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Auch wenn die Idee einer Lagenklassifikation schon in den 80er Jahren aufkam, ist der Begriff "Erste Lage" doch relativ neu. Nachdem die Bezeichnung zunächst für das Pendant der Ersten und Großen Gewächse an Mosel, Saar und Ruwer stand, bildet sie seit einem Beschluss der VDP-Mitgliederversammlung im Juni 2006 den Oberbegriff für alle klassifizierten Lagen und deren Weine.

 

Schon an der Flasche zu erkennen: Weine aus Ersten Lagen

Diese Neuordnung war dringend notwendig, drohte die Idee der klassifizierten Lagen und Weine doch, ihre Dynamik im Wirrwarr der Bezeichnungen und Sonderregelungen zu verlieren. Zwar würde man sich auch heute noch etwas mehr Einheitlichkeit wünschen, aber der Schritt von 2006 geht eindeutig in die richtige Richtung. Trockene Weine aus Ersten Lagen werden seither in allen deutschen Weinbaugebieten mit Ausnahme des Rheingaus als "Große Gewächse" bezeichnet. Nur der Rheingau behielt für diese Kategorie den Namen "Erstes Gewächs", vor allem, weil es sich hier um einen weingesetzlich zugelassenen Begriff handelt, während "Erste Lage" und "Großes Gewächs" bislang nur als Marken existieren. Süße und edelsüße Weine ab dem Prädikat Spätlese heißen hingegen in allen Weinbauregionen einheitlich "Erste Lage".

Die Trockenen werden immer besser - sind aber selten wirklich trocken.

Während sich für die süßen Weine seit Einführung der Lagenklassifikation kaum etwas geändert hat, hat sich die Situation bei den trockenen Spitzenerzeugnissen in den letzten Jahren spürbar gewandelt. Wohl noch nie gab es in Deutschland eine so große Anzahl hochklassiger trockener Weine. Dabei steigt nicht nur die Zahl der klassifizierten Spitzengewächse; das Vorbild macht auch bei den nicht im VDP organisierten Betrieben Schule, von denen sich viele ebenfalls um die Erzeugung trockener Prestigeweine bemühen. Dennoch kann man ohne Übertreibung sagen, dass die große Mehrheit der trockenen Topgewächse des Landes den Traubenadler auf dem Etikett trägt.

 

Auch prächtige Bocksbeutel hatte der Jahrgang 2007 parat: In diesem Fall der Lump-Silvaner vom Juliusspital

Umgekehrt gilt diese Regel allerdings noch nicht ganz. Nach wie vor gibt es einige Produzenten, die die Idee der trockenen Ersten Lage noch nicht ganz verinnerlicht zu haben scheinen. Noch immer gibt es eine ganze Reihe von Weinen, die diesen Adelstitel nicht verdienen. Oft sind die Weine noch zu einfach, entsprechen mehr einer mittelmäßigen trockenen Spätlese als einem echten Grand Cru. Immer wieder versucht man auch, den Weinen mittels botrytisbefallener Trauben ein wenig auf die Beine zu helfen. Leider wirken sie dadurch allerdings in vielen Fällen nur aufgepumpt, nicht selten breit, plump und süßlich. Einen Zugewinn an Feinheit, Komplexität und Tiefe, wie man sie von echten Großen und Ersten Gewächsen erwarten darf, erhält man auf diese Art selten. Nur ganz wenige Produzenten scheinen in der Lage zu sein, auch aus teils edelfaulem Material erstklassigen trockenen Wein zu erzeugen, dem man seine Herkunft - immerhin ist der "Terroir"-Gedanke wesentlicher Bestandteil der Klassifikationsidee - auch noch anmerkt.

Nicht ganz unproblematisch ist auch der in den nördlicheren Anbaugebieten nahezu allgegenwärtige Restzucker. Was in säurebetonten, schlanken Kabinetten noch zur Harmonie der Weine beitragen mag, lässt großkalibrige Spitzenrieslinge und -Burgunder nicht selten etwas plump oder sogar aufdringlich süß wirken. Der Restzucker verwischt hier nur zu oft die klaren Konturen und macht aus straffen Individualisten beinahe gefällige Allerweltsweine. Auch die Kombination mit Speisen wird durch die schmeckbare Süße deutlich erschwert. Lediglich im südlichen Baden und teilweise in Württemberg, in Franken und in der Pfalz trifft man auf eine nennenswerte Anzahl tatsächlich trocken schmeckender Weine. Warum man bei einem derart limitierten Spitzenprodukt, wie dem Großen und dem Ersten Gewächs, fast ängstlich auf den breiten Kundengeschmack schielt, statt konsequent auf Charakter und klaren Ausdruck zu setzen, ist mir ein Rätsel. Nötig hätten es die meisten Weine sicher nicht.
 

