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Chorey-les-Beaune FlascheSo geht es wohl Menschen, die wenig wissen über einen Winzer, ein Weingut oder über eine Appellation. Jedenfalls ist es mir so ergangen: Ich war allein zu Hause und holte mir eine Flasche aus dem Keller, eine Flasche, die nicht registriert ist in meinem sonst pingelig genauen Kellerbuch. Ich habe sie wohl von einem Freund erhalten, irgendwann, zu irgendwelchem Anlass. Und so ruhte sie – nun schon seit Jahren – unbeachtet im Keller. Jahrgang 1995, Burgund – da kenn ich mich (obwohl ich schon öfters im Burgund war) relativ schlecht aus: so gar nicht weinliebhaberlike. Rémy, mein Freund, der Burgunderkenne, ist da zuständig. Er führt mich weinmässig durchs Burgund. Doch Rémy ist nicht da, in den Ferien, in Frankreich.

Also wage ich es. Obwohl ich alle Weine (auch alte) immer dekantiere, habe ich diesmal darauf verzichtet. Aus lauter Bequemlichkeit, sagen wir es offen: Faulheit. Der erste Schluck – Flasche soeben geöffnet – entlockte mir ein Ah. Noch leicht gepresste Noten, Stall oder Kellertöne, keine Oxidation, keine Brauntöne, funkelnde Lebendigkeit, doch leicht zwetschgig. Ein „Altwein“, aber offensichtlich ein beachtlicher: Ahhh! Dann hat er sich entwickelt, im Glas, er ist von Minute zu Minute besser geworden, harmonischer, komplexer, tiefer. Ohhh! Weil ich allein war, habe ich nicht gross gekocht: ich bereute es, denn dieser Wein verdiente bessere Begleitung. Wow..!

Ich habe gar nicht gemerkt, wie ich mich immer mehr in den Wein vernarrt habe, nein verkrallt in seine Aromen, seine Harmonie, seine Präsenz, seine freudenspendende Art, vor allem aber in seine Abgeklärtheit. Immerhin, ich habe festgestellt, dass ich hier nicht irgendeine Altflasche geöffnet habe, sondern eine kleine Trouvaille (für mich war es jedenfalls eine Entdeckung), die noch lebt, sich im Glas entwickelt und mir – während Stunden – Freude bereitet hat. Die Flasche war fast leer, als ich ins Bett ging. Eigentlich wollte ich noch einige Weinbücher konsultieren oder im Internet surfen, um das Wissen zu diesem Wein und das Weingut nachholen.Ghorey-les-Beaune 4

Dazu ist es erst heute morgen gekommen: Benoît Germain sei ein Künstler gewesen, ein Winzer von Format und ein Schöpfer grosser Weine, lese ich da und nicke beifällig. Doch da steht auch das verräterische: „sei gewesen“ und ich erfahre bruchstückhaft vom „drame humains dans le vignoble“. Benoît Germain, der das Schloss und Weingut in der fünften Generation führte, ist aus dem Leben geschieden: „Depuis le décès tragique de Benoît, en décembre 2010, le domaine a fermé“, vermerkt „le Figaro“. Der Jahrgang 2009 war sein letztes Werk. Allerdings hat er seinen ersten Wein auch erst 1999 vinifiziert, dieser Chorey-les-Beaune 95 stammt also noch von seinem Vater François. Ich sinniere: gestern noch ein Hochgefühl mit dem Wein eines grossartigen Weinguts, heute Begegnung mit einem tragischen Schicksal rund um den selben Wein.

Ich bin froh, dass ich von alle dem nichts gewusst habe: für mich ist das Werk dieser Domaine eine unerwartete, wunderschöne Begegnung. Noch immer ganz leicht rauchige Anklänge in der Nase, schöne Zedernnoten, wohl letzte, leichte Frucht, die sich aus den Zwetschgentönen entwickelt, zugänglich, weich und sehr rund, mit einem wunderbaren Abgang. Während ich dies schreibe, es ist am andern frühen Morgen, schenke ich noch einen Schluck ein: der Wein hat – trotz des Alters – die Nacht (offen) gut überstanden, ist vielleicht sogar noch eine Spur tiefer, tiefgründiger geworden. Pure Altweinfreuden.

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