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Die seit 2009 gültige EU-Weinmarktordnung hat unter anderem das Weinbezeichnungsrecht in den Mitgliedsstaaten geändert. Frankreich nutzt seit jeher das romanische Weinbezeichnungssystem, das dem Herkunftsprinzip folgt. Dieses Prinzip besagt, dass die Qualität eines Weins umso höher ist, je enger sich seine geografische Herkunft –  nach bestimmten Kriterien – eingrenzen lässt. Da das Herkunftsprinzip auch ein zentrales Fundament der Weinmarktreform ist, sind die Änderungen im französischen Weinbezeichnungsrecht aus Verbrauchersicht auf den ersten Blick überschaubar.

Rotweintrauben (Foto: FranceAgriMer)

Kategorien, Aufsichtsbehörden und Zwischenstufen

Gemäß dem neuen System gibt es in Frankreich künftig – wie in allen EU-Ländern – nur noch drei Weinkategorien: Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung (Appellation d’Origine Protégée – AOP), Weine mit geschützter geografischer Angabe (Indication Géographique Protégée – IGP) und Weine ohne geschützte Herkunftsbezeichnung (Vin de France). Die bisherigen Kategorien ließen sich im Wesentlichen eindeutig in die neuen überführen. Dabei wurden die Qualitätsweine mit kontrollierter Herkunftsbezeichnung (Appellation d’Origine Contrôlée – AOC) zu AOP-Weinen, die Landweine (Vins de Pays) zu IGP-Weinen und die Tafelweine (Vins de Table) zu Weinen ohne geschützte Herkunftsbezeichnung.

Mit der Reform änderte sich auch die administrative Zuständigkeit für die neuen Kategorien. Für Weine mit geschützter Herkunftsbezeichnung (AOP und IGP) ist nun zentral das Institut National des Appellations d'Origine (INAO) verantwortlich. Diese Weine müssen ein strenges Lastenheft erfüllen, und es besteht intern wie extern ein Kontrollplan für den gesamten Produktionsprozess von der Traube bis zur Flasche. Weine ohne geschützte Herkunftsbezeichnung (Vin de France) unterliegen der Aufsicht des Verbands Anivin de France.

Die bisherige Kategorie Appellation d’Origine Vin Délimité de Qualité Supérieure (AOVDQS) – eine Vorstufe zu AOC – wurde zum 1. Januar 2012 aufgelöst. Den Weinen dieser Zwischenkategorie musste daher entweder der AOP-Status oder der IGP-Status zugewiesen werden, wobei jeweils spezielle Anforderungen zu berücksichtigen waren (siehe unten AOP-Lastenheft). 17 der 19 bisherigen VDQS-Appellationen haben ihre Standards erhöht und wurden in AOP umgewandelt. Auf eigenen Wunsch wurden die südwestfranzösische Appellation Lavilledieu in eine IGP überführt und die Loire-Appellation Thouarsais in die AOP Anjou integriert.

Die Klassifikationen innerhalb einzelner Weinbauregionen wie Bordeaux oder Burgund werden von den neuen Regelungen nicht berührt, da deren Kriterien strenger sind als die europäischen Vorgaben. Jedes EU-Mitgliedsland hat die Möglichkeit, zusätzlich zu den geforderten Herkunftsbezeichnungen weitere, engere Herkünfte zu definieren.

Rebzeilen (Foto: FranceAgriMer)

Weine mit geschützter Herkunftsbezeichnung

Bis 2014 muss die Weinmarktreform in Frankreich vollständig umgesetzt sein. Ab dann dürfen nur noch die neuen Bezeichnungen verwendet werden, doch bis dahin ist ein Nebeneinander von alten und neuen Begriffen zulässig. Welche Auswirkungen die EU-Weinmarktreform im Einzelnen auf die französischen Weinbezeichnungen hat, zeigt die folgende Betrachtung:

Indication Géographique Protégée (IGP)
Weine mit geschützter geografischer Angabe (IGP) hießen bisher Vins de Pays (VdP). Als Bezeichnung muss schon heute in jedem Fall IGP auf dem Flaschentikett stehen; nur während der Übergangsfrist bis Ende 2013 darf zusätzlich – aber nicht ausschließlich – der Begriff “Vin de Pays” angegeben werden. Ab 2014 gilt nur noch IGP als Bezeichnung.