Wein-Plus-Chefredakteur Marcus Hofschuster


Wenn der Schein nicht trügt, werden die Weine aber in den meisten Gegenden - vielleicht mit Ausnahme des Rheingaus, wo ein Erstes Gewächs noch immer bis zu 13 Gramm Zucker enthalten darf - nach und nach immer trockener. Bei aller notwendigen Kritik bleibt ohnehin festzuhalten, dass die Mehrzahl aller Großen und Ersten Gewächse heute eine gewisse Klasse besitzt und den noblen Titel nicht umsonst trägt. Die Dynamik und der Ehrgeiz der meisten Produzenten sorgt sogar dafür, dass die Qualitäten an breiter Front noch immer steigen, obwohl auch die Zahl der klassifizierten Weine deutlich zunimmt - eine Entwicklung, die wir aus verschiedenen Weinregionen der Welt ganz anders kennen.

2007 war in vieler Hinsicht ein nahezu ideales Jahr für die Erzeugung trockener wie restsüßer Spitzenweine. Der Jahrgang bot durch die frühe Blüte, den nicht zu heißen Sommer und den weitgehend trockenen Herbst eine ungewöhnlich lange Vegetationsperiode. Wer den Mut hatte, seine Trauben lange hängen zu lassen, konnte mit hochreifen, aromatischen Früchten rechnen, ohne dass der Zucker allzu hohe und die Säure zu niedrige Werte erreichte. Bei den besten Weinen schlagen sich diese Eigenschaften nicht nur in großer Komplexität und Tiefe nieder, sondern auch in Rasse und Eleganz selbst bei den kräftigsten Vertretern.

 

2007 gleich mit diversen Weltklasseweinen: Hans-Jörg Rebholz

 


Die Regionen im Einzelnen

In allen Anbaugebieten brachte 2007 hervorragende Weine aus Ersten Lagen hervor. Bei den trockenen Vertretern hinterließ der Jahrgang den größten Eindruck zweifellos in der Pfalz, wo man vermutlich die qualitativ beste Ernte seit 1998 einfuhr - und diese womöglich noch besser zu nutzen verstand als damals. Eine ganze Reihe von Produzenten wartet mit erstklassigen Rieslingen und im Süden mit nicht weniger beeindruckenden Weißburgundern auf. Wurde das Gebiet 2006 besonders gebeutelt, folgte hier die Entschädigung auf dem Fuße. In Rheinhessen bekommen die beiden Platzhirsche Wittmann und Keller inzwischen spürbar Konkurrenz, was auch am Wiedererstarken der Rheinfront liegt. Vor allem Kühling-Gillot hat in der Spitze heuer ein gewichtiges Wort mitzureden. Die Nahe lässt schon seit Jahren nichts mehr anbrennen und auch dieses Mal besitzen die meisten Großen Gewächse echte Klasse. Hier war allerdings schon 2006 so beeindruckend, dass eine Steigerung kaum mehr möglich war.

Großes Gewächs Pfalz (Riesling, Weißburgunder)

Großes Gewächs Rheinhessen (Riesling)

 

Großes Gewächs Nahe (Riesling)


Mosel

An der Mosel liegt das Hauptaugenmerk auf den süßen Ersten Lagen. Die besten Weine dürften mindestens so gut sein wie jene aus 2001, sich eventuell aber noch schöner entwickeln. Einen herausragenden Jahrgang hat die Saar zu verzeichnen, was man nicht zuletzt an der atemberaubenden Kollektion des Weinguts von Othegraven ablesen kann. Auch bei den trockenen und fast-trockenen Weinen gibt es Bewegung. Zwar hat das Weingut Heymann-Löwenstein hier nach wie vor die Nase vorn, aber die Konkurrenz schläft nicht, und mit seinem Pergentsknopp zeigt Van Volxem, dass man am anderen Ende des Gebietes ebenfalls trockene Weine von Weltklasse zu erzeugen vermag.

Großes Gewächs Mosel & Saar (Riesling)

Erste Lage Mosel & Saar (restsüße Rieslinge)


Rheingau & Mittelrhein

 

 

Auch 2007 wieder sehr stark: Das Weingut Künstler aus Hochheim

Im Rheingau steigt die Qualität in der Breite stetig, nur leider schmecken hier die meisten Ersten Gewächse eindeutig süß. Interessant, dass ausgerechnet der Süßweinspezialist Weil inzwischen einen anderen Weg geht: sein erstes Gewächs ist eines der wenigen, die tatsächlich trocken schmecken - und zählt gleichwohl zu den Besten des Jahrgangs. Am Mittelrhein sind die Großen Gewächse noch rar, aber auch hier steigt ihre Zahl und das keineswegs zu Lasten der Qualität.

