Cépages für Plaimont ein so wichtiges Projekt?
Élodie Gassiolle: Es prägt die Identität von Plaimont mit all unseren Bemühungen zur Wiedereinführung alter Rebsorten, die in unseren Parzellen wiederentdeckt wurden. Es ermöglicht uns, auf die große Herausforderung zu reagieren, vor der die Weinwelt steht. Ohne diesen neuen Keller würden wir in unserem Forschungs- und Innovationsprojekt viel langsamer vorankommen.
Das Atelier des Cépages ist die Versuchskellerei von Plaimont. Hier entstehen durch Mikrovinifikation Weine aus alten, autochthonen Rebsorten, um den Geschmack und die Stilistik zu untersuchen.
C. StammenWas hast du als Leiterin des Atelier des Cépages bisher erreicht?
Élodie Gassiolle: Ich habe die Auswahl alter Rebsorten, die noch nie zuvor zu Wein verarbeitet wurden, vorangetrieben. Außerdem habe ich mit neuen Mazerationstechniken für die Rotweinherstellung experimentiert. Ich war auch für die erste Vinifizierung der alten Rebsorte Tardif zuständig. Darüber hinaus war ich maßgeblich an der Entdeckung des Potenzials der verschiedenen Parzellen beteiligt und habe Experimente zur Erhaltung der Aromatik unserer Weine durchgeführt. Die Studien dazu sind aber noch vertraulich.
An welchem Rebenprojekt arbeitest du gerade?
Élodie Gassiolle: Zurzeit beurteile ich bislang noch unbekannte Rebsorten wie Pédebernade 5, Dubosc 1 und Dubosc 2 und wähle die besten Parzellen für den Manseng Noir aus. Dabei geht es um das Potenzial der Parzellen je nach Terroir und die Festlegung des idealen Erntedatums. Das gleiche Prozedere gilt auch für die Rebsorte Tardif.
Lass uns über die alten Sorten Manseng Noir und Tardif sprechen.
Élodie Gassiolle: Das sind zwei alte Rebsorten, die wir wieder eingeführt haben. Manseng Noir war nach der Reblauskrise in Vergessenheit geraten, da er im Vergleich zu seinem Cousin, dem Tannat, weniger Gerbstoffe und Alkohol enthält. Das wussten die Winzer damals nicht zu schätzen. Heute sind wir glücklich, dass er einen geringen Alkoholgehalt und nur leichte Tannine hat. Mittlerweile haben wir bei Plaimont 40 Hektar mit Manseng Noir bepflanzt, vor allem in der Gascogne.
Das Atelier des Cépages ist mit modernster Kellertechnik ausgestattet. Dank der zweistöckigen Architektur lässt sich für fast alle Arbeitsschritte die Schwerkraft nutzen.
PlaimontJetzt zum Tardif: Mithilfe von Ampelographen haben wir 1999 einige unserer ältesten Weinberge untersucht und in einer über 100 Jahre alten Parzelle in Sarragachies, die heute unter Denkmalschutz steht, zwei Tardif-Rebstöcke entdeckt. 2002 konnten wir dann 20 Tardif-Stöcke in unserem Rebsorten-Konservatorium pflanzen. Hier studierten unsere F&E-Teams diese Sorte und erkannten interessante Perspektiven: Tardif reift langsam und wird spät gelesen, was in Zeiten des Klimawandels von Vorteil ist. Er hat einen starken, würzigen Charakter und seidige Tannine. Bis die Sorte vom Institut National de l'Origine et de la Qualité (INAO) zugelassen wurde, brauchte es allerdings noch viele Jahre. 2024 wurde Tardif dann in der AOP Saint-Mont als Ergänzungsrebsorte zugelassen – das freut uns natürlich sehr!
Kommen wir nun zu einer seltenen weißen Rebsorte, mit der du dich beschäftigst: Petit Courbu.
Élodie Gassiolle: Petit Courbu ist eine autochthone weiße Rebsorte aus Südwestfrankreich, die nur noch selten angebaut wird, da ihre Erträge gering sind und sie daher als „problematisch” gilt. Bei Plaimont haben wir unsere Mitglieder jedoch ermutigt, ihre mit Petit Courbu bestockten Rebflächen zu behalten. Das Atelier des Cépages ermöglicht es uns, eine Auswahl der besten Petit-Courbu-Weine der AOP Saint-Mont zu treffen. So können wir eine wenig bekannte Rebsorte hervorheben, die für unsere Appellation und die Herstellung großer Weißweine sehr wichtig ist.
Élodie Gassiolle und ihr Team forschen im Atelier des Cépages zu Rebsorten, Weinbereitung, Kellereiausstattung und Ressourcenmanagement.
PlaimontEin Wein, der auf der Basis von Petit Courbu hergestellt wird, ist Projoe. Kannst du uns ein paar Details zu diesem Wein verraten?
Élodie Gassiolle: Bei Projoe kommt der Petit Courbu besonders gut zur Geltung, da in der Cuvée 50 Prozent Petit Courbu enthalten sind; dazu kommt Gros Manseng. Die Parzellen wurden vorab streng selektiert. Die Petit-Courbu-Trauben haben wir in Barriques vinifiziert und anschließend in Fässern ausgebaut. Danach wird der Wein mit einer Auswahl von Gros Manseng, der in Edelstahl vinifiziert wurde, assembliert. Projoe duftet nach exotischen Früchten wie Mango, Ananas und Zitrone. Im Mund ist er saftig und frisch mit einer sehr feinen Säurestruktur. Ein toller Wein!
Und dann gibt es mit dem „Né sous XX” noch einen ganz speziellen Wein aus einer Mikrovinifikation. Kannst du auch dazu ein paar Details verraten?
Élodie Gassiolle: Das ist eine Assemblage aus mehreren unbekannten Sorten. Vor allem Pédebernade 5 und Dubosc 1, deren Namen von den Besitzern der Parzellen stammen, in denen sie gefunden wurden. Alle bisher in Frankreich zugelassenen Rebsorten sind Hermaphroditen. Ihre Blüten haben also männliche und weibliche Organe. Bei diesen beiden Sorten handelt es sich jedoch um rein weibliche Sorten – ein archaischer Charakter. Bislang sind sie im französischen Rebsortenkatalog noch nicht zugelassen. Sie sind jedoch sehr interessant, weil der Alkoholgehalt bei nur 11 Volumenprozent liegt. Und die Tannine sind leicht. Eine wirklich spannende Mikrovinifikation.