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Wann schneidet man Wein?
Geschnitten wird streng genommen natürlich nicht der Wein, sondern die Weinrebe, d.h. der Rebstock. Der Rebschnitt ist ein wichtiger Faktor für den Ertrag des Rebstocks und damit später für die Qualität des Weins. Ohne Schnitt würde der Rebstock unkontrolliert wachsen und jedes Jahr neue seitliche “Stockwerke” mit Trieben und Knospen ausbilden. Diese flächenmäßige Ausdehnung würde zu hohen Erträgen und einer geringeren Weinqualität führen.
Mit dem Rebschnitt reguliert man daher die Anzahl der Knospen am Stock, aus denen sich neue Triebe bilden können. Durch die Begrenzung der Anzahl neuer Triebe verringert man auch die Anzahl der Trauben und erhöht damit die Weinqualität: Je weniger Trauben ein Rebstock trägt, desto mehr Extrakt enthält jede einzelne Beere und desto mehr Substanz hat später der Wein. Wie sich der Rebschnitt auf die Menge und Güte des Leseguts auswirkt, hängt von der Rebsorte, vom Erziehungssystem sowie von Standort, Alter, Gesundheit und Wuchsverhalten des Rebstocks ab. Das Austriebs- und Wachstumsverhalten der Rebe wird wiederum von der Anordnung der Triebe beeinflusst.
Geschnitten wird jeweils das sogenannte einjährige Holz, d.h. die Triebe des Vorjahres. Jeder Trieb bildet neben Blättern, Ranken und Gescheinen (den späteren Trauben) auch wieder neue Knospen aus. Diese Knospen tragen bereits alle Anlagen für neue Triebe in sich, sind jedoch zunächst von Hüllblättern umschlossen und in den Hohlräumen mit feinen Wollhaaren gefüllt. So kann die Knospe vor Kälte geschützt überwintern (weshalb sie Winterauge genannt wird) und treibt dann im Folgejahr aus.
Der Rebschnitt erfolgt während der Winterruhe des Rebstocks, d.h. zwischen dem Blattfall im Herbst und dem Austrieb im Frühjahr; auf der Nordhalbkugel liegt diese Phase zwischen Dezember und März. Beim sogenannten Winterschnitt wird üblicherweise im Januar und Februar der weitaus größte Teil (80 bis 90 Prozent) des einjährigen Holzes komplett weggeschnitten, so dass pro Rebstock durchschnittlich zwei einjährige Triebe stehen bleiben. Bei frostgefährdeten Rebsorten und in ebensolchen Lagen sowie bei Junganlagen wartet man mit dem Rebschnitt oft bis in den März.
Die einjährigen Triebe, die stehen bleiben, werden dann wiederum geschnitten, damit genau so viele Augen verbleiben, dass die sich daraus entwickelnden Triebe eine optimale Stärke und Länge erreichen können und das physiologische Gleichgewicht des Rebstocks gewährleistet ist. Ein kurzer Trieb heißt Zapfen und trägt 1 bis 4 Augen. Ein mittellanger Trieb heißt Strecker und trägt 5 bis 7 Augen. Ein langer Trieb heißt Rute oder Bogen und trägt 8 bis 12, mitunter auch 15 Augen.
Geschnitten wird ausschließlich gesundes und ausgereiftes Rebholz, das eine Länge von 110 bis 140 cm hat. Bei gleichmäßigem Wuchs des Rebstocks lässt man so viele Augen stehen, wie im Vorjahr ausgetrieben haben. Bei schwachem Wachstum werden weniger Triebe abgeschnitten und die verbleibenden kürzer angeschnitten (mit weniger Augen). Bei starkem Wachstum werden mehr Triebe abgeschnitten und die verbleibenden länger angeschnitten (mit mehr Augen). Die durchschnittliche Augenanzahl pro Quadratmeter Standfläche des Rebstocks (Reihenentfernung x Stockentfernung) liegt zwischen 4 und 8.
Die einjährigen Triebe werden 1 cm oberhalb des letzten Knotens, der stehen bleiben soll, etwas schräg vom Auge weg angeschnitten. Dies geschieht am zweckmäßigsten mit einer Rebschere oder auch einer Astschere oder einer Säge; bei bestimmten Erziehungsformen sind auch Vorschneidemaschinen einsetzbar. Alle Schnitte sollten so klein wie möglich gehalten werden, den sie stellen ja eine Verletzung der Pflanze dar. Sofort nach dem Schneiden sollten daher alle Schnittwunden mit einem Wundbehandlungsmittel bestrichen werden, das unter anderem Pilzbefall verhindert.
Abgesehen vom hier beschriebenen Winterschnitt gibt es weitere Anlässe, um die Reben zu schneiden: Zum einen kann es erforderlich sein, die Rebstöcke nach Hagel- oder Frostschäden außerplanmäßig zu schneiden. Zum anderen erfolgt im Verlauf der Vegetationsperiode oft die sogenannte grüne Lese: das Ausdünnen als besondere Form des Rebschnitts, bei der während der Wachstums- oder Reifephase Trauben vom Rebstock weggeschnitten werden, um die Qualität (den Extrakt) der verbleibenden zu erhöhen.
Begriffskunde:
- Laub = Blätter des Rebstocks
- Ranken = Befestigungsorgane des Rebstocks
- Triebe = junge Sprosse des Rebstocks
- Augen = Knospen des Rebstocks, aus denen jeweils ein Trieb wächst
- Gescheine = Blütenstände des Rebstocks, aus denen sich die Trauben entwickeln
- Nodien = Knoten am Trieb, aus denen sich Blätter, Ranken, Augen und Gescheine entwickeln
- Internodien = Sprossachsen des Rebstocks zwischen den Knoten