Seit Dezember belegt Vega Sicilia die Spitzenposition der “Power 100 - Rangliste” der internationalen Weinhandelsplattform Liv-ex und gilt damit als wertvollste Weinmarke der Welt. Bewertet werden dabei die jährliche Preisentwicklung, der Umsatz, die Anzahl der gehandelten Flaschen und der durchschnittliche Preis. Wenige Tage später sprach Alexander Lupersböck mit Direktor Pablo Alvarez im Rahmen der Veranstaltung „Arlberg Weinberg” über seine Pionierrolle im biologischen Weinbau, die Bedeutung der Weinberge und die Gefahr, zu berühmt zu werden.
Die Weinberge sind für Pablo Alvarez die größte Stärke von Vega Sicilia
Tempos Vega SiciliaSie sind seit 1985 für Vega Sicilia verantwortlich. Was hat sich seither verändert?
Pablo Alvarez: Mein Vater kaufte Bodegas Vega Sicilia im Jahr 1982. Der Wein war damals in Spanien schon sehr berühmt. Wir waren vorher nicht im Weingeschäft, und damals wusste ich noch nicht viel darüber. Aber das war vielleicht ein Vorteil. Einige der Leute, die ich eingestellt habe – der Geschäftsführer und der Vertriebsleiter – kamen ebenfalls nicht aus der Weinbranche. Sie brachten eine neue Perspektive ein, und das halte ich für wichtig. Wein war in den letzten 40 Jahren ständig in Veränderung und Weiterentwicklung, und es ist notwendig, sich anzupassen und zu verbessern. Damals begann in Spanien ein Wandel im Weinbau. Schritt für Schritt änderte sich alles, vor allem im Weinberg. Wir begannen organisch zu arbeiten, obwohl damals kaum jemand von Biodynamie sprach.
Hatten Sie Vorbilder?
Pablo Alvarez: 1985 besuchte ich Lalou Bize-Leroy, und sie erzählte mir über Biodynamie. Als sie mir das Konzept mit dem vergrabenen Kuhhorn erklärte, konnte ich es zuerst gar nicht glauben. Ich verstand es zunächst nicht. Damals redete auch niemand über Klimawandel, Biodynamik, biologische Landwirtschaft oder Nachhaltigkeit. Aber ich dachte immer, dass der Respekt vor dem Weinberg wichtiger ist als der Wein selbst, weil die Persönlichkeit des Weins letztlich aus dem Weinberg kommt. Deshalb begannen wir, ebenso zu arbeiten.
Sie waren Pionier in dieser Hinsicht.
Pablo Alvarez: Ja, wir waren unter den Ersten in Spanien und ganz Europa. Für mich ist Biodynamie mehr als eine Technik. Ein Teil davon ist Philosophie, ein anderer Teil ist Technik. Aber am Ende geht es um Balance. Auf Vega Sicilia haben wir bestimmte Vorteile aufgrund unseres Klimas. Es ist nicht wie in Bordeaux oder Burgund. Wir haben weniger Regen. Peronospora ist selten und Oidium können wir mit biologischen Mitteln bekämpfen. Chemische Düngemittel haben wir seit 37 oder 38 Jahren nicht mehr verwendet. Wir arbeiteten biologisch, sprachen aber nicht darüber. Damals verstanden viele Leute nicht, was wir taten. Sie hielten es für riskant.
Die Ernte findet bis zu 14 Tage früher statt als in den 1980er-Jahren
Tempos Vega SiciliaArbeiten sie auf allen ihren Weingütern biologisch?
Pablo Alvarez: Nein. Vega Sicilia ist biologisch zertifiziert. Unsere Weingüter in Toro und León sind es noch nicht, weil wir dort noch Trauben von anderen Produzenten zukaufen. In unserem neuen Projekt in Rías Baixas in Galicien ist eine Zertifizierung unmöglich, weil es dort von November bis Juni 2.000 Liter Regen gab. Ohne Behandlungen gegen Mehltau könnten wir dort keine Trauben ernten.
Was hat sich durch den Klimawandel in Ribera del Duero geändert?
Pablo Alvarez: Zum Glück haben unsere Weinberge durch ihre Höhenlage einen gewissen Vorteil, aber das reicht nicht. Wir beobachten sehr genau, wie sich das Klima verändert, und passen unsere Arbeit im Weinberg entsprechend an. Die Ernte findet heute zehn bis 14 Tage früher statt als in den 1980er-Jahren.
Wie reagieren Sie darauf?
Pablo Alvarez: Ein wichtiger Punkt ist die Bodenpflege. Ein gesunder Boden kann viel ausgleichen – er speichert Wasser besser, schützt die Reben vor extremen Temperaturen und macht eine stabilere Entwicklung der Trauben möglich. Ein weiterer Aspekt ist die Auswahl der richtigen Zeitpunkte für die Lese. Manchmal müssen wir früher ernten, um die Frische und Säure der Trauben zu bewahren. Und natürlich spielt auch die Selektion im Weinberg eine große Rolle. Ich sage oft, dass Robert Parker einer der Gründe für die Veränderungen war, weil er Weine mit mehr Reife und Intensität bevorzugte. Das führte dazu, dass die Produktionsmethoden angepasst wurden und die Reife etwas früher einsetzte.
Vega Sicilia ist auf Liv-ex nun die wertvollste Weinmarke der Welt. Wie wichtig ist Ihnen so etwas?
Pablo Alvarez: Es freut uns natürlich. Aber ich möchte nicht, dass unsere Weine zu Spekulationsobjekten werden und nicht mehr getrunken werden, wie das teilweise mit französischen Weinen passiert ist. Das war eine ungesunde Entwicklung.
