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„An excellent choice, Sir“, nickte der Oberkellner im extrem vornehmen Restaurant des noch edleren „Reads“-Hotels auf Mallorca. Er meinte das bestellte Drei-Gang-Menü, das nichts die geringste Außergewöhnlichkeit enthielt und dessen Wahl eigentlich keines Sonderlobes bedurft hätte. Aber vermutlich hätte ich auch jede andere Offerte der Speisekarte ordern können, ohne dass der Maître von dieser bestimmt auswendig gelernten Floskel abgesehen hätte. Obwohl – wer weiß? Möglicherweise hätte er sich bei der Bestellung von fünf Gängen bis zum Boden verbeugt und „it’s a wonderful idea, Mylord“ gemurmelt. Und sich nach der Order eines Sieben-Gang-Menüs zu einem „absolutely fabulous, Your Grace“ gesteigert. Na ja, zumindest dann, wenn ich noch um Kaviar und Champagner gebeten hätte.

Champagner zum Schokolade-Dessert - warum nicht

Freilich, es handelt sich um Vermutungen, die an diesem Abend nicht zu beweisen waren, denn für Fischeier reichten meine Bargeldreserven nicht. Die drei Gänge wurden schon hoch genug berechnet – und die happigen Preise der Weinauswahl verdarben mir die Stimmung noch ein bisschen mehr. Mit Müh und Not fand ich im dicken, aber weitgehend inhaltsarmen Weinbuch einen einheimischen Rotwein, der im Bereich „gerade noch bezahlbar“ lag. Weil ich nichts von den ultrateuren Festlandsspaniern und auch keinen Prestige-Champagner bestellte, kommentierte der Sommelier meinen Wunsch wohl auch mit keiner einzigen Silbe, sondern verschwand wortlos gen Keller. Der Wein war dann wirklich gut, schon recht, und es hätte ja auch kein „excellent“, „wonderful“ oder „fabulous“ sein müssen. Aber wenigstens für ein „nice“ oder ein „why not“ hätte es doch reichen müssen, fand ich nach einigem Nachdenken. Übrigens: Champagner auf Mallorca zu bestellen, wäre generell keine gute Idee. Erstens gibt es auf der Insel eine (kleine) Hand voll sehr ordentlicher einheimischer Schaumweine, zweitens werden in vielen Lokalen allerlei katalanische Cavas angeboten, und drittens sind selbst einfachste Standardcuvées aus Reims oder Épernay so gnadenlos hoch kalkuliert, dass auch Kellner-Kopfstände nicht zum Bestellen animieren würden.

Der Chef de Cave von Veuve Clicquot verkostet

Wer Champagner günstig zum Essen genießen möchte, der reist am besten an den Ort seiner Entstehung, also in die Champagne. Obwohl man auch da sein prickelndes Wunder erleben. Eine Weinbar, in der man sich etliche Sorten Schampus glasweise verkosten kann, gab es bis vor ein paar Wochen in ganz Reims nicht (es dürfte sich bis heute nichts daran geändert haben), und im ersten Hotel von Ambonnay fragte ich bei Tisch vergeblich nach einem guten Winzerchampagner von Egly-Ouriet, dem hier ansässigen Kultwinzer – stattdessen langweilten sich Standardcuvées der großen Häuser auf der Flaschenliste. Weshalb nicht mehr lokale Erzeuger vertreten seien, wollte ich wissen. „Wir haben so viele Winzer hier“, lautete die blasierte Begründung. Da greift man am liebsten zum Mineralwasser.

Welchen Schaumwein soll man bloss nehmen? Der Autor bei der Arbeit ...

Dümmere Bemerkungen kann man allenfalls dann hören, wenn man irgendwo einen reifen Wilhelmshof-Winzersekt oder Vergleichbares auswählt und ihn nicht als Apéro verstanden wissen möchte, sondern zum Essen durchtrinken möchte. „Sie wollen danach wirklich keinen Rotwein mehr haben?“, ist dann beispielsweise zu hören. Nein, verdammt, sonst hätte ich das ja gesagt. Wie gut sich Champagner oder andere Schaumweine mit Fisch, mit Geflügel, sogar mit rotem Fleisch kombinieren lassen, hat sich noch nicht allgemein herumgesprochen. Dass man gute Sekte nicht unbedingt im simplen Sektglas auftischt, auch nicht. Zwingen Sie mal den Wirt eines durchschnittlichen Sternelokals, den reifen versekteten Assmannshäuser Höllenberg vom Schloss Vaux (zu Wild mit Preiselbeeren!) oder einen 1999er Bollinger (zum gebratenen Saumagen mit Kastanien-Sauerkraut!) ins voluminöse Weiß- oder gar Rotweinglas einzuschenken! Irgendwas sträubt sich da offenbar im tiefsten Inneren vieler Gastronomen. Übers Dekantieren von Schaumwein in Karaffen müssen wir an dieser Stelle eigentlich gar nicht schreiben. Auf diese Ideen kommen nur die cleversten Weinkellner, alle anderen schreien entsetzt auf und murmeln etwas vom Verlust der Kohlensäure. Schon recht – aber niemand verlangt doch, einen Champagner stundenlang offen stehen zu lassen, es geht meist nur um ein paar Minuten, in denen wenig CO2 verlorengeht, aber viel Geschmack dazukommt. Jedenfalls dann, wenn es sich um hochwertige, sehr komplexe, womöglich auch zu junge Schäumer handelt. Es ist übrigens keinesfalls nötig, solche Raritäten nach Art der wilden Franzosen mit dem Säbel zu öffnen. Das sogenannte Sabrieren dient allenfalls als Show für Gartenpartys, führt zum Verlust beträchtlicher Mengen des Flascheninhalts und wird regelmäßig nur im Freien praktiziert. (Das einzige Säbel-Ereignis meiner Testerkarriere, in welchem der Weinverantwortliche eines Lokals von dieser Regel abwich, fand in Dubai statt und blieb wider Erwarten ohne Schäden für die Restauranteinrichtung. Aber Dubai ist eben Dubai, und die Räume sind hier eh größer als anderswo...)

Auch mit dem Säbel lassen sich Champagner-Flaschen öffnen ...

„Did you like it?“, rief mir der Inhaber des „Reads“-Hotels, ein distinguierter Brite mit Hund, höchstpersönlich hinterher, nachdem ich einigermaßen satt und ziemlich pleite sein Hotel verließ. Ich antwortete mit Ja. Einerseits war es ja wirklich gut – vom herrlichen Olivenöl über den tollen Fisch bis zum delikaten, wenngleich ziemlich klein portionierten Dessert. Andererseits war ich einfach zu feige, um den mäßigen, servilen bis unaufmerksamen Service zu erwähnen, der im Laufe des Abends immer mehr nachließ und daran gipfelte, dass kein Restaurantleiter oder Sommelier mehr da war, um uns zu verabschieden und noch ein „Good bye, Sir“ zu wünschen. Den überteuerten Champagner auf der langweiligen Weinkarte erwähnte ich auch nicht. Ganz tief im Unterbewusstsein hatte ich das Gefühl, dass mich der Chef in dieser Hinsicht nicht verstehen würde ...

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