Appellation d'Origine Protégée (AOP)
Die geschützte Ursprungsbezeichnung (AOP) hieß bisher Appellation d'Origine Contrôlée (AOC). AOP darf nur dann auf dem Flaschenetikett stehen, wenn der Wein die – teilweise strengeren – Anforderungen an die neue Bezeichnung erfüllt, die insbesondere auf den so genannten Bezug zum Terroir abstellen. Der Bezug zum Terroir gilt im EU-Recht für sämtliche Lebensmittel und muss neu im Lastenheft jeder Appellation festgeschrieben sein. Demnach müssen AOP-Weine aus einem abgegrenzten Gebiet mit individuellem Terroir (d.h. einer speziellen, unverwechselbaren Kombination von Boden- und Klimafaktoren) stammen und diese Herkunft sensorisch und analytisch nachvollziehbar zeigen. Das Lastenheft legt die Herstellungskriterien oder – in der Diktion des EU-Rechts – Produktspezifikationen fest, die ein Wein erfüllen muss, um die betreffende Herkunftsbezeichnung tragen zu dürfen. Dazu zählen beispielsweise die genaue Gebietsabgrenzung, die Beschreibung des Weintyps, festgelegte Rebsorten, der Höchstertrag, zugelassene Weinbereitungsverfahren etc. Bis Ende 2013 müssen alle AOC in AOP umgewandelt sein. Vorher dürfen Weine, für die die Spezifikationen noch nicht von der INAO und der EU-Kommission anerkannt sind, nur wie bisher als AOC bezeichnet werden. Ab 2014 wird ausschließlich AOP auf dem Flaschenetikett erscheinen, AOC ist dann nicht mehr erlaubt. Weine, die die Umstellung von AOC auf AOP nicht vollzogen haben, müssen eine niedrigere Herkunftsbezeichnung tragen, sofern sie deren Anforderungen entsprechen.

Weinberg bei Bergheim im Elsass (Foto: FranceAgriMer)

Regionale Klassifikationen

Auf die Klassifizierungen innerhalb der einzelnen Appellationen hat die neue Weinmarktordnung keinen Einfluss. Diese sind gewissermaßen Teil der internen regionalen Organisation. Der zuständige Weinbauverband einer Appellation kann über die Mindestanforderungen für die geschützte Ursprungsbezeichnung und die bestehenden Klassifizierungen hinaus noch strengere Klassifikationen beschließen. Ein kurzer Blick auf einige der wichtigsten französischen Weinbauregionen offenbart die Vielfalt an Regelungen:

Im Bordeaux wird die Bezeichnung “Grand Cru” für die Eigenschaft eines Weinguts (Château) bzw. den von diesem produzierten Grand Vin (also nicht für einen Zweitwein) verwendet. Lage und Château werden so gewissermaßen einander gleichgestellt. Die Mehrzahl der führenden Bordeaux-Weingüter hat sich in der Union des Grands Crus de Bordeaux zusammengeschlossen. Die Regeln sind in den Appellationen unterschiedlich:

  • Im Graves erfolgte in den Jahren 1953 und 1959 eine Klassifikation für Rot- und Weißweine mit der einzigen Stufe “Cru Classé des Graves”. Diese Bezeichnung betrifft nur Châteaux, die sich innerhalb der AOP Pessac Léognan befinden.
  • Im Médoc wurde im Rahmen der Bordeaux-Klassifizierung von 1855 ein fünfstufiges System von “Premier Cru” bis “Cinquième Cru” geschaffen. Die 61 Médoc-Weingüter werden als “Grands Crus Classés” bezeichnet, wobei mit Château Haut-Brion auch ein Premier Grand Cru Classé im Graves-Gebiet dazugehört.
  • Im Pomerol gibt es nach wie vor kein Klassifikationssystem.
  • In Saint-Émilion wurde 1955 eine Klassifizierung eingeführt. Es gibt die vier Stufen “Premier Grand Cru Classé A”, “Premier Grand Cru Classé B”, “Grand Cru Classé” und “Grand Cru”. Etwa alle zehn Jahre wird die Einteilung überprüft.
  • Im Sauternes besteht keine als Grand Cru bezeichnete Klasse. Die hier 1855 festgelegten drei Klassifizierungsstufen sind “Premier Cru Classé Supérieur” (als einziges Weingut Château d'Yquem), “Premieur Cru Classé” und “Deuxième Cru Classé”.

Im Burgund bezeichnet “Grand Cru” – im Gegensatz zum Bordeaux – eine Lage, wobei diese Regelung auf eine im Jahre 1935 durchgeführte amtliche Klassifikation aller Weinberge der Côte d'Or zurückgeht. Alle Grands Crus sind hier als eigene Appellation klassifiziert, das heißt, die einzelnen Grands Crus stellen jeweils eine spezifische AOP dar. Die zweithöchste Stufe “Premier Cru” bezeichnet eine Lage innerhalb einer kommunalen Appellation. Darüber hinaus bedeutet auch “Clos” (umfriedeter Weinberg) mitunter ein gewisses, aber inoffizielles Qualitätsmerkmal.