Vega Sicilia ist die wertvollste Weinmarke der Welt.
Tempos Vega SiciliaWelche Fehler wurden dort begangen?
Pablo Alvarez: Ich habe eine große Bewunderung für Frankreich. Aber ich denke, dass es sehr gefährlich ist, wenn man zu berühmt, zu teuer wird und zu sehr als das Nonplusultra wahrgenommen wird. Wenn man sich zu sehr auf seinen Ruf verlässt und vergisst, sich weiterzuentwickeln, entstehen Probleme. In Bordeaux gab es auch Probleme mit der Weinqualität. In den letzten zehn Jahren, insbesondere mit dem chinesischen Markt, sind die Preise förmlich explodiert. Die Weine wurden zu reinen Spekulationsobjekten. Daher freut mich diese Auszeichnung, weil sie uns bestätigt, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis von Vega Sicilia sehr gut ist und die Menschen unsere Weine trinken wollen.
Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, wann der Unico auf den Markt kommt?
Pablo Alvarez: Der Unico reift mindestens zehn Jahre bei uns am Weingut, früher sogar noch länger. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Geschmack verändert. Früher mochten die Menschen Weine mit mehr Evolution, heute bevorzugen sie frischere Weine. Trotzdem altern unsere Weine erstaunlich gut und bleiben auch nach 30 oder 40 Jahren jugendlich. Wir bringen den Wein erst in den Handel, wenn wir glauben, dass er trinkreif ist. Wir halten rund 10.000 Flaschen Unico zurück, um sie nach rund 20 Jahren perfekter Reifebedingungen in den Handel zu bringen. Aber wir kontrollieren den Preis, damit er nicht zum Spekulationsobjekt wird.
Hat sich dadurch der Stil verändert?
Pablo Alvarez: Nein. Wir haben Anpassungen vorgenommen, weil es notwendig ist zu definieren, was der Stil von Vega ist. Dafür haben wir einen Teil des Reifeprozesses vom Fass in die Flasche verlegt. Für den Unico sind es vier bis fünf von zehn Jahren, der Valbuena bleibt zwei Jahre vor der Freigabe in der Flasche. Unsere Weine sollen für Eleganz und Komplexität stehen.
Was ist das durchschnittliche Alter der Reben bei Vega Sicilia?
Pablo Alvarez: Etwa 35 Jahre.
Die Reben auf Vega Sicilia sind im Durchschnitt 35 Jahre alt.
Tempos Vega SiciliaDas ist nicht besonders alt.
Pablo Alvarez: Es ist ein Mythos, dass ältere Reben bessere Weine ergeben. Für mich ist die Rebe wie wir Menschen. Wir sind mit 100 Jahren nicht fitter als mit 50 oder 70 Jahren. Es kommt darauf an, wo der Weinberg steht und wie man sich um ihn kümmert. So kann er unter guten Bedingungen länger leben als in anderen Gegenden. In Frankreich sprechen die Menschen nicht davon, dass ein Weinberg 100 Jahre alt ist. In Bordeaux erneuern sie die Weinberge meist nach 40 Jahren. In Burgund ist das unmöglich, weil sie vielleicht 1.000 Rebstöcke haben und jeden einzeln ersetzen. Aber in Spanien spricht man gerne von sehr alten Weinbergen.
Was ist die größte Stärke von Vega Sicilia?
Pablo Alvarez: Für mich sind es unsere Weinberge. Sie liegen zwischen 700 und 900 Metern Meereshöhe. Unsere Reben sind perfekt an die unterschiedlichen Böden und das Klima angepasst. Seit der Gründung 1864 haben wir immer unsere eigenen Reben selektiert und nachgepflanzt. Für mich repräsentiert Vega Sicilia Eleganz und Komplexität. Das kommt von unserem Terroir. Jesús Anadón, der 40 Jahre lang unser Generaldirektor und Önologe war, sagte einmal: „Ich weiß nicht genau, was es ist, aber hier passiert etwas, das die Weine anders macht.“ Und er meinte die Weinberge.
Sie sagten einmal, dass Sie sich mit 70 Jahren zurückziehen wollen. Nun sind Sie 70 geworden. Wie sieht die Zukunft aus?
Pablo Alvarez: Ich hätte gerne jemanden aus der Familie als Nachfolger, denn es ist wichtig, die Kontinuität und Philosophie von Vega Sicilia zu sichern. Aber es gibt auch die Option, jemanden von außerhalb der Familie einzusetzen. Gewisse Entscheidungen muss auf jeden Fall die Familie treffen. Vega Sicilia ist nicht nur ein Wein, sondern eine Verantwortung. Er soll auch in 50 oder 100 Jahren noch für Qualität, Eleganz und Einzigartigkeit stehen. Die nächste Generation muss verstehen, dass es nicht nur darum geht, Wein zu produzieren, sondern dieses Erbe zu bewahren. Die Chance liegt darin, weiterhin einige der besten Weine der Welt zu produzieren und gleichzeitig neue Märkte und neue Weinfreunde zu erreichen, die vielleicht noch nie von Vega Sicilia gehört haben.
Was bedeutet Erfolg für Sie persönlich?
Pablo Alvarez: Weinbau ist kein Geschäft für schnelle Erfolge. Er erfordert Zeit, Hingabe und vor allem Respekt – Respekt für das Land, für die Reben und für die Menschen, die den Wein trinken werden. Jeder große Wein erzählt eine Geschichte – und jede Geschichte ist einzigartig. Erfolg bedeutet auch, dass unsere Weine getrunken werden, dass Menschen Freude daran haben und besondere Momente mit ihnen erleben. Denn am Ende ist das der wahre Sinn von Wein: Menschen zusammenzubringen und Freude zu bereiten.