Erstes Gewächs Rheingau (Riesling)

 

 

Großes Gewächs Mittelrhein (Riesling)



Franken, Sachsen & Saale-Unstrut

Auch wenn der Jahrgang 2007 in Franken insgesamt nicht an das in diesem Gebiet bisweilen exzellente Vorjahr heranreicht, kam man vor allem beim Silvaner zu mitunter überragenden Ergebnissen. Interessanterweise fallen gerade einige der großen Betriebe mit prachtvollen Weinen auf, allen voran das Juliusspital und Castell, deren Silvaner wohl noch nie so gut waren. Noch weiter im Osten - in Sachsen sowie an Saale und Unstrut - gewinnen die Weine weiter an Substanz und Eigenständigkeit: der Weißburgunder von Schloss Proschwitz braucht sich ebensowenig zu verstecken wie der Riesling von Uwe Lützkendorf.

Großes Gewächs Franken (Riesling, Silvaner, Weißburgunder)

Großes Gewächs Sachsen (Riesling, Weißburgunder)

Großes Gewächs Saale-Unstrut (Riesling, Silvaner)


Baden & Würtemberg

In Württemberg, wo es den Rieslingen in der Vergangenheit noch häufig an Charakter und echter Tiefe mangelte, sind gewaltige Fortschritte auszumachen. Erfreulicherweise haben hier einige Produzenten den Mut, die Weine wirklich trocken - bei Schnaitmann sogar knochentrocken - auszubauen. Geschadet hat es ihnen ganz und gar nicht. Baden zeigt sich zweigeteilt in einen rieslinglastigen Norden, in dem man mehr und mehr die "Segnungen" des erhöhten Restzuckers zu entdecken scheint, und in einen Süden, in dem die Burgundersorten die weit bedeutendere Rolle spielen, wo man aber auch knochentrockene Rieslinge antreffen kann. Erfreulich auch, dass das neue Holz bei den Burgundern meistens nur sehr behutsam eingesetzt wird - wenn überhaupt.

Großes Gewächs Württemberg (Riesling)

Großes Gewächs Baden (Grauburgunder, Weißburgunder, Riesling)

 

 

Der Shootingstar der letzten Jahre in Württemberg: Rainer Schnaitmann

 

 

Rotweine - Die Lehrzeit ist noch nicht vorbei

Das Gegenteil scheint bei der überwiegenden Zahl der Rotweine der Fall zu sein. Hier verlässt man sich an breiter Front noch immer mehr auf Alkohol, Hoch- bis Überreife und süßliche Holzwürze. Echte Tiefe und Komplexität der Traubenaromen sind noch ebenso rar wie klarer Herkunftscharakter. Hier wäre durchaus wünschenswert, wenn neben den Preisen auch der Mut steigen würde, wahrhaft herkunftstreue, charaktervolle und eigenständige Weine zu produzieren, die man mit Recht als Grand Cru bezeichnen kann. Selbstverständlich gibt es bedeutende Ausnahmen, aber der größere Teil der roten Ersten und Großen Gewächse bleibt noch immer ein wenig uninspiriert, wenn auch oft auf ausgezeichnetem technischen Niveau. Die Ahr hatte 2006 das Glück eines weit überdurchschnittlichen Jahrgangs und hat daher die Nase weit vorn, aber auch aus dem Rest der Republik kommen, zumal angesichts der bisweilen schwierigen Bedingungen, überraschend gute Qualitäten.

Großes Gewächs Ahr (Spätburgunder)

Großes Gewächs Pfalz (Spätburgunder)

Großes Gewächs Rheinhessen (Spätburgunder)

Erstes Gewächs Rheingau (Spätburgunder)

Großes Gewächs Sachsen (Spätburgunder)

Franken Großes Gewächs (Spätburgunder)

Großes Gewächs Württemberg (Spätburgunder)

 

 

Ihre Spitzenburgunder sind heuer wieder einmal grandios: Die Gebrüder Adeneuer

 


Insgesamt ist die Bilanz des Jahrgangs 2007 für die "Erste Lage" überaus positiv. Vor allem bei den trockenen Weinen ist die Qualitätssteigerung nicht zu übersehen. Rund ein Drittel der Großen und Ersten Gewächse erhielt heuer eine Bewertung von 90 Punkten und mehr, während die Zahl der Weine unter 85 Punkten inzwischen verschwindend gering ist. Es scheint, als würden die vom ehemaligen VDP-Vorsitzenden Michael Prinz zu Salm-Salm so oft beschworenen "Selbstreinigungskräfte" tatsächlich greifen. Der kommende Jahrgang wird wohl zu einem wichtigen Prüfstein für diese These.

 

 

 

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