Im Beaujolais, das weinrechtlich zum Burgund gehört, gibt es zehn Gemeinden mit Cru-Status.

In der Champagne sind einzelne Gemeinden gemäß der Qualität ihrer Trauben als Crus klassifiziert. “Grand Cru” oder “Premier Cru” bedeutet in der Champagne, dass der (Schaum-)Wein zu hundert Prozent aus Trauben entsprechend klassifizierter Lagen hergestellt werden muss. Beide Begriffe sind jedoch keine eigenen geschützten Ursprungsbezeichnungen.

Im Elsass sind 51 Lagen in der AOP Alsace als Grands Crus klassifiziert.

Im Languedoc wurde 2011 ein dreistufiges Qualitätssystem mit den Stufen “Languedoc AOC”, “Grands Vins du Languedoc” und “Grands Crus du Languedoc” eingeführt. Dabei handelt es sich jedoch um eine Qualitätssegmentierung seitens des Weinfachverbands Languedoc, die keine administrativen Auswirkungen hat.

Rotweinrebe (Foto: FranceAgriMer)

Terroirbezug in der Diskussion

Auch wenn im Zuge der Weinmarktreform die AOP-Lastenhefte geprüft und teilweise verschärft wurden, gehen die Regelungen der Winzervereinigung SEVE, die sich für eine “ethische Überarbeitung” des französischen Weinbaus einsetzt und den Terroirgedanken besonders betont, noch nicht weit genug. Sommelière und Weinbloggerin Émilie Merienne fasst die Argumentation von SEVE zusammen und kritisiert, dass seit den 1970er Jahren viele Vinifikationsmethoden in die AOC-Statuten übernommen wurden, ohne dass ihr Einfluss auf den Terroir-Ausdruck im Wein bekannt gewesen oder angemessen untersucht worden wäre. So gebe es heute zwei Arten von Weinen unter der geschützten Ursprungsbezeichnung: zum einen “echte” Terroir-Weine, die von “engagierten Winzern mit Respekt vor der Natur, dem Wein und den Konsumenten” unter hohen Anforderungen und mit großem Kostenaufwand erzeugt würden, und zum anderen Standardweine, die “zum Vergnügen, aber ohne Eigenständigkeit, ohne Charakter und ohne Originalität” in großen Mengen und zu geringen Kosten produziert würden. Deutsche Importeure und Händler bestätigen diese Problematik. “Das Ergebnis ist katastrophal: Man senkt die Anforderungen an das Terroir, um daraus Weine in größeren Mengen zu gewinnen, und verzichtet auf Weine der Spitzenklasse bzw. die damit erzielbaren Erlöse. Einerseits will man die Forderung nach Terroir-Weinen in allen Appellationen umsetzen, andererseits setzt man dabei jedoch die Rentabilität des Gesamten aufs Spiel”, so Merienne.

SEVE fordert, dass bei den neuen AOP-Regelungen klar zwischen den beiden Wein-Identitäten differenziert werden müsse, um die Qualität zu sichern. Weine, die nicht den Terroir-Prinzipien von SEVE entsprächen, sollten keinen AOP-Status, sondern lediglich IGP-Status erhalten. Merienne zufolge sind die AOP-Lastenhefte seit dem Jahreswechsel 2011/2012 inhaltlich fertiggestellt, doch die Frage des Terroirbezugs wurde in den meisten Fällen eher oberflächlich behandelt, und die Vinifikationsmethoden wurden nicht in Frage gestellt. Die Weinmarktreform habe jedem EU-Land ermöglicht, seine Herstellungsverfahren zu homogenisieren und zu standardisieren, und in Frankreich dürften nun einige Verfahren angewandt werden, die zuvor verboten gewesen seien, erklärt Merienne. Ihr Resümee fällt bitter aus: “Die Reform der Herkunftsbezeichnungen hat uns am Ende weniger Transparenz, weniger Terroirbezug und stattdessen mehr zulässige Eingriffe in die Weinbereitung gebracht.”

Zum Artikel "EU-Weinmarktordnung - Teil 1: Das neue Weinbezeichnungsrecht – Begriffe und Hintergründe"

Zum Artikel "EU-Weinmarktordnung - Teil 2: Das neue Weinbezeichnungsrecht in Deutschland und Österreich"

Zum Artikel "EU-Weinmarktordnung - Teil 3: Das neue Weinbezeichnungsrecht in Italien"

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